SoVD-Podcast: Wohnungsnot in Hamburg
Was kann und muss die Stadt tun, um langfristig mehr guten und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?
Wohnungsnot in Hamburg: Fragen und Inhalte
00:40 Wohnungsbau in Hamburg
04:59 Hamburger Grundstücke: Städtisch oder privatwirtschaftlich?
08:24 Sozialwohnungen und bezahlbarer Wohnraum in Hamburg
15:22 Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ – günstiger Wohnraum für alle
17:15 Mieterschutz, soziale Erhaltungsverordnung und Vorkaufsrecht
20:43 Sanierungskosten, Mieterhöhungen und Begrenzungsinstrumente
26:24 Wohnungsbau und Klimaschutz
28:27 Herausforderungen im künftigen Wohnungsbau
Die Volksinitiative ‚Keine Profite mit Boden und Miete‘ sagt, auf Hamburger Grundstücken sollen nur Wohnungen gebaut werden, die dann im Anschluss so günstig vermietet werden wie eine Sozialwohnung, die allerdings frei finanziert für jeden zugänglich ist.
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Zu Gast ist Dr. Rolf Bosse, Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzender vom Mieterverein zu Hamburg. Wir sprechen über die Wohnungsnot wie auch ihre Folgen, diskutieren darüber, was Hamburg tun kann und muss, um mehr guten und günstigen Wohnraum zu schaffen und gehen weiterführenden Fragen auf die Spur: Wann werden wir mit einem Ende der ständig steigenden Mieten rechnen können? Und was bedeutet der Klimawandel für das Wohnen der Zukunft – vor allem mit Blick auf Menschen, die nur wenig Geld zum Leben haben?

Wohnungsnot in Hamburg: Der SoVD-Podcast zum Lesen
SR: Susanne Rahlf
KW: Klaus Wicher
RB: Dr. Rolf Bosse
SR: „Sozial? Geht immer!“ – der Podcast vom Sozialverband SoVD in Hamburg mit Klaus Wicher und Susanne Rahlf. Herzlich willkommen zu unserem SoVD-Podcast. Mein Name ist Susanne Rahlf.
KW: Mein Name ist Klaus Wicher. Ich bin Landesvorsitzender des SoVD in Hamburg.
SR: Heute zu Gast haben wir Dr. Rolf Bosse, den frisch gewählten neuen Vorsitzenden des Mietervereins zu Hamburg.
RB: Vielen Dank für die Einladung.
00:40 Wohnungsbau in Hamburg
KW: Schön, dass Sie da sind. Wir wollen heute über Wohnungsbau und über Probleme, wie bspw. die Miethöhe sprechen. Das Bündnis für Wohnen in Hamburg hat sich vorgenommen, zusammen mit dem Hamburger Senat im Jahr 10.000 Wohnungen zu bauen. Das wird im Moment nicht geschafft.
RB: Wir haben das Problem, dass die Kosten für das Wohnen, für den Wohnbau, immer mehr steigen, dass die Rohstoffe immer knapper werden, dass die Arbeitskräfte weniger werden und dass damit auch wahrscheinlich die Möglichkeiten für den Wohnungsbau, damit dann auf die Kosten und vielleicht auch auf eine Rendite zu kommen, immer weniger werden. Und damit wird das dann auch unattraktiv.
KW: Es sind viele, die im privaten Sektor bauen und Renditen machen wollen. Ist da eine Problematik drin, dass das zu viele sind? Müsste der Staat sich mehr engagieren?
RB: In Deutschland setzen wir auf privaten Wohnungsbau. Wir haben in den 90er Jahren die Gemeinnützigkeit abgeschafft und haben damit eine Liberalisierung des Marktes eingeläutet. Die ist jetzt sehr weit fortgeschritten und der Staat hat damit immer weniger Einfluss. Das heißt, die Privaten müssen es machen. Und ich denke, das ist ein Problem, weil wir dadurch eine gewisse Erwartung haben, dass sich das auch lohnt und rechnet, nämlich finanziell und nicht unbedingt für die Gesellschaft.
