SoVD-Podcast: Mobilität in Hamburg
Wie können wir Mobilität für alle zugänglich und sicher machen und die Mobilitätswende sozial gerecht gestalten?
Mobilität in Hamburg: Fragen und Inhalte
00:42 Mobilität als Daseinsvorsorge: Was bedeutet das?
04:37 Verkehrspolitik: Wie können sich alle Verkehrsteilnehmer sicher bewegen?
08:39 Mobilität und Barrierefreiheit: Sicher durch Hamburgs Straßen
18:53 Elektromobilität: Wie bewegen wir uns in Zukunft im öffentlichen Raum?
23:38 Soziale Sicherheit: Wie kann Teilhabe an der Gesellschaft funktionieren?
29:57 Öffentlicher Nahverkehr: Ist das Deutschlandticket die Lösung?
33:34 Digitalisierung und Mobilität
Mobilität ist Daseinsvorsorge. Jede:r ist ein Verkehrs- oder Mobilitätsteilnehmer:in sobald er:sie morgens einen Fuß auf die Straße setzt. Mobilität ist entscheidend für die Lebensqualität, ist auch ein entscheidender Wirtschaftsfaktor und ist auch entscheidend für das Thema gleichwertige Lebensverhältnisse.
“Zu Gast ist Dorothee Martin, Mitglied des Deutschen Bundestages und Verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. Gemeinsam diskutieren wir aktuelle Herausforderungen rund um das Thema Mobilitätswende und Verkehrspolitik: Was bedeutet es, Mobilität barrierefrei zu denken und welche Angebote müssen für die Menschen im öffentlichen Raum geschaffen werden? Darüber hinaus erörtern wir Perspektiven und Chancen für mehr Teilhabe in Hamburg. Denn ob jung oder alt: Hamburgs Straßen müssen für alle sozial gerecht gestaltet werden.
Mobilität in Hamburg: Der SoVD-Podcast zum Lesen
KW: Klaus Wicher
DM: Dorothee Martin
KW: “Sozial? Geht immer!” Der Podcast vom Sozialverband SoVD in Hamburg. Herzlich willkommen! Ich bin Klaus Wicher, Landesvorsitzender des SoVD in Hamburg, und heute zu Gast ist Dorothee Martin. Sie ist in der SPD und Mitglied des Deutschen Bundestags. Direkt gewählt im Wahlkreis 021 in Hamburg Nord. Im Bundestag ist sie verkehrspolitische Sprecherin der SPD Bundesfraktion.
00:42 Mobilität als Daseinsvorsorge: Was bedeutet das?
KW: Schön, dass Sie heute hier sind, Frau Martin. Wir freuen uns auf das Gespräch. Es geht um Mobilität. Das Thema beschäftigt uns alle. Es geht auch darum, eine klimaneutrale Mobilität in Gang zu bringen. Mobilität ist auch ein Stück Daseinsvorsorge. Das heißt, ohne Mobilität kann keine Teilhabe an der Gesellschaft stattfinden. Wie wird denn das in Zukunft gesichert, Frau Martin?
DM: Erstmal vielen Dank für die Einladung. Freue mich auch sehr, hier zu sein und über das Thema zu sprechen. Ihre Erfahrung und meine Erfahrungen bestätigen, dass die allermeisten Menschen Interesse am Thema Mobilität haben. Jeder ist ein Verkehrs- oder Mobilitätsteilnehmer sobald er morgens nur quasi einen Fuß auf die Straße setzt.
Völlig richtig, Mobilität ist Daseinsvorsorge.
Mobilität ist entscheidend für die Lebensqualität, ist auch ein entscheidender Wirtschaftsfaktor und ist auch entscheidend für das Thema gleichwertige Lebensverhältnisse. In Hamburg haben wir auch durchaus noch Unterschiede zwischen der Innenstadt und den äußeren Gebieten, oder auch Stadt-Land-Verhältnisse. Das heißt, völlig richtig gesagt, wir müssen schauen, dass wir den Menschen überall eine gute Mobilität ermöglichen. Was ist denn gute Mobilität? Mobilität ist etwas, was wir im Bundestag auch durchaus unterschiedlich, je nach Partei und Fraktion, diskutieren.
KW: Wir hören, in der Regierungskoalition ist das nicht einfach.
DM: Das ist so, das ist auch völlig normal. Und ich sage auch gut so, weil wir drei unterschiedliche Fraktionen und Parteien sind. Das soll auch bitte so bleiben. Jeder hat seine verschiedenen Schwerpunkte. Ich finde es auch immer richtig, wenn dem anderen einfach mal zuhört und seine Argumente angehört werden. Die Argumente sich dann genau überlegt und bewertet und nicht gleich so einen Abwehrreflex zu entwickeln, nur weil jemand in einer anderen Partei ist.
