SoVD-Podcast: Senior:innen-Zentren für Hamburg
Wie können wir der wachsenden Armut und Einsamkeit im Alter die Stirn bieten?
Senior:innen-Zentren für Hamburg: Fragen und Inhalte
01:32 Alten- und Service-Zentrum (ASZ): Angebot und Zielgruppe
03:57 Beratung und Unterstützung im ASZ: Hilfe in allen Lebenslagen
07:43 Das System der offenen Altenhilfe: ASZ als Anker und Oase für alle im Quartier
14:46 Gut vernetzt im ASZ: Nachbarschaft, Kontakte und Kooperationen
16:31 Bedürftige in München: Freiwillige Leistungen und Zuschüsse der Stadt
19:55 Ausstattung und Besucher:innenstruktur im ASZ
25:57 Das Münchner Modell der ASZ: Erfolgsbeispiel mit Vorbildcharakter
Die ASZ orientieren sich an den Bedarfen, die die Senior:innen in ihrem Stadtteil haben. Im Stadtteil sind wir sehr gut vernetzt. Wir haben enge Kontakte zur Bezirkssozialarbeit, denn uns ist wichtig, Bedarfe schnell zu erkennen und sie gemeinsam zu lösen. Außerdem achten wir im Haus auf eine angenehme Atmosphäre. Die Menschen kommen wirklich gerne zu uns und schätzen das Angebot sehr.
“Zu Gast ist Birgit Schmidt-Deckert, Leiterin des Alten- und Service-Zentrums (ASZ) Maxvorstadt. Anhand des Münchner Systems der offenen Altenhilfe diskutieren wir gemeinsam, was eine moderne Senior:innenarbeit ausmacht, die gutes Altern für alle im Blick hat. Im Fokus: Die Arbeit der ASZ als Erfolgsbeispiel mit Vorbildcharakter, auch für die Hansestadt. Eingebunden in ein starkes Netzwerk und mittendrin im Quartier, bündeln die ASZ ein breites Angebotsportfolio unter einem Dach, und sorgen so für ein soziales, nachbarschaftliches Miteinander vor Ort. Hier wird nicht nur Raum zur Begegnung und zum Austausch geboten, hier bekommt man auch Beratung und Unterstützung in allen Altersfragen, ob Rentenlücke, Pflegefall, Einkaufshilfe oder Hausbesuch.
Senior:innen-Zentren für Hamburg: Der SoVD-Podcast zum Lesen
SR: Susanne Rahlf
KW: Klaus Wicher
BSD: Birgit Schmidt-Deckert
SR: „Sozial? Geht immer!” – der Podcast des SoVD Hamburg mit Klaus Wicher und Susanne Rahlf. Einmal im Monat diskutieren wir soziale Fragen und Problemlagen, haken nach und geben Antworten. Immer im Blick: soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Chancengleichheit. Sie wollen keine Folge mehr verpassen? Dann abonnieren Sie uns auf den gängigen Podcast-Plattformen. Herzlich willkommen zu unserem Podcast „Sozial? Geht immer!” vom Sozialverband SoVD hier in Hamburg. Mein Name ist Susanne Rahlf.
KW: Mein Name ist Klaus Wicher, ich bin Landesvorsitzender des SoVD.
SR: Heute zu Gast ist Birgit Schmidt-Deckert. Sie leitet das Alten- und Service-Zentrum (ASZ) Maxvorstadt in München. Inzwischen gibt es 33 in der bayerischen Landeshauptstadt. Sie sind eine Kooperation Münchens mit Trägern der freien Wohlfahrtspflege und Vereinen. Finanziert werden sie von der Landeshauptstadt und gemeinsam werden sie mit den Trägern stetig weiterentwickelt. In ihrem Haus, Frau Schmidt-Deckert, ist der Träger das Bayerische Rote Kreuz Kreisverband München. Herzlich willkommen, Frau Schmidt-Deckert!
BSD: Vielen Dank für die Einladung. Es freut mich sehr, heute mit Ihnen ins Gespräch zu kommen und die Arbeit aus München vorzustellen. Dass Sie sich für uns interessieren, freut mich sehr.