KW: Hamburg hat sehr günstige Voraussetzungen an dieser Stelle. Eine große eigene Wohnungsbaugesellschaft SAGA und die vielen Genossenschaften. Es gibt natürlich auch gemeinnützige und anders arbeitende Wohnungsbaugesellschaften. Kann hier Hamburg gut agieren?
RB: Hamburg hat Potenziale, die es noch weiter wecken kann. Ich würde mal sagen, diese „low hanging fruits“, wie man immer so schön sagt, die sind mittlerweile tatsächlich abgeerntet, was den Wohnungsneubau angeht. Da muss sich jetzt die Stadt Gedanken darüber machen, wie sie möglicherweise etwas mobilisieren kann, wie bei der SAGA oder auch bei den Genossenschaften wieder Anreize geschaffen werden können.
KW: Wir brauchen immer Grundstücke, um bauen zu können und Hamburg hat nur begrenzt Grundstücke. Viele sind in privater Hand. Wie ist das denn zu lösen? Also vor allen Dingen mit den Grundstücken, die Hamburg noch zur Verfügung stellen kann.
RB: Wir haben viele Möglichkeiten, Stellschrauben, an denen wir drehen können. Wir haben im Augenblick eine bestimmte Situation, die ist, wie sie jetzt ist. Wir haben einen bestimmten Bestand an Grundstücken oder an Wohnungen, die sind mehr oder weniger städtisch oder privat.
Und das Verhältnis dazu ist gestört. Dadurch ergeben sich die hohen Preise fürs Wohnen einerseits und auch fürs Eigentum andererseits. Wo ich eigentlich gerne drüber sprechen würde, wäre nicht, wie wir jetzt in diesem Jahr alle Probleme lösen können, sondern wie wir unsere Strategie ausrichten können, dass wir meinetwegen in zehn Jahren an einer anderen Stelle stehen, als wir jetzt heute stehen.
KW: Was sind denn da die Punkte, die Sie dem Senat mit auf den Weg geben könnten? Was kann der Mieterverein zu Hamburg mit auf den Weg geben, damit das besser läuft?
RB: Wir haben die Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ mit auf den Weg gebracht, die sich damit beschäftigt, einerseits den Verkauf von städtischem Grund und Boden zu stoppen und andererseits die Neubebauung von städtischem Grund mit bestimmten Mietkosten.
04:59 Hamburger Grundstücke: Städtisch oder privatwirtschaftlich?
KW: Der Verkauf von städtischen Grundstücken ist in der Kritik. Genossenschaften möchten lieber kaufen. Ist das denn der richtige Weg, den Sie mit Ihrer Volksinitiative beschreiten?
RB: Für Hamburg wäre das der richtige Weg und für das Wirtschaftssystem, in dem wir gerade drinstecken, ist es vielleicht nicht so optimal. Genossenschaften und andere sagen, wir wollen Eigentümer dieses Grundstück sein, damit wir es auch beleihen können, damit die Banken uns die Kredite geben. Die sagen, wir kommen nicht an Geld, wenn wir nicht das Eigentum haben.
Jetzt können wir aber sagen: es gibt doch sicherlich andere Möglichkeiten, an Geld zu kommen, als jetzt immer zur Bank zu gehen. Das ist dieses klassische System: Ich trage hier eine Grundschuld ein und kriege dann dafür was. Der Staat kann sich überlegen, anders zu fördern oder auch Kreditgeber zu sein, wenn die im Baurecht verteilen. Das sind genau diese dahinterliegenden Mechanismen und Abläufe, über die ich gerne sprechen möchte und die ich verändern möchte, natürlich langsam verändern möchte.
KW: Der Senat müsste nicht nur Grundstücke zur Verfügung stellen, sondern auch Geld, damit die Genossenschaften und andere gut bauen können.