Für die SPD ist das Thema der Daseinsvorsorge und des öffentlichen Personennahverkehrs, Bus und Bahn, wichtig. Wir kennen die Herausforderungen auch im Klimaschutz und in der CO2-Einsparung. Wir müssen den Leuten ein so gutes Angebot machen, dass wir damit eben auch unsere Klimaziele erreichen.
KW: Sie haben fast alle Themen gleich zu Beginn angefasst. Das ist auch richtig. Hamburg ist eine Großstadt und wir gucken heute nicht so sehr auf das, was ländlich im Moment geschieht. In Hamburg wird Fuß- und Radverkehr, so habe ich den Eindruck, sehr gefördert.
Ist das auch eine Position der SPD?
DM: Ich bin trotzdem Bundespolitikerin und nicht mehr, quasi mit dem Einfluss, den ich noch als Bürgerschaftsabgeordnete hatte. Ich finde es aber richtig, dass wir sagen, wir müssen den sogenannten Umweltverbund fördern, dazu gehören Bus und Bahn, aber auch Rad- und Fußverkehr.
Aber gehen Sie mal jetzt in einen Laden und wollen ein neues Fahrrad bestellen. Da warten Sie je nach Fahrradtyp bis zum halben Jahr, um ein Fahrrad kaufen zu können. Das ist etwas, wo die Menschen wirklich auch ein Verlangen haben, vernünftig Radverkehr zu fördern.
KW: Das ist auch gut für die Konjunktur, wenn das so stark nachgefragt wird.
DM: Ja, das ist auch gut für die Fahrradwirtschaft völlig in Ordnung. Wir haben jetzt gerade in Hamburg und das finde ich auch richtig, eine Debatte aufgenommen: Wem gehört eigentlich der öffentliche Raum? Stadtplanung in Hamburg, wie in vielen anderen Städten in Deutschland aus den 70er, 80er Jahren, war sehr auf Autos konzentriert. Das ändert sich und das ist auch gut so!
04:37 Verkehrspolitik: Wie können sich alle Verkehrsteilnehmer sicher bewegen?
KW: Das kommt darauf an, also ich bin ja nun nicht mehr ganz so schnell. Und wenn ich als Fußgänger mich durch die Stadt bewege, dann kreuze ich Autoverkehr, ich kreuze Fahrradverkehr, ich kreuze E-Roller, die auch relativ schnell sind. Wie komme ich denn da eigentlich noch sicher über die Straße?
Ist das nicht besser, die zu trennen, als sie alle auf einem Verkehrsweg fahren zu lassen?
DM: Eine relativ knappe Antwort ist, die Straßenverkehrsordnung gilt für jeden, egal ob er auf dem E-Roller ist, ob er zu Fuß geht, also auch über eine rote Ampel gehen geht auch nicht.
KW: Jetzt muss ich mal fragen: Wissen das auch alle?
DM: Wenn ich im Auto sitze, dann sollte ich mich auch an den Verkehr, an die Geschwindigkeit halten. Aber das heißt ja nicht, dass ein System schlecht ist, weil der Nutzer sich nicht richtig verhält. Es muss dann kontrolliert werden. Und Stichwort getrennte Fahrrad- und Fußwege machen wir in Hamburg, wo es möglich ist. Der schöne englische Begriff: Protected Bike Lanes oder geschützte Radfahrstreifen.
Auch mit einer baulichen Abtrennung stellt sich die Frage, wem die Straße gehört? Der Platz lässt sich selten vergrößern. Wir haben in Hamburg bei der Elbchaussee oder andere Straßen, die wir anfassen, gesagt, dass dann aus zwei Autospuren eine wird.
Dann habe ich auch ausreichend Platz, um den Fuß- und Radverkehr vernünftig zu trennen.
KW: Aber es muss die Möglichkeit gegeben sein, sich von A nach B zu bewegen. Da sind so manche verärgert. Wenn ich jetzt nach Berlin gucke, hat die sehr stringente Verkehrspolitik die Wahl auch dominiert. Gewonnen hat dann die CDU.
DM: Ich habe sozusagen zwei Städte, die ich angucken kann, also Hamburg und Berlin. In Berlin mit Blick auf die Stadt- und Verkehrspolitik, war dort in der Öffentlichkeit gar nicht so sehr dominant, sondern einfach der völlig berechtigte Anspruch der Berliner, dass eine Verwaltung gut funktioniert. Hamburg hatte vor paar Jahren auch noch, wir erinnern uns vielleicht an ein Thema, Schwierigkeiten, wenn wir unseren Personalausweis verlängern mussten. Da mussten wir einen Tag Urlaub.