01:32 Alten- und Service-Zentrum (ASZ): Angebot und Zielgruppe
SR: Sie sind seit 2013 die Leiterin des ASZ in der Maxvorstadt. Wenn ich zu Ihnen komme, was bekomme ich von Ihnen?
BSD: Die ASZs sind ein ganz wichtiger Teil der offenen Seniorenarbeit in München und mittlerweile auch sehr bekannt. Es gibt sie schon seit Ende der 70er Jahre. Wir haben ein ganz umfassendes Angebot. So verschieden wie die Senioren sind mit ihren Lebensläufen und ihren Wünschen, so vielfältig ist auch unser Angebot. Wir haben ein umfassendes Kurs- und Veranstaltungsangebot aus verschiedenen Bereichen. Bewegungsangebote, kreatives Gestalten und Schreiben oder Sprachkurse. So ein bisschen wie in der Volkshochschule, aber darüber hinaus bieten wir auch noch ganz viele Einzelveranstaltungen zu allen Themen an: Rechtsthemen, gesundheitliche Themen, medizinische Vorträge oder Besprechungen. Wir haben Musikveranstaltungen, Konzerte, Lesungen oder auch Führungen im Stadtteil, das nennen wir altes Handwerk neu erlebt, in unserem Angebot. Wir sind in der Maxvorstadt inmitten des Kunst Areals. Wir haben die drei Pinakotheken um uns herum und die ASZs orientieren sich einfach an den Bedarfen, die die Senioren in ihrem Stadtteil haben.
KW: Wie viele Mitarbeiter haben Sie eigentlich?
BSD: Wir sind viereinhalb soziale Pädagogen. Wir haben zwei halbe Stellen in der Hauswirtschaft und eine halbe Stelle in der Verwaltung.
KW: Da sind sie sehr gut ausgestattet. Jedenfalls aus der Sicht von Hamburg. Wer ist die Zielgruppe der ASZs? Sind das über 60-jährige, über 65-jährige oder ist das gar nicht so genau bestimmt?
BSD: Also die Zielgruppe sind Menschen, auf die die Lebenslage Alter zutrifft. Es können auch Menschen unter 60 sein, wenn sie zum Beispiel Erwerbsunfähigkeitsrente beziehen oder da in dieser Form Probleme haben. Natürlich beraten wir auch Angehörige von älteren Menschen und sind in Kontakt mit der neben uns liegenden Kinderkrippe oder haben Kontakte zu Schulen. Von daher haben wir auch generationsübergreifende Angebote.
03:57 Beratung und Unterstützung im ASZ: Hilfe in allen Lebenslagen
KW: Womit kommen die Menschen bei der Beratung zu Ihnen? Welchen Rat möchten Sie gerne?
BSD: Das ist ganz vielfältig. Die Menschen kommen erstmal zu uns, weil sie sich oft in der Stadtgesellschaft als unsichtbar wahrgenommen fühlen. Sie wollen wahrgenommen werden, wollen auch unsere Begegnungsstätte als Raum nutzen, um sich gegenseitig zu unterstützen, um Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation kennenzulernen. Das ist ganz wichtig. Wir bringen Menschen zusammen, die sich sonst vielleicht gar nicht kennenlernen würden. Wir bieten natürlich auch Einzelberatung und Vermittlung von Hilfen an. Die Themen der Beratung sind ganz vielfältig. Es geht zum Beispiel um häusliche und hauswirtschaftliche Versorgung, um teilstationäre Angebote, stationäre Wohnformen, Wohnungsanpassung oder auch natürlich finanzielle Themen. Wir unterstützen Menschen mit Stiftungsmitteln, spenden aber auch und sind wir behilflich beim Ausfüllen von Grundsicherungsanträgen oder sonstigen Behördenangelegenheiten.
KW: Zu uns hier in Hamburg kommen in der Rechtsberatung oft Menschen, die sagen, ich komme mit meinem Geld nicht klar, wo kann ich was beantragen, bei welcher Behörde bin ich richtig? Geben Sie da auch Orientierung in der Beratung?