RB: Der Senat stellt über die Investitions- und Förderbank Gelder bereit. Die machen eine Wohnungsbauförderung. Für den öffentlich geförderten Wohnungsbau gibt es Geld. Da gibt es Förderprogramme. Und diese Förderprogramme, die sind in einem bestimmten System. Wie lässt sich dieses System zeitgemäßer machen, um die Ziele, die der Hamburger Senat verfolgt, besser erreichen zu können?
KW: Es gibt die Schuldenbremse nicht. Wenn ich das richtig verstehe, ist es so, dass die Finanzierung, die Hamburg aufbringen müsste, gar nicht über den Haushalt läuft, sondern über einen anderen Weg?
RB: Solche Möglichkeiten gibt es. Da bin ich jetzt tatsächlich gar nicht unbedingt so tief in der Materie drin. Ich merke nur immer wieder, dass Gelder bereitgestellt werden können, Schuldenbremse hin, Schuldenbremse her, wenn sie erforderlich sind. In der heutigen Zeit gibt es so vielen Stellen, da muss es einfach sein, Gelder zur Verfügung zu stellen.
Für die Menschen, die von Energiearmut betroffen sind, für die Menschen, die von so vielen anderen Dingen, die im Augenblick passieren, betroffen sind. Und der Wohnungsbau und die Wohnkosten sind ein ganz essentieller Bestandteil davon. Und da sehe ich gar kein Problem, dass das da auch mit reinspielen kann.
KW: Hauptproblem in Hamburg ist bezahlbarer Wohnraum und die Frage, die sich viele stellen ist: wieso müssen wir dann auch Eigentumswohnungen oder frei finanzierten Wohnungsbau voranbringen? Warum ist beides eigentlich notwendig?
RB: Da gibt es sicherlich verschiedene Antworten darauf und die Antwort, die wir immer wieder geben, ist, dass es eine gesunde soziale Durchmischung der Stadt geben muss. In einer Stadt oder überall gibt es immer Menschen, die haben mehr oder weniger Einkommen, die können und wollen sich dann auch mehr oder weniger leisten und die möchten dann auch eine Eigentumswohnung haben. Und die sollen auch nicht abwandern müssen, um ihren Lebenstraum zu verwirklichen.
08:24 Sozialwohnungen und bezahlbarer Wohnraum in Hamburg
KW: In Steilshoop gibt es sehr viele Sozialwohnungen und der Senat hat dort geplant, weitere Sozialwohnungen zu bauen. Ist das denn richtig?Wenn ich das richtig verstehe, ist das eigentlich der falsche Weg.
RB: Es wird jedenfalls von den ansässigen Bürgern dort kritisiert und einer Bürgerinitiative, die dagegen ist. Wenn wir ein Konzept haben, dass eine Stadtentwicklung gewährleistet, ohne dass wir mit öffentlich gefördertem Wohnraum hier eine Stigmatisierung bekommen, dann können wir auch über noch mehr Sozialwohnungen sprechen – dort, wo es schon welche gibt. Ich will nicht sagen, dass das ein absolutes Ausschlusskriterium ist. Wir müssen das nur vernünftig strukturieren und auch begleiten.
KW: Das Einkaufszentrum in Steilshoop ist nicht sehr ansehnlich. Und das hängt auch damit zusammen, dass dort eine geringe Kaufkraft existiert. Über noch mehr Sozialwohnungen kriegen wir nicht richtig viel Kaufkraft dorthin. Muss nicht auch deswegen eine andere Form des Wohnungsbaus an dieser Stelle entstehen?
RB: Also ich tu mich jetzt ehrlich gesagt schwer damit, Steilshoop hier als nicht lebenswert zu sehen. Ich bin viel da gewesen aufgrund unserer Arbeit, insbesondere mit der Vonovia, der sehr viele Wohnungen in Steilshoop gehören. Und das sind im Übrigen diejenigen, die in den letzten zehn Jahren noch mit am schlechtesten ausgesehen haben.