KW: Die Umfragen haben gezeigt, dass die Berliner nicht mit der Verkehrspolitik einverstanden waren. Alle Verkehrsteilnehmer auf einem Raum, viel mehr Fahrradfahrer. Jetzt mal unabhängig davon, ob das für das Klima erforderlich ist. Da gab es eine große Unzufriedenheit. Und wenn man gestalten will, muss man Wahlen gewinnen.
DM: Das ist richtig.
KW: Hat die SPD da nicht.
DM: Ich möchte mich jetzt wirklich nicht in die Berliner Landespolitik einmischen. Das ist vielschichtig, das Thema auch, wie gut eine Stadt funktioniert. Wir haben in Berlin sehr viel über die autofreie Friedrichstraße gesprochen, die jetzt nicht die Qualität an Aufenthalt hatte, die man sich vielleicht wünscht. Es war ein emotionales Thema. Ich finde es nur wichtig, und das erlebt man leider auch zu oft, dass wir keine Verkehrsträger gegeneinander ausspielen. Ich möchte auch niemanden beschimpfen, der Auto fahren muss oder vielleicht auch Auto fahren möchte. Aber ich muss doch von der Angebotsseite kommen und dann sagen: So, Mensch, willst du nicht dein Auto stehen lassen und du kommst mit Bus und Bahn oder auch mit dem Fahrrad genauso gut und sicher an dein Ziel.
Wenn wir jetzt in der Großstadt Hamburg sind, wie vorhin gesagt, haben wir noch sehr unterschiedliche Verhältnisse. Ich sehe es in meinem Wahlkreis, da gehört Eppendorf dazu und Winterhude, dazu gehört aber auch Bergstedt, Duvenstedt und Ohlstedt. Das ist der ländliche Raum innerhalb Hamburgs, da habe ich auch noch andere Angebote, und da müssen wir ran, auch in Hamburg.
08:39 Mobilität und Barrierefreiheit: Sicher durch Hamburgs Straßen
KW: Also wenn ich das richtig verfolge, dann ist Hamburg da durchaus unterwegs.
Uns geht es auch um die Frage der Barrierefreiheit. Wir haben ganz unterschiedliche Belange, gerade in diesem Feld. Ich denke mal an ältere Menschen, an Bewegungseinschränkungen und an kranke Menschen. Es gibt viele kranke Menschen, die sich zum Beispiel im Bus so unsicher fühlen, dass sie nicht mehr mit dem Bus fahren.
Wenn wir das an bestimmten Stellen nicht mehr machen können, ist die Frage, wie komme ich dann von A nach B? Wir müssen für alle Verkehrsteilnehmer die richtige Barrierefreiheit im öffentlichen Verkehr mit anbinden. Wie ist Ihre Haltung? Was würden Sie empfehlen, um dieses Thema anzugehen?
DM: Genauso weitermachen wie auch die Hamburger Hochbahn es seit vielen Jahren macht. Wenn wir uns Hamburg angucken, auch im Vergleich mit anderen Bundesländern, ist Hamburg sehr weit vorne. Wir haben seit vielen Jahren alle Bushaltestellen barrierefrei, also auch mit abgesenkten Einstiegsmöglichkeiten. Wir sind jetzt dabei, die letzten U- und S-Bahnhöfe barrierefrei zu machen, was erstmal heißt, einen Fahrstuhl einzubauen. Es gibt überall Leitsysteme für blinde Menschen. Was jetzt nachgebessert wird, sind die Ansagen, an den an den S- und U-Bahn-Stationen und in den Wagen.
Was ich mir persönlich wünschen würde, wäre langsames Anfahren und Abbremsen, das werde ich auch noch mal unserem Hochbahn-Chef sagen. Das geht mir selbst auch so, weil ich im Bus selbst eigentlich lieber stehe als sitze. Das kann ich so ein bisschen dann auch verstehen, wenn Sie sagen, dass Menschen sich nicht sicher fühlen.
Ich habe gar kein Auto mehr. Ich bewege mich mit Bus und Bahn. Ich habe den Eindruck, dass eine positiv gute Rücksichtnahme auch gerade in Bussen herrscht. Wenn da ein Mensch reinkommt, der vielleicht nicht so gut zu Fuß ist und ihm dann auch geholfen wird. Das ist eigentlich selbstverständlich oder sollte selbstverständlich sein. Aber ich finde, diese Mitmenschlichkeit ist wirklich positiv.
Unsere Aufgabe ist es auch, Stichwort UN-Behindertenrechtskonvention, den ÖPNV barrierefrei zu machen. Um was ganz Aktuelles zu berichten: Wir sind jetzt gerade dabei, im Bundestag eine europäische Richtlinie zur Barrierefreiheit umzusetzen. Gerade im Bereich der Bahn, wo wir auch dazu verpflichtet sind, einheitliche Ansprechpartner zu benennen. Das heißt, wenn ich eine Bahnreise machen möchte, kann ich bei einer Stelle anrufen und habe nicht drei verschiedene Stellen. Das ist hilfreich, wenn ich zum Beispiel Unterstützung für meinen Transport brauche.