BSD: Ja, natürlich. Wir informieren, was es für Möglichkeiten gibt, welche finanziellen Hilfen es gibt, wo Anträge gestellt werden, sei es Grundsicherung oder Wohngeld oder wo günstig eingekauft werden kann. Wir verweisen auch auf die freiwilligen Leistungen der Stadt München. Die Stadt München hat für Menschen mit wenig Geld ein Sozialticket, bietet Zuschüsse an beim Kauf von Smartphone oder Laptop, oder gibt freiwillige Leistungen für Möbel und Elektrogeräte. Wir beraten jetzt auch im Hinblick auf den Wärmefonds. Die Stadt München hat für Menschen mit geringem Einkommen Wärmefonds eingerichtet in den Jahren 2023 und 2024. Da sind wir mit Informationen und beim Ausfüllen der Anträge behilflich. Wir sind viel vernetzt in der Stadt und verweisen dann auch an die entsprechenden Stellen, weil wir natürlich nicht alles selbst leisten können.
KW: Sie haben gesagt, wenn die Beratung erfolgt ist, dann helfen Sie auch beim Ausfüllen der Anträge. Das ist manchmal sehr kompliziert.
BSD: Also natürlich wollen wir, dass die Menschen so selbstständig wie möglich sein können und versuchen, sie zu unterstützen, das möglichst selbstständig zu machen. Aber wenn es nicht klappt, unterstützen wir natürlich. Wir sind auch im Gespräch und bemühen uns, dass Anträge vereinfacht werden können, sodass sie verständlich und für die Bürger auch ausfüllbar sind.
KW: Das ist sicherlich sehr nützlich, wenn wir hier in Hamburg zum Beispiel den Antrag für die Grundsicherung sehen, der ist 19 Seiten lang. Da scheitern natürlich viele dran.
07:43 Das System der offenen Altenhilfe: ASZ als Anker und Oase für alle im Quartier
Viele ältere Menschen fühlen sich zu Hause einsam. Manchmal ist auch der Partner schon verstorben. Wie schaffen Sie es, an diese Menschen heranzukommen und sie mit denen zusammenzubringen, die in ähnlicher Lebenssituation sind, um miteinander ins Gespräch zu kommen und vor allen Dingen die Menschen aus Einsamkeit herauszuholen?
BSD: Da haben wir ganz viele Angebote dafür. Das ASZ Maxvorstadt ist inmitten des Stadtteils und wirklich gut bekannt. Die beste Werbung machen die Besucher, die schon lange mit uns in Kontakt sind. Sie bringen ihre Nachbarn, ihre Freunde oder Menschen, die sie kennenlernen, mit und erzählen von ihren Erfahrungen hier. Die Menschen kommen langjährig zu uns, fühlen sich auch wohl und willkommen. Wir achten auf eine angenehme Atmosphäre. Wir begrüßen die Menschen, die zu uns kommen mit ihrem Namen. Beim Mittagessen zum Beispiel haben wir Tischdecken auf dem Tisch, das Haus ist schön geschmückt mit Blumen, sodass die Menschen sich einfach wohlfühlen. Die Besucher empfinden es als Oase für sich selbst, sehen es auch als einen Ort, an dem sie sich entspannen können, in dem sie sich erfrischen können und neue Kräfte sammeln können, um einfach den Alltag gut zu bewältigen.
KW: Es ist in der Regel so, dass Hauptamt und Ehrenamt zusammenarbeiten sollen. Das ist wahrscheinlich bei Ihnen auch so. Funktioniert das bei Ihnen?
BSD: Bei uns ist es ganz wichtig, weil die ASZs sind hier ein Zentrum für die Menschen im Stadtteil. Viele Menschen, die zu uns kommen, kommen zu uns als Besucher und nutzen unsere Angebote und engagieren sich gleichzeitig ehrenamtlich. Wir haben ungefähr 50 ehrenamtliche Mitarbeiter in unterschiedlichen Bereichen. Ehrenamtliche, die ältere Menschen zu Hause besuchen, mit ihnen spazieren gehen, ins Kino gehen oder für sie einkaufen, führen mit ihnen Gespräche. Wir haben auch viele Ehrenamtliche bei uns im Haus direkt, die unterstützen mit eigenen Projekten. Da ist es uns ganz wichtig, dass sie ihre Ideen einbringen und sie auch umsetzen können. Wenn jemand jetzt ein Foto Nachmittag machen will oder eine Foto Exkursion, dann unterstützen wir ihn darin.
SR: Kommen die ehrenamtlichen Helfer alle aus dem Stadtteil oder sind das alles nur Besucher der Service-Zentren?
