SoVD-Podcast: Antidiskriminierung in Hamburg
Wie können wir Diskriminierung im Alltag überwinden und was sind die größten Herausforderungen in der Antidiskriminierungsberatung?
Antidiskriminierung in Hamburg: Fragen und Inhalte
00:57 Antidiskriminierungsarbeit: Beratung und Unterstützung
04:21 Diskriminierung am Arbeitsplatz: Beratung an einem sicheren Ort
10:40 Herausforderungen und Lösungsansätze in kleinen Betrieben
12:49 Diskriminierung und ihre Auswirkungen: Psychisch und auch psychosomatisch Belastungen
15:02 Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, chronischen Erkrankungen und Senioren
18:16 Beratung bei Diskriminierung: Vor Ort, online und per Telefon
20:01 Rassismus im Alltag: Wie Diskriminierungserfahrungen zunehmend die Gesellschaft prägen
21:45 Finanzierung von Antidiskriminierungsarbeit: Herausforderungen und bürokratische Hürden
Es lohnt sich für Menschen, die etwas verändern wollen und für die das ein gutes Angebot und ein gutes Setting ist. Wir können nicht die Gesellschaft verändern, wir können nicht ganz grundlegend die Strukturen verändern. Wir können einen Teil der Diskriminierungserfahrung sichtbar machen und vor allen Dingen immer wieder Veränderungsvorschläge machen, damit die Erfahrung von Betroffenen stärker gesehen wird und sie stärker auch beteiligt werden an gesellschaftlicher Veränderung.
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Zu Gast ist Birte Weiß, Leiterin des neuen Antidiskriminierungsbüros bei basis & woge e.V.. Als sozialer Dienstleister bietet der Verein nicht nur Hilfe bei Diskriminierung, sondern auch Gesundheitsprävention, Hilfen zur Erziehung, Schutzeinrichtungen, Jugendsozialarbeit und andere soziale Projekte in ganz Hamburg an. Vielfältig zu sein bedeutet an vielen Stellen Ausgrenzung und Diskriminierung im Alltag – in der Schule, am Arbeitsplatz, in der Familie oder auch spontan auf der Straße. Die Gründe sind unterschiedlich: Herkunft, Religion, Geschlecht, sexuelle Orientierung, aber auch eine Behinderung und sogar das Lebensalter sind Auslöser dafür. Eine Situation, die die Betroffenen auf Dauer psychisch und körperlich schwer belastet. Im Antidiskriminierungsbüro treffen sie auf Menschen, die sie beraten und dabei helfen, dort, wo die Fronten verhärtet sind, wieder ins Gespräch zu kommen. Birte Weiß erläutert, wie ihre Arbeit funktioniert, wer davon profitiert und wie man auch in verfahrenen Situationen alle Beteiligten wieder an einen Tisch bringen kann.

Barrierefreie Mobilität in Hamburg: Der SoVD-Podcast zum Lesen
SR: Susanne Rahlf
KW: Klaus Wicher
BW: Birte Weiß
SR: “Sozial? Geht immer!” - Der Podcast des SoVD Hamburg mit Klaus Wicher und Susanne Rahlf. Einmal im Monat diskutieren wir soziale Fragen und Problemlagen, haken nach und geben Antworten. Immer im Blick: Soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Chancengleichheit. Sie wollen keine Folge mehr verpassen. Dann abonnieren Sie uns auf den gängigen Podcast-Plattformen. Herzlich willkommen zu “Sozial? Geht immer!” dem Podcast vom Sozialverband SoVD in Hamburg.
KW: Guten Tag, mein Name ist Klaus Wicher. Ich bin Landesvorsitzender des SoVD und freue mich auf das heutige Gespräch.
SR: Ich bin Susanne Rahlf und ich begrüße heute Birte Weiß. Sie ist die Leiterin des Arbeitsbereichs Antidiskriminierung beim sozialen Träger basis und woge e.V.. Herzlich willkommen.
BW: Vielen Dank! Eine herzliche Begrüßung von mir.