KW: Da werden sich viele freuen, wenn das gelänge, gerade bei der Deutschen Bahn.
Busse sind ein wesentliches Verkehrsmittel in Hamburg. Wenn ich da mit dem HVV und dem VHH spreche, sagen die Verantwortlichen, dass Mitarbeiter geschult werden. Dass sie vorsichtig anfahren, dass sie langsam sind oder dass sie warten, bis die Leute sitzen.
Die Erfahrung zeigt, dass das nicht immer stimmt. Könnten Sie da als Verkehrspolitikerin nachfassen? Das würde viele unserer Mitglieder, auch der älteren Generation, in Hamburg freuen.
DM: Das mache ich sehr gerne, das ist dann auch genauso mein Job, einfach noch mal zu sagen: So, Mensch, lieber Henrik Falk, liebe Theresa Korbutt. Na, ich habe vom Sozialverband die Rückmeldung. Ich weiß, ihr macht das, aber seid noch mal sensibler.
Da sind die Zuständigen auch sehr bereitwillig und nehmen das noch mal mit auf. Das ist meine Erfahrung.
KW: Wenn wir uns dem Bereich Gesundheit zuwenden. Der Autoverkehr, aber auch andere Verkehrsarten, sind durchaus gefährlich, auch die E-Roller für Menschen, die nicht so beweglich sind. Wie kriegen wir es hin, dass wir dort mehr an den Gesundheitsschutz der Menschen denken?
DM: Das Thema E-Roller wird emotional ohne Ende diskutiert. Ich war die letzten beiden Tage in Brüssel und habe festgestellt, dass es in Brüssel genauso schlimm ist wie in Hamburg und Berlin. Ich habe selbst auch gerade mal wieder einen Roller vom Bürgersteig an die Wand gestellt, weil ich mich dann frage, wie jemand wirklich auf die Idee kommt, den mitten auf dem Bürgersteig abzustellen und nicht 2 Meter irgendwie an die Seite ist.
KW: Wir fänden es gut, wenn es feste Abstellmöglichkeiten gibt. Denke jetzt auch an blinde Menschen, die gar nicht wissen, wo da ein Roller plötzlich im Weg steht. Das würde glaube ich sehr helfen.
DM: Das hat uns auch Verena Bentele erzählt. Sie ist auch blind und wir machen uns nächstes Jahr voraussichtlich an die Überarbeitung dieser sogenannten Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung. Ich habe schon mit vielen dieser Anbieter gesprochen. Es gibt da durchaus Möglichkeiten und Modelle. Wir haben in Hamburg auch schon, sieht man vielleicht manchmal an U-Bahn-Stationen, eingezeichneten Flächen, in denen man das abstellen kann.
Gelingt mal besser, mal schlechter. Ich kenne das von Leihfahrrädern, wo man, bevor man den Vorgang beenden kann, ein Foto machen muss. Da wird dann erkannt, ob das Fahrrad oder der E-Roller richtig abgestellt worden ist und erst dann ist erst meine Zeit vorbei.
Ich habe auch schon mal in Washington, D.C. gesehen, da gibt es solche Vorrichtungen.
KW: Es gibt im Autoverkehr Emissionen. Wenn es riecht, heißt ja noch nicht, dass giftig ist. Aber wir wissen, dass viele giftige Abgase rauskommen. Lärm ist auch ein Gesundheitsthema. Mehr Lärm beeinträchtigt die Menschen auch. Da sind andere Verkehrsmittel positiv zu betrachten.
DM: Das gehört zweifelsohne dazu. Und wir haben die Situation, dass gerade letzte Woche die aktuelle Studie veröffentlicht wurde, dass sowohl der Gebäudesektor als auch der Verkehrssektor seine Klimaziele noch nicht erreicht hat. Das ist genau die heiße politische Diskussion. Welche Stellschrauben habe ich da?
Wenn wir auf den städtischen Bereich gucken, ist eine Möglichkeit, Tempo-30-Zonen auszubauen. Diese Zonen sind übrigens auch ein großer Sicherheitsaspekt. Eine andere Möglichkeit, gerade gegen Lärm, ist die immer größer werdende Elektromobilität. Auf Hamburgs Straßen ist der Lärmunterschied gerade bei Elektrobusse im Vergleich zu Diesel-Bussen enorm.
KW: Da gibt es positive Entwicklungen, die damit zusammenhängen.