BSD: Ein Teil der Helfer kommt aus unserem Zentrum, die sich einfach auch im Alter weiter engagieren wollen. Wir haben jetzt viele junge Menschen, also Studenten, die zum Beispiel beim Kochen unterstützen. Wir haben eine junge Frau, deren Leidenschaft Backen ist. Sie kommt jetzt einmal im Monat zu uns und backt Kuchen. Wir haben Migranten, die interkulturelles Kochen anbieten. Lauter junge Leute, die auch aufgrund ihrer Lebenssituation, aufgrund ihres kulturellen Hintergrundes eine andere Beziehung zu älteren Menschen haben, ihnen Respekt und Wertschätzung entgegenbringen. Die freuen sich dann, wenn sie für ältere Menschen kochen oder mit ihnen gemeinsam kochen und auch über die Lebenssituation sprechen.
SR: Was kostet mich der Kaffee oder der Mittagstisch, wenn ich zu Ihnen komme?
BSD: Also bei uns ist es so, dass der Mittagstisch für jeden zugänglich ist, unabhängig vom Einkommen. Es kann auch von Menschen genutzt werden, die zuvor oder danach einen Kurs besuchen. Wenn Sie ein entsprechendes Einkommen haben, müssen Sie für das Mittagessen 5 Euro bezahlen. Die Menschen, die an der Armutsschwelle stehen mit ihrem Einkommen, das sind in München 1.660 Euro Einkommen pro Monat, bekommen das kostenfrei. Da haben wir von der Stadt München ein Budget von 10.000 Euro im Jahr. Dann haben wir noch Menschen, die Grundsicherung beziehen und der Mittagstisch über die Grundsicherung abgerechnet werden kann.
Die Menschen schätzen das sehr und kommen wirklich gerne zu uns. Bei den Kursen und Veranstaltungen ist es so, dass Menschen, die ein Einkommen haben und ab 1.660 Euro oder weniger, die müssen nur die Hälfte der Kursgebühr zahlen, die sowieso günstig ist oder in Ausnahmefällen auch mal gar nichts bezahlen.
KW: Jetzt habe ich das so verstanden, Frau Schmidt-Deckert, dass Menschen, die einsam sind, von ihrem Zentrum hören und sagen, es klingt so toll, da gehe ich hin. So, nun gibt es aber immer Menschen, die diese Schwelle nicht schaffen, also nicht aus eigenem Antrieb dort hingehen. Haben Sie auch sowas wie den aufsuchenden Hausbesuch?
BSD: Ja, das haben wir auch. Die Konzeption der ASZ hat sich stetig fortentwickelt, so dass wir dachten, wir möchten auch Menschen erreichen, die nicht von selbst in der Lage sind, zu uns zu kommen. Das gibt es seit 2018 in allen 33 ASZ als Regelangebot, den präventiven Hausbesuch. Da geht es darum, die Bedarfe von älteren Menschen rechtzeitig zu erkennen, dass gesundheitliche, soziale oder ökonomische Krisensituationen vermieden und Gefährdungspotenzial reduziert werden.
KW: Was ist jetzt der Vorteil, den Sie haben, wenn Sie das vor Ort im Quartier machen?
BSD: Also der präventive Hausbesuch ist bei uns angedockt. Es wurde auch sehr gut überlegt, weil wir natürlich dann nach diesem präventiven Hausbesuch, der bei uns dreimal stattfinden kann, danach läuft es als normale Beratungssituation weiter. Also der Mitarbeiter zum Beispiel, der den präventiven Hausbesuch bei jemanden macht und da einen Bedarf feststellt, kann diese Person denn auch weiter in der Beratung behalten oder an einen Kollegen im ASZ weitergeben, sodass das dann wirklich bei uns zentral aufläuft und wir auch die Sicherheit haben, dass der Person wirklich geholfen werden kann. Diese ganzen anderen Angebote an Konzerten, Lesungen, die einfach der Seele gut tun, weil die Menschen brauchen ganz viel auch für sich persönlich. Die haben wir dann in unserem Angebot.
14:46 Gut vernetzt im ASZ: Nachbarschaft, Kontakte und Kooperationen
KW: Sie haben vorhin berichtet, dass Sie auch Einrichtungen haben, die ganz in der Nähe sind. Welche Einrichtungen sind das, die besonders für die Menschen, die Sie besuchen, ganz besonders nützlich sind?