Die Vonovia hat nicht investiert, sondern Rendite rausgezogen und alle anderen, die dort vermieten, also Genossenschaften und SAGA, haben ihre Bestände sehr schön modernisiert und das geht jetzt auch weiter mit der Vonovia. Die Stadtentwicklung schreitet dort voran. Es sind längst nicht mehr alles öffentlich geförderte Wohnungen. Die meisten sind aus der Bindung herausgefallen. Das sind mittlerweile frei finanzierte Wohnungen und immer noch günstig.
Das ist auch richtig und wichtig. Wenn Sie sagen, wir müssen da eine andere Durchmischung hinbekommen, dann ist das auch nicht ein Projekt von zwei, drei Jahren, sondern eine perspektivische Sache. Alle, die da wohnen, sollen da weiter wohnen können, möglichst natürlich besser und schöner.
KW: Wir sind weit davon entfernt, sozusagen Stadtteile zu stigmatisieren, Steilshoop war nur ein Beispiel, weil dort Wohnungsbau geplant ist. Lassen Sie uns noch mal auf die Probleme der Menschen kommen, die bezahlbare Wohnungen suchen in der Stadt.
RB: Da können wir erst mal darüber reden, was überhaupt bezahlbar sein soll.
KW: Der soziale Wohnungsbau fördert Wohnraum für 6,90 Euro pro Quadratmeter. Das ist eine niedrige Eingangsmiete. Wir sagen, damit die Anzahl der Sozialwohnungen überhaupt steigt, müssen mehr gebaut werden. Wie sehen Sie das?
RB: Das sind zwei Dinge. Das eine ist, dass mehr Sozialwohnungen errichtet werden müssen, damit wir überhaupt wieder aufholen. Wir hatten einen drastischen Rückgang der Sozialwohnungen seit den 80er Jahren, und jetzt haben wir irgendwie knapp über 70.000 und es fallen jedes Jahr wieder neue aus der Bindung raus. Und das ist der zweite Aspekt. Wir können darüber sprechen, ein Programm aufzulegen, Bindungen zu verlängern.Der Senat kann ja Bindungsrückkäufe machen oder Bindungsverlängerungen.
Ein weiterer Schritt ist auch die Bindungszeiträume zu verlängern. Das waren bislang 15 Jahre. Jetzt geht es bis zu 30 Jahre, was in die richtige Richtung geht. Wir fordern natürlich eine noch längere Bindung. Wir fordern eine im Prinzip über die gesamte Lebensdauer des Bauwerks gezogene Bindung.
Die muss nicht immer 6,90 Euro und ansteigend alle zwei Jahre 0,30 Euro pro Quadratmeter sein. Das kann auch einfach so ein Mittelsegment sein und das ist auch genau das, was hier in Hamburg fehlt. Wir sprechen von Wohnraum, den wir brauchen, wir brauchen natürlich 6,90 Euro, wir brauchen aber auch die acht oder neun Euro, um die Mittel-Einkommen dann mit Wohnraum zu versorgen oder die klassischen Polizisten oder Krankenpflegekräfte. Die verdienen häufig doch mehr als für so einen Paragraf 5-Schein, können sich aber nicht die Neubauwohnung für 14 Euro den Quadratmeter leisten. Wir brauchen dieses Mittelsegment, das fehlt komplett.
KW: Müssen wir das Förderinstrument für Sozialwohnungen ein bisschen auffächern? Nicht nur für 6,90 Euro, sondern für sieben, acht, neun, zehn Euro. Ist der Senat da nicht richtig unterwegs?
RB: Es gibt ein Mittelsegment. Es gibt den zweiten Förderweg. Der geht für 8 Euro den Quadratmeter rüber. Wird aber extrem wenig abgefragt. Offensichtlich sind die Wohnungsunternehmen nicht bereit, da in Masse zu bauen, weil sie sagen, das ist für uns nicht attraktiv genug. Wenn ich da ansetze und mir angucke: Was habe ich für eine Förderlandschaft? Dann bin ich da auf dem richtigen Weg und stelle da die richtigen Fragen.
KW: Über die Bebauungspläne haben der Senat oder die Bezirke Einfluss auf das, was vor Ort gebaut wird. Drüber könnten wir sagen, da haben wir eine Steuerung. Muss diese Steuerung nachgeschärft werden?