DM: Auf Bundesebene gibt es ganz große Themen: die Straßenverkehrsordnung und das Straßenverkehrsgesetz anzupassen. Wenn wir in Hamburg eine Tempo-30-Zone einrichten wollen, kriegt man graue Haare, weil die Anforderungen dafür so groß sind.
Wir sind dabei, den Kommunen und Städten wesentlich mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben, um auch dort leichter Tempo-30-Zonen einzurichten. So kann der Straßenraum leichter völlig neugestaltet werden: Autofreie Zonen für mehr Lebensqualität. Der Bus darf dann noch durchfahren, vielleicht aber nicht jedes Auto. Das ist, glaube ich, eine Entwicklung, die sehnlichst von den Städten und Kommunen erwartet wird.
18:53 Elektromobilität: Wie bewegen wir uns in Zukunft im öffentlichen Raum?
KW: Wir reden über Elektromobilität. Die Automobilkonzerne stellen sich darauf ein. Jetzt kommen aber auch andere Diskussionen hoch: Wie müssen wir eigentlich mit den Automobilkonzernen umgehen und deren vorhandenen Kapazitäten? Wie ist da der Standpunkt der SPD?
DM: Ich habe heute Morgen mit Daniela Cavallo, Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von VW, gesprochen. Wir tauschen uns so regelmäßig alle paar Monate aus. Das Wichtige ist, dass sie mir auch nochmal gesagt haben, dass die Automobilindustrie, die Hersteller, aber auch die vielen Zulieferer jetzt Verlässlichkeit haben und die Politik ihnen die weitergibt. Der Weg, den auch die Automobilindustrie geht, ist ganz klar Richtung Elektromobilität, Bau neuer Batterieproduktion, schrittweise Umstellung der Produktion und Schulung von Mitarbeitern.
Insofern ist die Debatte, die ein Koalitionspartner von uns jetzt aufgemacht hat, in Richtung weiteren Fokus auf E-Fuels, etwas, was nicht förderlich ist.
E-Fuels sind ein kompliziertes Thema. Ich ordne das Thema kurz ein. E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe, brauchen wir, aber die sind in der Produktion noch so kompliziert und vor allem so kosten- und auch energieintensiv, dass ich mir doch angucken muss, für welchen Verkehrsträger ich sie benutze. Da ist ganz klar: Wir brauchen sie für den Schiffsverkehr und für den Luftverkehr.
Dort kann ich nicht so leicht mit einem Elektromotor den Antrieb ersetzen. Wir haben noch gar nicht die Menge, um jetzt zu sagen, wir stellen uns bei der Neuproduktion weiterhin Verbrennungsmotor mit E-Fuels ein. Es wurde ganz klar gesagt, dass der Weg jetzt gegangen wird und jeder Konzern klare Ausstiegsdaten aus der Produktion von Verbrennungsmotoren hat.
Da darf die Politik im Sinne der vielen Beschäftigten jetzt keine Verunsicherung reinbringen. Ich hoffe, dass diese Debatte bald beendet ist.
KW: Es gibt viel internationale Konkurrenz, beispielsweise China und die USA. Sie alle machen sich auf den Weg zur E-Mobilität. Wenn Deutschland einen extra Weg geht, kann die Gefahr bestehen, dass wir Arbeitsplätze verlieren?
DM: Natürlich besteht die Gefahr. Ich möchte auch ganz klar davon warnen, eine Verunsicherung einzugehen. Auch wenn die USA für uns ein wichtiger Partner ist, aber mit massivsten Investitionen, die jetzt auch Joe Biden angekündigt hat, um dort die Wirtschaft anzukurbeln. Das ist etwas, wo auch Gesamteuropa schon sehr klar sagen muss, dass dort auch investiert wird.
Das heißt, wir haben auch die Aufgabe, Unternehmen dort zu halten, zu unterstützen und auch weiterhin Elektromobilität zu fördern. Einmal in der Produktion, aber auch beim Ausbau von Ladeinfrastruktur. Da ist immer noch Spielraum im öffentlichen Raum, gerade in Hamburg.
KW: Das ist ein häufiges Thema: Wo kann ich mein E-Auto laden?
DM: Genau. Und diese Henne-Ei-Diskussion. Ich treffe eine Kaufentscheidung und da muss ich auch wissen, wo ich mein Elektroauto aufladen kann. In der Planung ist schon viel passiert. Es sollen Parkplätze am Arbeitsplatz, Supermarktparkplätze und Autobahnparkplätze ausgestattet werden.
Wir haben einen neuen Masterplan zur Ladeinfrastruktur aufgesetzt, dass dort diese Verlässlichkeit geschaffen wird, dass dann die Menschen, wenn sie sich ein neues Auto zulegen wollen, dann die Kaufentscheidung dafür treffen. Und noch einen Satz dazu: Die Debatte hatten wir auch immer. Elektromobilität war immer noch sehr teuer in Bezug auf die Autos. Das geht jetzt langsam runter.