BSD: Wir haben noch verschiedene Seniorentreffs hier im Stadtteil oder Nachbarschaftshilfe. Wir haben die Seniorenkreise von den Kirchen, mit denen wir eng zusammenarbeiten, die Hausbesuche machen, zum Beispiel zum Geburtstag oder Gottesdienste anbieten, die für viele Menschen auch hilfreich sind, um da wieder mal den Kontakt herzustellen. Wir haben intensive Kontakte zu den Ärzten hier im Viertel und versuchen dann auch Hausbesuche der Ärzte zu vermitteln zu Personen, die schon ganz lange nicht mehr beim Arzt waren. Wir haben engen Kontakt zu der Bezirkssozialarbeit, die jetzt in München auch verändert wurde. Es gibt jetzt einen Fachdienst für jüngere Menschen und Familien und einen Fachdienst für ältere Menschen, damit die auch wirklich gut im Blick sind. Wir arbeiten auch mit Pflegediensten zusammen. Wir haben Listen von Pflegediensten oder sind in Kontakt mit den Pflegediensten, auch mit der Pflegeberatung der Krankenkasse. Wir begleiten auch bei der Begutachtung des Medizinischen Dienst, bei Pflegediensten oder behandeln das Thema in der Beratung mit den Klienten, die zu uns kommen, so, dass sie gut vorbereitet sind.
16:31 Bedürftige in München: Freiwillige Leistungen und Zuschüsse der Stadt
KW: Auf jeden Fall haben sie ein tolles Netzwerk. Das ist alles sehr nützlich für Menschen, die jetzt schon älter sind. Sie sprachen am Anfang von einem Sozialticket. Vielleicht mögen Sie uns das nochmal erläutern, worum es dabei geht.
BSD: 31 Euro kriegen Sie als Zuschuss, um dieses Sozialticket zu kaufen und können damit natürlich die ganze Stadt befahren.
KW: Sie fahren dann kostenfrei.
BSD: Nein, 31 Euro muss diese Person auch zuzahlen.
KW: Zuzahlen und der Rest wird von der Stadt übernommen. Sie haben aber auch gesagt, Zuschüsse für Handy, Haushaltsgeräte und Ähnliches werden ebenfalls gewährt. Das ist ganz wichtig, um überhaupt an bestimmten Dingen teilhaben zu können. Ich weiß, dass bestimmte Dinge nur noch übers Handy gebucht werden können oder über einen Laptop. Termine in den Behörden beispielsweise. Vielleicht müssen Sie uns noch mal erklären, wie das bei Ihnen in München läuft.
BSD: Bei uns ist es so, dass es beim Sozialreferat eine Stelle gibt für freiwillige Leistungen. Da kann einen München Pass beantragt oder eine Zuzahlung von 250 Euro erhalten werden, wenn man sich einen Laptop oder ein Tablet kauft. Aber natürlich, um dieses Tablet überhaupt bedienen zu können, brauchen wir auch Unterstützung. Wir bieten zum Beispiel Workshops an, wo der Umgang mit Geräten geübt wird und wir hier im Haus haben auch so Einzelsprechstunden, wo eins zu eins eine Beratung mit all den Fragen rund um dieses Smartphone möglich sind.
KW: Wir bieten auch Workshops hier in Hamburg als SoVD in unseren Ortsverbänden und Treffs an. Das wird ausgesprochen gut angenommen, weil es immer mehr Angebote gibt, die die Menschen nur noch nutzen können, wenn sie ein Smartphone oder Laptop haben.
Ich würde gerne noch mal auf den Wärmefonds zu sprechen kommen. Das ist mir jetzt nicht klar geworden, wie da die Unterstützung aussieht und wer kann da überhaupt eine Unterstützung erhalten?
BSD: Also bei dem Wärmefonds können alle Menschen eine Unterstützung erhalten, die Wohngeld beantragen und deren Einkommen unter 1.660 Euro ist. Das ist ein Betrag, den die Stadtwerke München zur Verfügung gestellt haben, um mit den steigenden Energiekosten in den letzten zwei Jahren irgendwie umzugehen. Und ja, es wurden extra Personen eingestellt, die diese Wärmefondsanträge bearbeiten.