RB: Ich muss erst mal einen Anlass haben, den Bebauungsplan zu ändern, bevor ich tatsächlich eine Handhabe habe.
KW: Aber das wird gemacht. An den Magistralen finden Änderungen statt und es werden dort sozialer Wohnungsbau und anderer Wohnungsbau gefördert.
RB: Dann mache ich einen städtebaulichen Vertrag mit den Investoren, die da die Grundstücke innehaben und lege fest, die und die Durchmischung gibt es dann da. Ich denke, dass es ein Instrument ist, das mehr Durchschlag kriegen kann, wenn tatsächlich die Förderung oder die finanzielle Unterstützung für die Bebauung attraktiver wird.
15:22 Volksinitiative „Keine Profite mit Boden und Miete“ – günstiger Wohnraum für alle
KW: Kommen wir noch mal auf die Volksinitiative zurück. Soweit ich das gelesen habe, will die Volksinitiative auf Hamburger Grundstücken ausschließlich Sozialwohnungen bauen.
RB: Tatsächlich ist das so, dass die Volksinitiative sagt, auf Hamburger Grundstücken sollen nur Wohnungen gebaut werden, die dann im Anschluss so günstig vermietet werden wie eine Sozialwohnung, die allerdings frei finanziert für jeden zugänglich ist. Ich brauche keinen Zugangszettel.
KW: Wenn Wohnungsbauunternehmen bauen, dann wollen sie oder müssen sie auch eine Rendite erwirtschaften. Und wenn das heute schon zu wenig ist, dann müsste doch der Senat hier mehr Finanzmittel hineingeben.
RB: Das ist unser Ansatz. Wir sagen, es ist sinnvoller in den Neubau zu investieren: dass der sehr günstig vermietet werden kann. Frei finanziert an jeden, der den haben möchte. Aber auch langfristig, das ist dann die Gegenleistung. Der Eigentümer des Grundstücks gibt sich dann in eine langfristige Verbindung mit der Stadt und bietet langfristig diesen Grund und Boden, diesen Wohnraum, auch weiter billig an. Das ist dieser Deal, der dabei rauskommen soll.
KW: Wir haben nun eine ganze Menge Wohnungen, die bereits existieren, die nicht mehr in der Sozialbindung sind. Wie können wir es schaffen, dass dieser Wohnraum sich nicht drastisch verteuert? Die soziale Erhaltungsverordnung in Hamburg funktioniert an verschiedenen Stellen nicht mehr so richtig.
RB: Das sind viele Aspekte. Die soziale Erhaltungssatzung und dieses sogenannte Vorkaufsrecht, die man jetzt hat und nicht mehr hat wegen eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts.
17:15 Mieterschutz, soziale Erhaltungsverordnung und Vorkaufsrecht
KW: Das müssen Sie noch mal erklären. Wieso ist dieses Vorkaufsrecht so wichtig in Bezug auf Mietsteigerungen?
RB: Wir haben in dem sozialen Erhaltungsgebiet erst mal eine Bewohnerschaft identifiziert, die Schutz braucht. Mehr Schutz als das normale Mietrecht. Dazu würde ich gerne gleich nochmal etwas sagen, zum Schutz des normalen Mietrechts. In der sozialen Erhaltungssatzung ist es so, dass der Bezirk sagt: wenn dort jemand ist, der eine Wohnung, ein Haus kauft oder umwandelt in Eigentumswohnungen, dann wollen wir das extra genehmigen.
Wenn ich das Haus dann verkaufen möchte, muss ich das also melden. Dann war es so, dass die Stadt bisher gesagt hat: wir können im Bereich der sozialen Erhaltungssatzung das Haus kaufen. Und der Kaufinteressent, der konnte das nur dadurch verhindern, dass er sich vertraglich bereit erklärt hat, zu bestimmten Konditionen zu vermieten oder zum Beispiel Luxusmodernisierungen zu unterlassen.