00:57 Antidiskriminierungsarbeit: Beratung und Unterstützung
SR: Frau Weiß das Büro Antidiskriminierung in der Stadt hat ganz viele verschiedene Aufgaben. Können Sie vielleicht ganz kurz erklären: Was machen Sie eigentlich da genau?
BW: Die Antidiskriminierungsberatung ist ein Ort, wo Menschen sich hinwenden können und Beratung stattfindet. In dieser Beratung wird geguckt: Was haben Menschen erlebt? Wie ordnen sie die Situation für sich ein? Im Gespräch mit uns, mit versierten Antidiskriminierungsberatern, schauen wir dann in der Beratung auf Handlungsstrategien. Was soll sich verändern für Ratsuchende und für Betroffene von Diskriminierung. Welche Veränderung wünschen sie sich und welche Unterstützung wünschen Sie sich von uns? Was wir dann anbieten können, ist, je nach Wunsch oder Anliegen der Betroffenen, dass wir einen Brief schreiben, dass wir ein Gespräch anfragen, dass wir eine Rechtsberatung anbieten, dass wir Öffentlichkeitsarbeit machen oder dass wir überhaupt Recherche betreiben.
KW: Gibt es auch harte Sanktionen? Kann die Behörde Strafen verhängen?
BW: Es gibt natürlich den Diskriminierungsschutz, das Grundgesetz und unterschiedliche landesrechtliche Grundlagen in den einzelnen Bereichen. Als Antidiskriminierungsgesetzgebung gibt es nur das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das Zivilrecht ist und das vor allen Dingen im Dienstleistungs- und im Arbeitsbereich gilt. Unsere Stärke als Antidiskriminierungsbüro ist, dass wir überhaupt erstmal ein Ort sind, wo das Thema fachlich ernst genommen und fachlich verfolgt wird. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz hilft uns da.
Sie haben jetzt sehr selbstverständlich das Antidiskriminierungsbüro Hamburg gesagt. Das freut mich zu hören. Es ist sogar das erste Mal in so einem offiziellen Format, dass ich von dem Antidiskriminierungsbüro Hamburg in der Form spreche. Das gibt es noch gar nicht so lange. Es gibt aber Projekte, die schon Teil davon sind. Das Projekt Amira, das berät zu rassistischer Diskriminierung, Diskriminierung aufgrund von tatsächlicher oder zugeschriebenen Herkunft oder Religion. Es gibt das Projekt read. Das macht die gleiche Beratung, also die unabhängige, qualifizierte Antidiskriminierungsberatung zu den Diskriminierungsdimensionen Geschlecht, sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. Diese beiden Projekte sind Teil des Antidiskriminierungsbüros. Das ist das Neue, dass wir das sozusagen unter einem gemeinsamen Dach anbieten. Das zweite Neue ist, dass wir die Beratung erweitern, um die Diskriminierungsdimensionen Behinderung, chronische Erkrankung und Lebensalter. Das heißt, das Angebot erweitert sich und die Beratung findet unter einem Dach statt, sodass Ratsuchende leichter den Weg zu uns finden.
KW: Wenn jemand diskriminiert wird, dann erzeugt das Ängste, Schrecken, Belastungen. Ist das in jedem Fall. Mit welchen Problemen kommen die Menschen zu Ihnen?
BW: Diskriminierungen werden im Alltag von ganz vielen Menschen aus unterschiedlichen Gründen erlebt. Sehr alltäglich und in eigentlich allen Lebensbereichen. Erstmal vorweg Diskriminierung ist das, was Sie gerade angesprochen haben. Es wird häufig assoziiert mit Würdeverletzung, Beleidigung, negativer Ansprache und negativen Zuschreibungen. Das passiert und ist Teil der Antidiskriminierungsberatung zum Beispiel. Es gibt eine Beleidigung am Arbeitsplatz, es gibt Auseinandersetzungen unter Kolleginnen, die rassistisch aufgeladen sind. Es gibt zwischen Personen tatsächlich Auseinandersetzungen und Konflikte, die diskriminierende Ursachen haben.
04:21 Diskriminierung am Arbeitsplatz: Beratung an einem sicheren Ort
KW: Wie bearbeiten Sie das und welche Hilfen bekommen die Menschen?