Also es gibt auch ein deutscher Automobilkonzern, der jetzt angekündigt hat, dort ein Auto um die 20.000 € zu produzieren. Das heißt, dort ist eine Entwicklung, die jetzt wirklich rasant weitergeht. Das ist der Weg, auf den wir uns weitermachen müssen.
23:38 Soziale Sicherheit: Wie kann Teilhabe an der Gesellschaft funktionieren?
KW: Das ist ein gutes Stichwort. Dazu gehört ja auch, dass viele Menschen diesen Kulturwandel, so nenne ich das mal, mitmachen. Wie kriegen wir die vielen Menschen hier in der Stadt dazu, dass sie sich auch freuen, dass wir einen neuen, anderen Weg gehen und dass man eingefahrene Pfade verlässt?
DM: Angebot, Angebot, Angebot und Einfachheit, Einfachheit, Einfachheit. Es ist eigentlich mein Lieblingsthema: das schöne Deutschlandticket. Wir haben letztes Jahr beim 9 Euro-Ticket gesehen, was so einen Run ausgelöst hat, wie wir ihn auch alle nicht geglaubt hätten. Natürlich war einmal der unschlagbare Preis attraktiv, aber auch die Einfachheit, dass ich mir keine Gedanken mehr machen muss. Bin ich jetzt in der richtigen Zone? Habe ich das richtige Ticket?
Stichwort Kulturwandel. Wir haben Umfragen zum 9 Euro-Ticket gemacht: Es sind viele Leute wirklich zum ersten Mal mit Bus und Bahn gefahren. Dieser Kulturwandel, den schaffe ich dann auch durch massive Investitionen.
Das war ein sehr, sehr teures Projekt. Aber es hat sich so gelohnt, dass wir jetzt mit dem Deutschlandticket weitermachen.
KW: Ich nenne noch mal ein anderes Stichwort. Es gibt auch Menschen, die davor, dass sie ihre eingefahrenen Pfade verlassen müssen, neue Dinge machen müssen, die sie nicht kennen, wo sie sich nicht sicher fühlen, Angst haben. Auch die ganze Diskussion um neue Heizung, andere Stromangebote und Ähnliches. Da gibt es ja viel Verunsicherung.
Ist es da nicht wichtig, dass die Regierung, auch wenn sie aus drei verschiedenen Parteien besteht, nun einen klaren Pfad vorgibt und sagt: So, da geht es hin, das ist verlässlich.
DM: Ich glaube, wir sind jetzt noch mehr als sonst in der Verantwortung, ganz klar und verlässlich zu kommunizieren. Ich denke aber auch, dass es - das ist meine Erfahrung, wenn ich bei Infoständen auf Marktplätzen bin - dass alle verstanden haben, dass ein “Weiter so” einfach nicht geht. Wenn ich jetzt auf die Straße gehe und frage nach dem Klimawandel, da müssen wir was dagegen tun, dann nickt erst mal jeder.
KW: Aber es ist wichtig, dass die Politik sagt: Das ist der Weg, den wir gehen, ihr könnt euch drauf verlassen. Doch da habe ich das Gefühl, das geht ein bisschen durcheinander.
DM: Ja, ich gebe Ihnen recht. Das stimmt. Das ist auch etwas, wo wir uns alle drei Fraktionen noch ein bisschen mehr disziplinieren müssen. Diskussionen und Streit bitte intern austragen und nicht extern und auch wirklich auf alles Antworten geben können. Die Debatte um das Ende von Öl- und Gasheizungen aus Klimaschutzzielen ist völlig verständlich.
Wir haben auch ganz klar gesagt, das muss natürlich auch sozial funktionieren. Ich war letzten Samstag in Sasel. Hamburg-Sasel ist jetzt gemeinhin nicht der ärmste Stadtteil. Es gibt solche und solche Bereiche und das Hauptthema war das Thema Heizung. Das ist dann etwas, was ich auch mit nach Berlin nehme und sage: Leute, wir müssen die Antworten in der Sekunde haben, wo wir mit der Idee oder mit dem Vorschlag rausgehen und nicht quasi hinterher hängen.
KW: Ich glaube, da freuen sich viele Menschen, wenn das wirklich so umgesetzt wird. Es ist nicht einfach, das wissen wir auch. Das kostet alles viel Geld. Wenn ich mal an die Deutsche Bahn denke. Dort müssen die Trassen erneuert werden. Wenn wir schnelle Züge haben wollen, braucht man sichere Gleise und Ähnliches mehr. Da muss sehr viel Geld in die Hand genommen werden.
Wissen Sie, wovor wir Sorge haben?