Das nennt sich dann also Abwendungsvereinbarung. Wenn man den Verkauf abwendet. Dieses Instrument ist also dafür gedacht zu sagen: wir wollen diese renditeorientierten Unternehmen nicht haben, die sollen abgeschreckt werden. Da gab es ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das im Wesentlichen gesagt hat: diese gesetzliche Regelung ist nicht geeignet, um das durchzusetzen. Das Vorkaufsrecht kann kein Instrument sein für so eine Abschreckung. Jetzt fordern wir eine Veränderung des Baugesetzbuches (BauGB).
Eine Bundesratsinitiative ist jetzt beschlossen worden und das soll jetzt in den Bundestag eingebracht werden. Und jetzt bin ich mal gespannt, welchen parlamentarischen Weg das dann nimmt.
Wir haben die soziale Erhaltungssatzung als besondere Gegend, wo eben besonderer Mieterschutz noch gilt. Der ist ziemlich dünn geworden. Das heißt, wir haben noch den allgemeinen Mieterschutz, um drastische Anstiege von Mieten zu verhindern. Das reicht aber nicht. Wir haben für die Neuvermietung die Mietpreisbremse, die an vielen Stellen gar nicht greift.
KW: Wir brauchen also einen Anschub vom Bund.
RB: Wir brauchen ein ganz großes Gesetzespaket, das an vielen Stellen Regelungen schafft, die besser sind als die jetzigen. Regelungen, die für den Mietvertragsabschluss eine Dämpfung haben, die für den Verlauf des Mietverhältnisses eine Dämpfung haben, und auch schützen, zum Beispiel vor Verdrängung durch Eigenbedarfskündigungen.
20:43 Sanierungskosten, Mieterhöhungen und Begrenzungsinstrumente
KW: Sie sind also nicht gegen Mieterhöhung, sondern sie sagen, die Mieterhöhung muss sozusagen mit den Einkommen steigen.
RB: So könnte man sagen. Richtig gegen Mieterhöhungen sein, über einen Zeitraum von 50 Jahren oder ähnliches, kann man wirtschaftlich nicht. Wir leben in einem Wirtschaftssystem, das so arbeitet. Was wir aber auch fordern, um eine Marktberuhigung hinzukriegen, bis dann die gesetzlichen Bestimmungen da sind, ist ein Mieten-Stopp der über sechs Jahre gilt.
KW: Die Familien und die Menschen, die ein niedriges Einkommen haben, müssen ja sehr viel von ihrem Einkommen für die Miete aufwenden. Das steigt auch, auf 30, 40, 50, manchmal 60 und mehr Prozent. Das kann eine solche Familie im Prinzip nicht durchhalten. Was halten Sie von diesen Aspekten? Man kann Gebäude umwidmen, also Gewerbe in Wohnungen. Gibt das eigentlich genug her oder brauchen wir dringend diesen Neubau?
RB: Es ist ja immer ein Neubau. Wo ich aufstocke, mache ich einen Neubau. Oder wenn ich eine Magistralen-Bebauung mache, mache ich einen Neubau. Und die Familien, von denen sie sprechen, die so viel von ihrem Einkommen jetzt für die Bestandswohnung ausgeben müssen, die können im Grunde genommen nur auf zweierlei Arten entlastet werden. Ich denke mal nicht, dass eine Senkung der Mieten realistisch ist im laufenden Vertrag.
Sie brauchen entweder die Unterstützung durch besseres Wohngeld, Energiegeld oder andere Instrumente. Oder ihnen muss die Möglichkeit eröffnet werden, umzuziehen in günstigeren Wohnraum. Das ist ja genau das Problem.
SR: Jetzt haben Sie gerade schon das Wort Energiegeld erwähnt. Es soll auch kommen tatsächlich, die Vorgabe, dass Hauseigentümer ihre Gebäude energetisch sanieren müssen. Was bedeutet das denn für die Mieter? Wird das umgelegt über die Nebenkostenabrechnung? Oder müssen sich jetzt die Mieter darauf einstellen, dass sie noch mehr bezahlen müssen aufgrund des Klimaschutzes im Wohnungsbau?