BW: Die Unterstützung, die Menschen bekommen, ist eigentlich immer gleich. Egal welche Form der Diskriminierung Menschen erleben. Menschen kommen zu uns in die Beratung und berichten, was sie erlebt haben, was sie als Diskriminierung erlebt haben. Sie haben nach so einer Situation von einer direkten Beleidigung gefragt. Ich habe eben den Arbeitsplatz genannt. Häufig kommt das auch zum Beispiel im Nachbarschaftsverhältnis vor. Es gibt rassistische Äußerungen, zum Beispiel unter Kollegen. Das wiederholt sich. Das ist eine Atmosphäre, die für Leute belastend ist. Das haben Sie auch schon gesagt. Die Situation macht es schwierig, gut arbeiten zu können, das belastet und das Klima ist nicht gut. Menschen kommen meistens, wenn sich irgendwie eine Zuspitzung ergibt, also wenn irgendetwas das Fass zum Überlaufen bringt, in die Beratung und versuchen, ihre Situation am Arbeitsplatz zu klären.
KW: Die Klienten, die zu Ihnen kommen, beschreiben das erstmal genau. Dann gucken Sie sich das gemeinsam wahrscheinlich an und gucken erstmal: Woraus entsteht der Druck?
BW: Genau. Der erste Schritt ist ganz wichtig: Sie haben einen Ort für die Beratung, wo Sie hinkommen können. Das ist sehr wichtig zu erwähnen, weil die Alltagserfahrungen von Menschen, die Diskriminierungen erleben, dass, wenn Sie sie in ihrem Umfeld ansprechen, in der Mehrheitsgesellschaft in der Regel auf Ablehnung stoßen und es wird selten ernst genommen. 80 Prozent der Diskriminierungserfahrungen werden deswegen nirgends gemeldet, weil es bagatellisiert wird, weil es gesagt wird: Alles war nur ein Missverständnis. Es war nicht so gemeint. Das hast du falsch verstanden. Im Pädagogischen Kontext hören wir sehr häufig: Stell dich nicht so an. Nimm es nicht so ernst. Nimm sie nicht zu Herzen. Da rein, da raus! Mach dir nichts draus. Das sind häufig gut gemeinte pädagogische Ratschläge, aber es hinterlässt Spuren. Deswegen ist es ganz wichtig, dass in der Antidiskriminierungsberatung Menschen arbeiten, die zum einen eigene Diskriminierungserfahrung mitbringen und zum anderen fachlich natürlich darin geschult sind, Diskriminierung zu erkennen und es ernst zu nehmen und zu wissen, welche Diskriminierungserfahrungen machen Menschen und Leute nicht mit dem Druck kommen. Ich muss mich jetzt erstmal beweisen, nachweisen, sondern Verständnis zeigen: Hier gibt es ein offenes Ohr und hier werde ich verstanden.
KW: Der erste Schritt ist also anhören, ernst nehmen und auf das Problem eingehen. Was folgt dann? Nehmen wir das Beispiel Arbeitsplatz. Sie gucken von außen. Die Menschen müssen dann zurück an ihren Arbeitsplatz und erleben das, was sie als schwierig empfinden weiter. Wo setzen Sie da an?
BW: Für uns ist es ganz wichtig, dass wir in der Beratung meistens schon, auch in dem ersten Gespräch mit den Ratsuchenden zusammen sortieren. Wir gucken sozusagen: Was ist das für eine Situation? Wo belastet sie? Was belastet sie? Wie belastet sie? Das ist ganz wichtig: Was für eine Veränderung wünscht die Person sich? Das ist je nach Situation, die sie erlebt, aber auch von Person zu Person total unterschiedlich. Gab es einen Konflikt, wo eine Person eine Entschuldigung erwartet oder sich wünscht? Wünscht sie sich, dass es eine Sensibilisierung Fortbildung für das gesamte Kollegium gibt, um nicht alleine immer wieder darauf hinweisen zu müssen? Wünscht sie sich ein Gespräch mit dem Vorgesetzten? Das ist ganz verschieden, was die Leute sich wünschen.