DM: Dass gekürzt wird an anderer Stelle.
KW: Im sozialen Bereich. Da wäre es gut, wenn Sie den Hörern ein bisschen Sicherheit geben. Es gibt immer mehr Menschen, denen es nicht gut geht, auch in Hamburg. Die Menschen haben Sorge, ob bei Ihnen gespart wird. Si brauchen ja eigentlich mehr. Wird für diese Menschen gesorgt? Wie ist die Haltung der SPD?
DM: Für die Menschen wird gesorgt. Ohne die SPD gibt es keinen 12 Euro Mindestlohn, ohne die SPD gibt es kein Bürgergeld. Der Arbeits- und Sozialminister hat vorhin gerade geschrieben, dass er nächste Woche das Thema der Ausbildungsplatzgarantie ins Kabinett bringen wird. Alles soziale Themen, die genau das, was wir eben schon mal hatten, die das Thema auch der sozialen Sicherheit garantieren.
Wir haben jetzt ja auch die Debatten über den zukünftigen Haushalt, wo wir gesagt haben, dass das Thema Kindergrundsicherung umgesetzt werden muss. Wir haben genauso Debatten um das Thema Krankenhäuser und Pflege. Der Finanzminister sagt dann auch zurecht, ich habe jetzt noch keinen Goldschatz bei mir im Ministerium gefunden und das ist aber etwas, was dann auch in der Koalition vernünftig besprochen werden muss.
Aber unsere Schwerpunkte sind da klar. Ich bin Verkehrspolitikerin, ich sage genauso, ich brauche Gelder für die Bahn. Verteidigungspolitik hat jetzt seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine auch einen ganz anderen Stellenwert und da muss es auf Bundesebene gute Lösungen geben. Da muss es auch in Hamburg gute Lösungen geben. In Hamburg sind wir immer noch in einer auch finanziell doch etwas besseren Situation.
Ich hoffe, der Finanzsenator teilt das auch, was ich sage. In Hamburg ist doch vieles noch möglich, was woanders nicht so ist.
29:57 Öffentlicher Nahverkehr: Ist das Deutschlandticket die Lösung?
KW: Wir sollten am Schluss über das Deutschlandticket sprechen. Das ist auch aus unserer Sicht eigentlich eine gute Sache, das müssen wir sagen. Nur 49 Euro kann sich nicht jeder leisten. Die Länder dürfen nach dem Gesetz Vergünstigung geben. Das gibt es auch in Hamburg. Die Frage ist, worauf müssen sich da Menschen einstellen, ohne da jetzt sagen wir mal in jedes Detail zu gehen?
DM: Genau. Das Deutschlandticket steht nicht im Koalitionsvertrag. Wenn Sie mir vor zwei Jahren den Vorschlag gemacht hätten, lasst uns doch mal versuchen, so ein deutschlandweit gültiges Ticket für unter 50 Euro pro Monat zu kreieren, hätte ich gesagt “Um Gottes Willen, das kriege ich nie durch, weil wir haben 16 Bundesländer, wir haben fast 80 Verkehrsverbünde, wir haben Hunderte von verschiedenen Tarifsystem.”
Aber wir haben es geschafft. Da muss ich wirklich auch allen Mitwirkenden einen ganz großen Dank aussprechen. Bei der Debatte um den Preis waren auch ganz andere Zahlen in der Diskussion. Einige haben gesagt, 69 Euro sind doch besser, da müssen wir weniger Staatsgeld dafür ausgeben. Die SPD hat den Beschluss, dass wir gesagt haben, wir machen 49 Euro, was wir auch erreicht haben. Das muss ich ein bisschen erklären: Es gibt für Arbeitnehmer einen Zuschuss, also auch von Bundesseite. Wenn die Arbeitgeber was dazu geben, kann ich für 34 Euro im Monat bundesweit fahren.
Das ist schon fast dieser 1 Euro am Tag, der ja auch schon in der Debatte ist. Wir arbeiten daran, dass es auch für Studierende ein bundesweites Semesterticket gibt. Es wird auch von der Stadt Hamburg eine weitere Reduzierung des jetzt schon bestehenden Sozialtickets geben. Das wird unser Bürgermeister in einigen Tagen verkünden. Dem möchte ich auch nicht vorgreifen. Das ist etwas, was auch noch mal ein wirklich gutes Engagement der Stadt Hamburg ist.
Der ÖPNV in Hamburg wird preislich extrem attraktiv werden. Die andere Seite der Medaille: Wir müssen auch noch ein bisschen Geld für den Ausbau haben. Da sind wir auch dran, was zu machen. Das ist etwas, was in meinen Augen wirklich beispielgebend ist und was wir noch nie hatten. Und das freut mich sehr, dass wir das realisieren können.