RB: Ja, das könnte passieren. Es ist schwierig, in die Zukunft zu gucken. Wir haben in der Vergangenheit gesehen, dass bei energetischen Modernisierungen die Mieten teilweise sehr drastisch gestiegen sind. Das wurde dann etwas eingegrenzt durch gesetzgeberische Veränderungen, dass also die Umlage weniger hoch war und es auch noch eine Deckelung gegeben hat. Aber immer noch ist es theoretisch möglich, bis zu drei Euro pro Quadratmeter mehr Miete zu verlangen.
Wenn das bei der 50-Quadratmeter-Wohnung ist, dann habe ich 150 Euro mehr Mietbelastung pro Monat. Netto kalt übrigens. Also nicht über die Betriebskosten, sondern netto kalt.
KW: Das heißt, man müsste eigentlich diesen Anstieg auch stoppen?Und der müsste im Prinzip geringer sein oder gar nicht.Wenn das gar nicht ist, ist die Frage, ob überhaupt saniert wird.
RB: Der Anreiz fehlte bislang. Dieses ganze Mieterhöhungsinstrument war als Anreiz gedacht, vom Gesetzgeber, dass die Eigentümer sanieren und die Klimaziele erreicht werden. Im Moment ist die Dämmquote oder die Sanierungsquote bei einem Prozent. Wir brauchen aber drei Prozent, um bis 2040 den Bestand klimaneutral zu haben.
Das ist genau das Problem. Der Staat hat es bisher immer mit Anreizen versucht, das hat aber nicht geklappt. Jetzt soll es gesetzliche Regelungen und Pflichten geben.
KW: Die Frage ist immer, wer trägt das?Kann das Unternehmen das tragen? Wir wollen auch nicht, dass die in Not geraten. Das würde auch die Mieter treffen. Oder trifft es sofort die Mieter, wenn das Unternehmen in Not gerät?
RB: Dann könnte die SAGA das Gebäude übernehmen. Dann wäre es vielleicht nicht das Schlechteste. Allerdings ist es so, dass wir natürlich sagen: so, wie wir das hier im Moment haben gesellschaftlich, haben wir eine hohe Quote von privatem Wohnraum, der vermietet wird.
KW: Verstaatlichung ist ein Konzept, was uns dabei helfen würde. Wir könnten auch sagen, mehr Wohnungen in die Hand von der SAGA.
RB: Das wird uns kurzfristig nicht helfen. Das weckt nur Ressentiments, das gibt nur Ablehnung, das hat überhaupt keinen Zweck. Wir sollten unseren kommunalen Handlungsspielraum erhöhen. Auch dadurch, dass es mehr kommunale Wohnungen gibt. Die machen wir nicht durch Verstaatlichung, sondern das machen wir, indem wir die Option wahrnehmen, ein Gebäude oder mehrere, ganz normal zu kaufen, einfach als Bieter. Die Stadt kann so auch kaufen.
KW: Die müsste auf die SAGA zugehen und sagen: „Seht zu, dass ihr aus dem Bestand alles kauft was möglich ist.“
RB: Und das andere ist eben der Neubau. Dass gerade auf städtischem Grund, mehr die SAGA baut. Also brauchen wir eine starke SAGA, die viel mehr Kapazitäten hat.
KW: Und diese Finanzierungshilfen könnte der Senat bereitstellen.
26:24 Wohnungsbau und Klimaschutz
Lassen Sie uns noch mal über den Klimaschutz sprechen. Wenn wir das machen, und wir müssen es machen, dann wird das teurer für die Unternehmen, aber vor allen Dingen auch teurer für die Mieter. Wir haben ja ganz viele Wohnungen, die nicht neu sind, sondern älter. Und da können wir nicht ohne Weiteres alles so umbauen, dass es keinen CO2-Ausstoß mehr gibt.