KW: Jetzt wünschen die sich das und dann gehen sie dorthin und sagen, da muss gesprochen werden. Das hat manchmal auch Folgen für den, der das sagt und sagt: Ich beschwere mich über dich. So wird das oft empfunden.
BW: Das gucken wir uns in der Beratung gut an. Es geht erstmal darum: Was ist der Wunsch nach Veränderung? Wir gehen nicht von Fall X aus und raten Y. Wir gucken immer, was das ist, was ich für die Personen verändern soll. Wenn die Person sich ein Gespräch wünscht, noch mal zu gucken, wer sollte dabei sein, wen gibt es Unterstützung? Was könnte im schlechtesten Fall passieren? Genau das sind Szenarien, die wir uns in der Beratung angucken und dann gucken wir natürlich auch, welche Unterstützung können wir leisten? Unsere Erfahrung ist, dass ich ein Setting, zum Beispiel ein Gespräch am Arbeitsplatz, zum Beispiel mit der vorgesetzten Person Teamleitung, dass sich das verändert, wenn wir mit reingehen, also das heißt, wir machen so eine, ich nenne das eine überparteiliche Unterstützung, das heißt, wir verstehen uns jetzt nicht als neutral im Sinne von wir gucken von außen, aber wir gucken mit der Brille: Die Person hat Diskriminierung erlebt und wir wissen, wir haben eine Expertise darin, zu wissen, was für Vorschläge wir machen können.
SR: Wie ist denn überhaupt die Resonanz bei dem Beispiel? Sie kommen jetzt zur Abteilungsleitung. Sind die denn da immer ganz offen und aufgeschlossen dafür? Ich kann mir vorstellen, dass Sie da auch erstmal so ein bisschen für Verständnis werben müssen.
BW: Das ist sehr unterschiedlich. Das ist, wenn wir beim Arbeitsplatz und in Teams und Unternehmen bleiben, ganz abhängig davon, wie viel da schon an Sensibilisierung passiert ist. Ob es eine aktive Auseinandersetzung des Unternehmens mit Diskriminierungsthemen schon gab, ob es im Leitbild verankert ist, ob es gelebte Praxis ist und ob es überhaupt Kenntnis und Wissen gibt. Das merken wir sehr stark. Diskriminierung wird häufig als Vorwurf verstanden. Das ist ein Kernproblem des Umgangs mit Diskriminierung, dass es häufig eine Abwehrreaktion gibt, weil es wahrgenommen wird als ein: Ich will hier nicht in der Ecke des Diskriminierenden stehen. Dann macht die Person eine Abwehr und die Person, die es gesagt hat, kriegt das Doppelte. Erstmal muss sie die Verletzungserfahrungen machen der Diskriminierung, und dann kriegt sie auch noch die Abwehr zu spüren. Deswegen ist es an bestimmten Stellen so wichtig, dass wir mit reingehen, weil wir genau diese Mechanismen erklären können und weil wir dann die Person in dem Gespräch unterstützen können. Das tun wir ganz verschieden. Unsere Erfahrung ist schon, wenn es erst mal eine Gesprächsbereitschaft gibt und wenn wir zusammensitzen können, dass es dann auch häufig gelingt, über Veränderung zu sprechen und es auch handhabbarer wird, zum Beispiel für eine Teamleitung, wenn es ein bisschen klarer wird. Es geht hier jetzt gar nicht darum, anzuklagen. Das wollen Ratsuchende in der Regel nicht oder ist nicht das Hauptmotiv, sondern sie wollen Veränderung. Wenn wir Wege aufzeigen, wie Veränderung gehen kann und so ein bisschen die Perspektive dahin bekommen, zu sagen, hier geht es jetzt darum, mal zu denken, was müsste sich für die ratsuchende Person verändern? Was bringt es Ihnen in Ihrem Team an Stimmungsverbesserung, an Abbau von Barrieren, dass es dann auch leichter ist, tatsächlich in kleinen Schritten über Handlungsmöglichkeiten nachzudenken?