KW: Es sind ja nicht nur die Grünen, die hier den Wandel vollziehen. Auch die Sozialdemokraten sind da unterwegs. Oder habe ich das missverstanden?
DM: Also ich würde behaupten, beim Thema ÖPNV sind wir die allerersten. Das ist so, das möchte ich mir auch nicht nehmen lassen. Da haben wir aber einen Grünen und einen sehr guten Verkehrssenator. Ich arbeite sehr gut und eng mit Anjes Tjarks zusammen. Er ist auch ein sehr pragmatischer Mensch und hat ein großes Engagement für den ÖPNV.
Da möchte ich überhaupt nicht sagen, die oder wir.
KW: Bei dem Thema 1 Euro pro Tag ist ja nicht viel kommen, das sind 30 Euro im Monat. Wenn ich kein Geld hab, sind 30 Euro unerschwinglich. Darauf möchte ich noch mal hinweisen. Das müssen wir jetzt nicht ausdiskutieren, aber unser Vorschlag ist, dass der ÖPNV für bedürftige Menschen kostenlos ist.
Da würden wir uns freuen, wenn sie das mitnehmen würden in die Diskussion, auch hier in Hamburg.
33:34 Digitalisierung und Mobilität
Ein letztes Thema ist Digitalisierung. Wenn ich die neuen Angebote nutzen will, muss ich digital unterwegs sein. Das geht jedenfalls in diese Richtung. Auch da ist das Problem, wenn ich an diese Zubringer Taxis denke, dann kann ich nur so rufen und ich muss es auch digital bezahlen und dazu muss ich ein bisschen digital affin sein, wie man so schön sagt.
Ich muss das machen können, aber ich muss es auch bezahlen können. Wie ist die Haltung der SPD?
DM: Kurze Erläuterung für das Deutschlandticket. Das ist ein digitales Ticket. Es kann zum einen mit einem Smartphone bestellt werden, zum anderen kann man aber auch zu einer HVV Geschäftsstelle hingehen, dann kriege ich eine Chipkarte.
KW: Das ist also einfacher als man denkt.
DM: Das ist wesentlich einfacher als man denkt und ich schließe das Abo ab, das heißt ich muss da einmal meine Kundendaten hinterlassen. Wir arbeiten auch an einer Möglichkeit für Menschen, die kein Bankkonto haben, die dann wirklich hingehen können und das Cash bezahlen. Wir haben auch beim Deutschlandticket durchgesetzt, dass es noch zumindest in der Übergangszeit die Möglichkeit gibt, dass man auf einem Blatt Papier einen Code QR Code ausgedruckt bekommt und das auch zählt.
Das Deutschlandticket soll möglichst barrierearm erworben werden können. Und natürlich müssen wir das Thema Digitalisierung und ältere Menschen angehen und das können wir an einer anderen Stelle weiter diskutieren. Ich habe nicht den Eindruck, dass das sich ausschließt. Ich habe den Eindruck, dass es vielleicht höhere Hürden gibt. Es gibt aber auch ganz tolle Verbände und Vereine, die passende Angebote durchführen.
Ich habe ein Angebot bei mir auch im Wahlkreis. Die Menschen kümmern sich genau darum, die wirklich Schulungen machen, fängt an: Wie schalte ich eigentlich ein Smartphone ein? Wie gehe ich mit den ganzen Programmen um? Es geht darum Hilfestellungen zu geben. Das ist das, wo ich unterstützen muss. Wo ich jetzt sagen würde, Menschen ab einem bestimmten Alter können das nicht, um Gottes Willen.
KW: Na ja, es ist nicht nur altersabhängig, ich habe auch auf die Finanzen hingewiesen. Das ist für manche schon eine Hürde. Der SoVD ist da auch sehr unterwegs. Ich komme gerade von einer Veranstaltung, wo wir darüber gesprochen haben, dass wir das Angebot “Mein Handy und ich” flächendeckend im SoVD anbieten. Wer Lust hat von den Hörern, das Angebot wird in unseren Ortsverbänden und Stadtteiltreffs angeboten.
Und wir freuen uns über jeden, der auch nicht Mitglied ist, der dorthin kommt, damit das gelernt werden kann.
Ich danke Frau Martin für das wirklich spannende und umfassende Gespräch. Wir hätten noch viel, viel mehr natürlich diskutieren können und manche Dinge haben wir jetzt gar nicht angefasst. Aber ich danke vor allen Dingen denjenigen, die uns zugehört haben. Bis zum nächsten SoVD-Podcast “Sozial? Geht immer!”
Einen schönen Tag noch und viel Sonnenschein. Auf Wiedersehen! Bis zum nächsten Mal! Schönen Tag!
DM: Herzlichen Dank! Bis bald.