KW: Und was bekommt man dann? Also wenn man jetzt die Voraussetzungen erfüllt hat Wohngeldempfänger, Einkommen unter 1.660 Euro, keine 10.000 Euro Ersparnis, was kann ich dann bekommen?
BSD: Also das betrifft jetzt eine Einzelperson und die kann dann 700 Euro bekommen im Jahr. Das ist ein einmaliger Zuschuss.
19:55 Ausstattung und Besucher:innenstruktur im ASZ
KW: Jetzt habe ich eine Frage zur Größe Ihres Zentrums. Wahrscheinlich sind alle Zentren in etwa gleich groß. Es gibt offenbar einen großen Bedarf. Wie groß ist das eigentlich, um all das, was Sie an Angeboten haben, dort auch vorhalten zu können?
BSD: Ja, also die ASZs sollen in Zukunft auch noch weiter in der Stadt ausgebaut werden. Wir haben so knapp 400 Quadratmeter. Wir haben einen großen Bewegungsraum, einen sehr großen Veranstaltungsraum, in dem auch das Mittagessen stattfindet. Dann haben wir drei Gruppenräume und noch drei Büros und wir haben noch eine schöne Terrasse mit einem Blumenbeet, das auch ehrenamtlich gepflegt wird. Nebenan eine Kinderkrippe, die oft zu uns zu Besuch kommt, aber unsere Räume sind ständig ausgenutzt. Also findet in jedem Raum etwas statt. Wir platzen quasi demnächst aus den Nähten, weil wir wirklich so hohe Anfragen haben. Das freut uns natürlich sehr.
KW: Aber es zeigt auch den Bedarf gerade. Wahrscheinlich bei den Menschen, denen es nicht so gut geht oder die in Einsamkeit sind und davon gehört haben. Das ist nicht nur in München so, sondern bundesweit steigen die Bedarfe. Ich will noch mal deutlich sagen, das klingt für ältere Menschen bei Ihnen wie im Paradies. Nun weiß ich natürlich, dass Bedürftige nicht im Paradies sind, wenn man Grundsicherung hat und wenn man gerade mit dem Geld über die Runden kommt oder vielleicht auch nicht. Denn Sie bieten Ihren Mittagstisch nicht einfach so an, sondern weil Sie wissen, dass die Menschen Probleme haben. Ich würde jetzt noch mal so ein bisschen in die Zukunft gucken, mit Ihnen, wenn Sie sich was wünschen könnten. Was ist das? Ich nehme an, noch weitere Räume, aber es gibt sicherlich noch andere Themen.
BSD: Ja, doch, weitere Räume auf jeden Fall. Aber was wir außerdem noch neu dazu bekommen haben, das haben wir jetzt noch gar nicht besprochen. Das ist ein Angebot, dafür haben wir auch eine halbe Stelle, SAVE – Streetwork für alte Menschen. Das bedeutet, dass die präventiven Hausbesuche ausgeweitet wurden auf den öffentlichen Raum. Es gibt einen Sozialpädagogen, der im Viertel unterwegs ist, um einfach mit Menschen in Kontakt zu kommen, so ähnlich wie ein Streetworker. Er schaut dann, wie es den Menschen geht, die sich im Stadtteil aufhalten und ja, einfach auch nochmal, um Werbung für uns als ASZ.
KW: Aber die Streetworker gibt es trotzdem noch.
BSD: Die Streetworker gibt es schon, aber sie sind meistens auf jüngere Menschen, Drogenabhängige oder Menschen mit Alkoholproblemen ausgerichtet. Das unterscheidet sich. Streetworker für ältere Menschen in dieser Form gibt es sonst nicht.
KW: Nein, das stimmt. Diese öffentlichen Räume, von denen Sie sprechen, sind sicherlich Plätze, Bahnhofsviertel oder Ähnliches.
BSD: Ja, oder er geht auf den Wochenmarkt, schaut, wie die Leute zurecht kommen, versucht mit ihnen ins Gespräch zu kommen, bespricht auch, wo sie sich erholen können, im Stadtteil, wo sie dahin gehen könnten oder welche Bedarfe sie haben, welche Erfordernisse sie im öffentlichen Raum noch sehen, wo Bänke aufgestellt werden müssten.