10:40 Herausforderungen und Lösungsansätze in kleinen Betrieben
KW: Frau Weiß, Sie sprechen immer so von Teamleitung und von Strukturen. Die meisten Betriebe in Hamburg sind Kleinbetriebe und maximal mittelgroße. Da habe ich, wenn Sie das so erzählen, den Eindruck, es handelt sich um Riesenunternehmen. Da gibt es natürlich Strukturen, da gibt es Vorgesetzte und es gibt Betriebsräte. Das ist keineswegs überall der Fall. Das, was Sie schildern, ist angstbesetzt, sowohl für den Arbeitgeber oder für den Mitarbeitenden dort als auch für den, der die Diskriminierung erfahren hat.
BW: Ich würde da gar nicht so eine Unterscheidung machen. Ich gebe Ihnen recht: In größeren Unternehmen sind mehr Strukturen da. In kleineren Betrieben ist häufig der Bedarf viel klarer sichtbar. Meine Erfahrung ist, dass es häufig auch Lösungen leichter macht, weil einfach sehr klar ist, was ist geschehen, was waren vielleicht Vorfälle und wie kann Veränderung auch aussehen? Natürlich brauche ich eine Ansprechperson, das ist klar. Wenn es ein ganz kleines Unternehmen ist und es geht um den Vorgesetzten selber, dann bin ich sozusagen in einem Konflikt. Dann bin ich darauf angewiesen, dass die vorgesetzte Person sich auch auf die Lösung des Konfliktes einlässt, wo sie vielleicht eine aktive Rolle drin haben.
KW: Wenn der Vorgesetzte das nicht will, sich nicht einlässt.
BW: Denn dann haben wir keine Chance. Wir sind keine Instanz und kein Gericht.
KW: Dann machen Sie das gar nicht erst, oder? Ich meine, das Problem ist, dass derjenige, der diskriminiert worden ist, in den Betrieb zurück muss. Da verdient die Person sein Geld. Da müssen Sie sehr sensibel sein, dass das keine Folgen hat, die für den Betroffenen schwerwiegend sind.
BW: Das gucken wir uns in der Beratung an, ich kann es nur noch mal sagen: Unsere Erfahrung ist, dass in dem Moment, wo wir mit drin sind, es eine Unterstützung der Person ist. Das ist keine Absicherung. Wenn sich nichts bewegen soll, dann sind wir keine Instanz, die das erzwingen kann. Wir haben aber durchaus positive Erfahrung, dass es das Thema ernster genommen wird, wenn wir als Antidiskriminierungspro mit drin sind und wenn es gelingt, die Perspektive der Ratsuchenden deutlich zu machen und deutlich zu machen, dass es hier nicht um ein Anklagen geht, sondern um Veränderung. Veränderung bringt allen was.
12:49 Diskriminierung und ihre Auswirkungen: Psychisch und auch psychosomatisch Belastungen
KW: Diskriminierende Situationen können krankmachen. Ist Ihnen da was vor Augen? Welche krankmachenden Faktoren hat denn so was? Müssen auch die Betroffenen beraten in diese Richtung. Was machen sie dann?
BW: Wir sind schon gut vernetzt in der Hamburger Beratungslandschaft. Psychosoziale Beratung im Sinne von Diskriminierung erzeugt unterschiedliche Belastungen. Diese Belastung kann sich psychisch und auch psychosomatisch auswirken. Das ist durchaus eine Erfahrung von uns und wir beraten sozusagen dann den Teil, der tatsächlich mit der Diskriminierung zu tun hat. Diskriminierung ist viel mehr. Diskriminierung ist jede Art der Benachteiligung. Das kann auch ein schlechteres Gehalt für Frauen sein. Oder die Lohnerhöhung, die alle bekommen, bekommen die schwanger gewordenen Kolleginnen nicht. Wer bekommt Fortbildung, wer bekommt Aufstiegschancen? All das sind auch Themen, die wir mit beraten. Wir gucken uns immer den Teil an, wo wir sozusagen die Diskriminierung berichtet bekommen oder selber durch unsere Perspektive auch analysieren können und wo wir Veränderungsvorschläge machen können.