Dann gibt es dieses Modell „Horner Geest“ von der SAGA. Ist das ein gutes Modell? Da geht es ja darum, dass nicht nur die Wohnungen saniert werden, sondern dass gesagt wird: wir gucken uns das ganze Umfeld an – Mobilität, Heizen, Strom, Quartiers-Energie. Ist das der richtige Weg?
RB: Es ist absolut der richtige Weg. Wir können nicht kleinteilig alles angucken, sondern wir müssen schauen, dass wir da die Sachen zusammenbinden. Ansonsten verlieren wir uns da in Kleinigkeiten. Es gibt da besser und weniger gut geeignete Quartiere, Lagen, Ecken oder Häuser. Das muss man sich alles in Ruhe angucken. Und das passiert ja auch.
Ich kann wirklich nicht sagen, dass nichts passiert. Hamburg ist nicht untätig. Hamburg ist an der Spitze der Bundesländer mit alldem. Nur reicht es eben trotzdem nicht und da muss noch mehr passieren. Was die Energieversorgung angeht, hat es tatsächlich zwei Aspekte. Nämlich einmal die Frage der Sanierung des Einzelgebäudes, die Modernisierung, wo dann irgendein Anteil bei den Mietern landet. Welcher Anteil das dann ist, darüber müssen wir mal diskutieren. Und auch darüber, wie stark sich der Staat dann engagiert in der Sanierung.
28:27 Herausforderungen im künftigen Wohnungsbau
KW: Können Sie sozusagen zum Schluss unseres Gesprächs noch mal versuchen zusammenzufassen? Welches sind die wesentlichen Aspekte, die wir jetzt voranbringen müssen? Welches sind die wesentlichen Forderungen, die der Senat aufnehmen müsste, die Bezirke aufnehmen müssten, damit die Wohnungsnot in absehbarer Zeit beseitigt werden kann?
RB: Im Grunde geht es darum, dass wir den Anreiz, neu zu bauen, zu sanieren, und dann den richtigen Wohnraum zu bauen, tatsächlich schaffen können und der Senat da das Geld richtig investiert und richtig anbietet. Da er im Gegenzug aber auch nicht einfach nur das Geld weggibt, sondern sich auch was dafür zurückgeben lässt – im Sinne von einer Gemeinnützigkeit, die sich dann daraus ergibt, dass wir langfristig den bezahlbaren Wohnraum haben, dass wir den kommunalen Wohnraum haben. Die ganze energetische und infrastrukturelle Debatte muss natürlich dann auch geführt werden und da bin ich aber auch dankbar, dass das passiert.
KW: Kleiner Punkt, der aber für viele Menschen wichtig ist: Altersgerechtes Bauen oder Umziehen von großen Wohnungen in kleine Wohnungen. Das alles funktioniert nur in einem relativ kleinen Rahmen. Das gilt auch im Bezug zur Barrierefreiheit in Wohnungen. Welchen Weg würden Sie da empfehlen? Damit das vorangeht, muss das auch stärker zum Beispiel vom Senat gefördert werden?
RB: Förderung oder die Ausstattung von Wohnraum als altersgerecht im Neubau wird sowieso mehr oder weniger schon barrierearm umgesetzt. Der Bestand, den wir haben, das ist wahrscheinlich die große Herausforderung. Da gibt es Programme, das weiß ich, die sind wahrscheinlich auch noch nicht so breit gestreut, wie sie sein könnten. Das passiert aber sowieso in der Regel im Rahmen einer Vollsanierung.
SR: So wie sich das alles anhört, kommen auf jeden Fall auf unsere Wohnungsbau-Senatorin Dorothee Stapelfeldt, viele Herausforderungen zu. Da ist sie auch tatsächlich erst am Anfang. Es gibt viele Dinge, die im Bund geregelt werden müssen, die Hamburg für sich aber individuell noch richtig justieren muss. Herr Dr. Bosse, vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Durchsetzen der Interessen der Mieter, die hier in Hamburg wohnen und die großen Bedarf danach haben, unterstützt zu werden. Vielen Dank.
RB: Danke auch.
KW: Vielen Dank, Herr Dr. Bosse. Weiterhin viel Erfolg.