KW: Sind das mehr Männer oder mehr Frauen, die zu Ihnen kommen? Oder ist das so ausgeglichen?
BSD: Nein, es ist nicht ausgeglichen. Es kommen viel weniger Männer zu uns ins Zentrum als Frauen.
KW: Haben Sie dafür eine Erklärung?
BSD: Wir machen uns auch Gedanken, woran es liegen könnte. Mittlerweile gibt es fast gleich viele Männer wie Frauen im Alter. Da ist der Unterschied nicht mehr so groß. Aber wir denken, dass es daran liegen könnte, dass Frauen aufgrund ihrer Biografie es auch viel mehr gewöhnt sind, sich in Gruppen aufzuhalten. Viel mehr daran gewöhnt sind, sich Unterstützung zu holen als Männer. Wir versuchen mit Männertreffs bestimmte Themen anzusprechen. Wir haben eine Schachgruppe, da sind eine ganze Menge Männer oder auch bei Konzerten kommen Männer. So insgesamt fragen wir uns auch, wo sind denn die Männer eigentlich hin? Zum Mittagessen zum Beispiel haben wir viele Männer. Das ist schon ein Bereich, den Männer auch gut für sich nutzen.
KW: Ist eigentlich Ihr Zentrum auch für Obdachlose Menschen, für ältere, obdachlose Menschen geöffnet?
BSD: In Einzelfällen kommen Frauen zu uns, zum Beispiel aus dem Frauenhaus, das in der Nähe ist, die vom Alter einfach gut passen. Aber ansonsten haben wir jetzt hier im Stadtteil ein ganz großes Zentrum für Wohnungslose, so dass da im Moment kein Bedarf besteht.
KW: Darf ich nochmal auf die Öffnungszeiten kommen? Oft findet das Hauptangebot unter der Woche statt und am Wochenende ist dann geschlossen. Wie ist das bei Ihnen?
BSD: Bei uns ist es in Teilen auch so, da wir natürlich am Wochenende nur bedingt arbeiten. Aber wir haben schon auch Angebote am Wochenende von Migranten, die für und mit Senioren kochen. Da sind wir dann natürlich auch vor Ort und das genießen unsere Senioren natürlich schon. Gerade der Sonntag ist ein Tag, der oft schwierig zu bewältigen ist und von daher sehen wir den Bedarf am Wochenende natürlich schon. Und ich denke, je mehr Mitarbeiter wir sind, desto mehr haben wir die Möglichkeit, auch am Wochenende Angebote zu machen.
25:57 Das Münchner Modell der ASZ: Erfolgsbeispiel mit Vorbildcharakter
SR: Ja, Frau Schmidt-Deckert, das hört sich alles, wie Herr Wicher vorhin schon sagte, wirklich paradiesisch an, gerade wenn man das aus Hamburger Perspektive betrachtet. Gibt es eigentlich Interesse an Ihren Konzepten? Also innerhalb Deutschlands? Hat sich vielleicht Hamburg auch schon mal bei Ihnen erkundigt, wie man sowas macht?
BSD: Ja, Hamburg hat da ein ganz starkes Interesse. Ich war zum ersten Mal 2016 in Hamburg. Da ging es um den präventiven Hausbesuch und auch um unser ASZ, um die gesamten Angebote. Es haben viele Städte Interesse. In Berlin war ich schon, Zürich hatte Interesse, aber meistens scheitert das am Willen, da genug Geld dafür zu investieren.
SR: Genau das, glaube ich, ist in Hamburg auch nach wie vor so ein bisschen das Problem, wenn man bedenkt, dass schon sehr bald sehr viele Menschen in Hamburg „alt“ in Anführungsstrichen sein werden, würde die Stadt durchaus sich einen eigenen Gefallen tun, wenn sie sich da ein bisschen mehr engagiert an der Stelle.
Frau Schmidt-Deckert, vielen Dank für Ihre Informationen, sehr aufschlussreich und wir werden dieses Thema weiter verfolgen. Vielen Dank nach München.
KW: Herzlichen Dank nochmal von meiner Seite und alles Gute! Bleiben Sie gesund, Frau Schmidt-Deckert.
BSD: Ja, vielen Dank.
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