KW: Was wären so Veränderungsvorschläge?
BW: Eben waren wir in dem Bereich Konflikt, wo es darum geht, überhaupt erstmal anzuerkennen, welche Diskriminierungserfahrung Menschen machen, wenn es um Gehaltsverhandlungen geht, ist es schwieriger. Da ist der Nachweis häufig schwieriger. Wenn es aber um eine Situation geht, wo eine Person zum Beispiel in Elternzeit gegangen ist und danach eine Fortbildungs- oder Aufstiegsmöglichkeit, die ihr vorher eigentlich zugesichert worden sind, nicht mehr hat, dann wäre es wieder die Form des Gesprächs oder der Beschwerde schreiben. Sie würden aufschreiben, was passiert ist und eine Forderung stellen. Bzw. Erst mal auf den Diskriminierungstatbestand hinweisen, auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz um die Veränderungsperspektive im Gespräch oder schriftlich einzufordern.
KW: Gibt es offizielle Stellen, die Sie ansprechen können, die Hilfe leisten? Wir müssen Leute da sein, die sagen: Ich setze die Rechte aus dem Gesetz um.
BW: Genauer: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das hilft an manchen Stellen. Das nutzen wir in der Form, dass wir auch Klagen unterstützen. Wir bieten auch Rechtsberatung an in unserem Projekt und unterstützen dann auch bei Klagen, wenn Personen das wünschen.
15:02 Diskriminierung von Menschen mit Behinderung, chronischen Erkrankungen und Senioren
SR: Es gibt die Diskriminierung auch im Bereich Menschen mit Behinderung und chronische Erkrankungen und auch Lebensalter. Wie kommen diese Bereiche zu Ihnen und was begegnet den Menschen, die davon betroffen sind?
KW: Die Senioren beklagen sich oft darüber, dass sie sich benachteiligt fühlen in der Gesellschaft. Was kommt da auf sie zu?
BW: Erstmal sind es gar nicht neue Diskriminierungsdimensionen, sondern die sind tatsächlich schon seit 2006 im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz festgehalten. Da ist gehört Behinderung und chronische Erkrankung und Lebensalter mit dazu. Lebensalter meint sowohl Seniorinnen und Menschen in jungem Alter. Was auf uns zukommt? Das wissen wir noch gar nicht ganz genau. Denn neu ist, dass Hamburg überhaupt ein Angebot für Antidiskriminierungsberatung in diesen Bereichen vorhält.
SR: Wir haben natürlich auch viel mit Menschen mit Behinderung zu tun, und da gibt es immer wieder Fälle: Die Menschen verlieren ihren Job, oder sie suchen beispielsweise eine Wohnung und suchen jahrelang eine Wohnung, weil sie auf dem Wohnungsmarkt keine Chancen haben. Das ist natürlich immer nur eine Unterstellung, zu sagen, das liegt daran, dass der Mensch eine Behinderung hat, aber die empfinden das so, und das ist auch deren Erleben im Alltag an ganz vielen Stellen. Wie können Sie zum Beispiel diesen Menschen helfen und unterstützen?
BW: Der Wohnungsmarkt oder überhaupt der Zugang zu Wohnraum ist ein ganz wichtiger Bereich in unserer Beratung. Es steht immer so an zweiter oder dritter Stelle der Lebensbereiche, wegen derer sich Menschen melden. Das gilt für alle Diskriminierungsdimensionen. Die Diskriminierung beim Zugang zum Wohnraum ist de facto da, das ist ganz klar. Das ist empirisch belegt. Für uns in der Beratung ist natürlich immer die Frage: Was können wir tun? Ist es nachweisbar? Das ist es natürlich nicht immer. Wir können versuchen, Hinweise zu bekommen und wir versuchen mit Vermietern ins Gespräch zu gehen. Wenn es keine Nachweise gibt, sind wir darauf angewiesen, dass zugehört wird, dass es ein Interesse gibt, dass die Erfahrungen der Betroffenen ernst genommen werden. Das ist wahrscheinlicher, wenn es solche Instanzen wie zum Beispiel ein Antidiskriminierungsbüro, Betroffenencommunities oder beauftragte Personen schon in der Stadt gibt. Wenn die sich einschalten und auf Themen aufmerksam machen, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass Betroffene Gehör finden, größer. Das ist unser Ansatz. Es geht viel darum, überhaupt erst mal sichtbar zu machen, anzuerkennen, Handlungsstrategien zu entwickeln. Wir sprechen von Diskriminierungsverantwortlichen, Personen oder Institutionen. Wir appellieren an die Übernahme von Verantwortung. Wieder geht es ganz viel um Sensibilisierung. Das ist ein Grundproblem von Diskriminierung. Das Grundthema ist, dass Menschen, die nicht von Diskriminierung betroffen sind, sie ganz häufig gar nicht sehen. Häufig ist es nicht gesehen und wird aber dort, wo Betroffene aufmerksam machen, nicht ernst genommen. Darum geht es viel. Es geht aber auch und das ist der zweite Schritt um das Durchsetzen von Rechten. Da unterstützen wir also insofern würde ich sagen, es ist beides. Es ist viel an Hinweisen, Sensibilisieren, sichtbar machen, aber auch um einen Druck erzeugen bis hin zur Durchsetzung von Rechten.
18:16 Beratung bei Diskriminierung: Vor Ort, online und per Telefon
KW: Wir können also sagen, es lohnt sich für betroffene Menschen, erst mal zu ihnen zu kommen.
BW: Es lohnt sich für Menschen, die etwas verändern wollen und für die das ein gutes Angebot und ein gutes Setting ist. Wir können nicht die Gesellschaft verändern, wir können nicht ganz grundlegend die Strukturen verändern. Wir können einen Teil der Diskriminierungserfahrung sichtbar machen und vor allen Dingen immer wieder Veränderungsvorschläge machen, damit die Erfahrung von Betroffenen stärker gesehen wird und sie stärker auch beteiligt werden an gesellschaftlicher Veränderung.
SR: Es geht auch ganz viel um Werben für die Menschen und für alle in unserer Gesellschaft. Wir haben gerade noch mal von der Beratung gesprochen. Wenn ich mich jetzt gerne beraten lassen möchte, wenn ich ein Problem habe, wo muss ich denn überhaupt hin?
BW: Wir sind ganz neu in die Hamburger Welle in der Lübecker Straße 128 gezogen. Dort sind wir in dem Haus B und im fünften Stock zu finden und beraten dort. Dort empfangen wir die Ratsuchenden. Dort finden die Gespräche zum Großteil statt. Es ist auch möglich, Online-Beratungen zu machen, wahrzunehmen, wenn es vielleicht aus zeitlichen oder aus irgendwelchen Barrieregründen eher gewünscht ist. Es geht theoretisch auch telefonisch, aber ein Großteil der Beratung findet tatsächlich vor Ort statt. Wir haben eine offene Sprechstunde donnerstags von 9 bis 11 Uhr. Es ist aber eigentlich ratsam, vorher Kontakt aufzunehmen. Dann können wir in Ruhe verteilen. Welcher Berater eignet sich für welches Anliegen? Das sind ja ganz schön viele unterschiedliche Themen, auch mit Diskriminierung verbunden. Das ist der bessere Weg. Es ist möglich, in die offene Sprechstunde zu kommen, direkt in die Hamburger Welle. Es ist auch möglich, Kontakt aufzunehmen, über Mail oder über Telefon mit der Beratungsstelle und dann einen Termin zu vereinbaren.
20:01 Rassismus im Alltag: Wie Diskriminierungserfahrungen zunehmend die Gesellschaft prägen
KW: Ein wichtiger Punkt ist, dass wir uns noch mal angucken. Wir haben zunehmende Zahl von Menschen mit Migrationshintergrund und die erfahren ganz oft auch Diskriminierung. Was ist das, was von dieser Seite auf Sie zukommt und können Sie da helfen?
BW: Eines der beiden Projekte unter dem Dach des Antidiskriminierungsbüros befasst sich genau mit dem Kernfeld Rassismus: Amira Alltagserfahrungen.
SR: Können Sie beobachten, dass das mehr wird in der letzten Zeit?
BW: Das stellen die Menschen fest, die das erleben und die, das können wir überall lesen. Und das spiegelt sich natürlich bei uns in der Beratung wider, dass die gesellschaftlichen Diskurse, die wir im Moment erleben, natürlich die Unsicherheit von Menschen, die als nicht deutsch wahrgenommen werden, ob sie jetzt eine Migrationsgeschichte, eine eigene familiäre haben oder nicht, ist ja an der Stelle völlig egal. Sie werden als Nichtdeutsche wahrgenommen und sind natürlich durch die verschärften gesellschaftlichen Diskurse bis weit in die Mitte hinein immer angstbesetzter und verunsicherter. Das andere ist, dass diese gesellschaftlichen Diskussionen sich am Anfang des Gesprächs auf jedes Kollegium, auf jeden Vermieter, auf jede Situation, sich im Alltag wiederum auswirken. Natürlich macht es eine Verunsicherung und es ist total nötig, dass nicht nur wir als Beratungsstelle ein Ort sind, wo Menschen sich hinwenden können, um gestärkt zu werden. Ist es für alle Menschen und das würde ich jetzt auch gar nicht nur beziehen auf Menschen, die Rassismus erleben, sondern das, was wir erleben, bezieht sich auf ganz verschiedene Bevölkerungsgruppen.
21:45 Finanzierung von Antidiskriminierungsarbeit: Herausforderungen und bürokratische Hürden
KW: Wir wollen noch mal einen Punkt streifen. Das ist die Frage der Finanzierung. Sie brauchen hier Geld, um das zu machen. Sie haben eine Reihe von Mitarbeitern. Woher kommt das Geld? Ist es schwierig, dieses Geld zu beantragen? Gibt es da bürokratische Hemmnisse? Können Sie ein bisschen darüber erzählen?
BW: Wir werden finanziert von der Sozialbehörde, von der Wissenschaftsbehörde und im Moment auch durch ein bundesweites Förderprogramm von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Respektland nennt sich das. Unsere Aufgabe als Träger ist es, immer wieder Finanzierungen zu suchen, Bericht zu erstatten und neue Finanzierungen aufzutun. Das ist immer sehr mühsam und greift auch viele Ressourcen ab.
KW: Das kann klassisch unter bürokratischen Aufwand gesehen werden. Gibt es da Vereinfachungen, die wir vorschlagen könnten?
BW: Das ist jetzt natürlich eine große Frage. Aus unserer Perspektive als zivilgesellschaftlicher Träger ist es total wünschenswert, dass wir natürlich eng fachlich begleitet werden. Dass die administrativen Hürden abgebaut werden und dass wir nach Möglichkeit nicht so wahnsinnig viel Ressourcen reinstecken müssen, das ist ein großer Wunsch.
SR: Frau Weiß, vielen Dank für diese Information, die Sie uns gegeben haben über dieses Projekt, was glaube ich in Hamburg noch gar nicht so bekannt ist. Wir haben, hoffe ich, ein bisschen dazu beigetragen, das ein bisschen publik zu machen. Ihre Kontaktdaten werden wir weitergeben für die Menschen, die Ihre Unterstützung suchen möchten. Vielen Dank, dass Sie hier waren.
KW: Auch von meiner Seite nochmal herzlichen Dank und weiterhin viel Erfolg.
BW: Vielen Dank für die Möglichkeit, hier teilzunehmen. Dankeschön.
SR: Das war “Sozial? Geht immer!” - Der Podcast des SoVD Hamburg. Abonnieren Sie uns auf den gängigen Plattformen und wenn es Ihnen gefallen hat, geben Sie uns dort gerne eine gute Bewertung ab. Oder Sie schicken uns Ihr Feedback an info@sovd-hh.de. Wir freuen uns, wenn Sie auch das nächste Mal wieder reinhören. Bis dahin halten wir Sie auf unseren Social Media Kanälen auf dem Laufenden oder besuchen Sie unsere Webseite sovd-hh.de.