SoVD-Podcast: Älter werden in Hamburg
Wie können wir Selbstbestimmung und Teilhabe so lange wie möglich sichern und Armut entgegenwirken?
Älter werden in Hamburg: Fragen und Inhalte
00:43 Älter werden in Hamburg: Zur Entwicklung einer altersgerechten Stadt
07:15 Senior:innenarbeit in Hamburg: Was ist die Globalrichtlinie?
10:27 Entwicklung von Senior:innen-Treffs hin zu Quartierszentren
19:22 Altersarmut in Hamburg: Perspektiven und Chancen für mehr Teilhabe
25:03 Hilfen für Bedürftige: Der Hamburger Härtefallfonds und das neue Wohngeld-Plus
27:36 Bürgergeld statt Hartz IV: Die große Sozialreform?
Wir sind eine Gesellschaft, die immer älter wird, aber gleichzeitig immer aktiver älter wird. In der Seniorenpolitik muss es darum gehen, ein freies und selbstbestimmtes Leben im Alter zu ermöglichen. Da muss Politik natürlich die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen.
“Zu Gast ist Katharina Fegebank, zweite Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg und Präses der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke. Gemeinsam diskutieren wir aktuelle Herausforderungen der Senior:innenarbeit in Hamburg: Welche Schwerpunkte muss die Politik mit Blick auf unsere alternde Gesellschaft setzen und welche konkreten Weiterentwicklungen hin zu einer altersgerechten Stadt müssen jetzt angestoßen werden? Darüber hinaus erörtern wir Perspektiven und Chancen für mehr Teilhabe in Hamburg. Denn ob jung oder alt: Immer mehr Menschen sind von Armut bedroht. Können der Hamburger Härtefallfonds, das neue Wohngeld Plus oder die Bürgergeld-Reform hier Abhilfe schaffen?
© Pressestelle Freie und Hansestadt Hamburg
Älter werden in Hamburg: Der SoVD-Podcast zum Lesen
KW: Klaus Wicher
KF: Katharina Fegebank
KW: „Sozial? Geht immer!“: Der Podcast vom Sozialverband SoVD in Hamburg. Herzlich willkommen! Ich bin Klaus Wicher, Landesvorsitzender des SoVD in Hamburg. Heute zu Gast ist Katharina Fegebank, zweite Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg und Präses der Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke. Schön, dass Sie hier sind.
KF: Moin Herr Wicher, ich freue mich sehr, dabei zu sein.
00:43 Älter werden in Hamburg: Entwicklung einer altersgerechten Stadt
KW: Siesind Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke. Wir wollen uns heute mit dem demografischen Wandel befassen. Ab 2025 kommen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Dann wird es auf dem Arbeitsmarkt schwierig. Welche Schwerpunkte setzen Sie für die immer mehr werdenden Senioren in Hamburg?
KF: Noch mal vielen Dank, dass ich heute hier sein darf und ich freue mich sehr auf unser Gespräch. Das stimmt. Wir sind eine Gesellschaft, die immer älter wird, aber gleichzeitig immer aktiver älter wird. In der Seniorenpolitik muss es darum gehen, ein freies und selbstbestimmtes Leben im Alter zu ermöglichen. Da muss Politik natürlich die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen. Wir versuchen das hier in Hamburg. Wir haben uns fest vorgenommen, das Thema altersfreundliche Stadt in den Mittelpunkt des Tuns für 2023 und 2024 zu setzen und dafür einen Aktionsplan, eine Strategie zu entwickeln, die auf dem bestehenden Demografie-Konzept aufsetzt. Gleichzeitig gucken wir uns an, welche Angebote es eigentlich für Senioren gibt und in welchen Feldern wir noch mehr machen müssen.
KW: Welches wären die Eckpunkte Ihres Konzepts? Gibt es da schon Überlegungen?
KF: Es geht natürlich darum, das Ganze im Querschnitt aller Bereiche sich anzugucken und Senioren in ihrem Lebensumfeld anzusprechen. Das heißt, die Themen Wohnen und Mobilität im Alter, Gesundheit und Versorgung und natürlich die Stadtentwicklung werden eine große Rolle spielen. Das sind alles Fragestellungen, mit denen wir uns befassen müssen. Welche Angebote und Anlaufstellen gibt es? Welche Bedeutung hat künftig das unmittelbare Umfeld, die Nachbarschaft und das Quartier? Das ist eine Bewegung und Entwicklung, die wir in ganz vielen Bereichen sehen: Weg von der Versäulung einzelner Politikfelder, mehr hin zum Querschnitt. Das sehen wir natürlich im Bereich der Senioren.
KW: Da sind Sie nicht als einzige Senatorin betroffen, sondern auch die Behörden für Stadtentwicklung, Bauen und Soziales. Wie stimmen Sie sich für ein einheitliches Vorgehen ab um ein Entwicklungskonzept aus einem Guss machen können?
KF: Es gibt ein sehr gutes und schlüssiges Demografie-Konzept des Senats, das in den letzten Jahren sehr tragfähig war. Wir haben auch geguckt, was es eigentlich in anderen europäischen Regionen, in anderen Städten weltweit gibt – wie der Weg ist, wie wir uns dieser immer größer werdenden und immer aktiveren Gruppe älterer Menschen gut nähern können.
KW: Worauf satteln Sie da aus? Welche Länder oder Städte?
KF: Skandinavische Städte kann man sich da beispielsweise angucken. Ich werde die hoffentlich noch besuchen im Laufe der nächsten Jahre, um mir das aus eigener Perspektive anzugucken. Aber die Gespräche, die ich geführt habe, die waren dann mit aktiven Alten, die in skandinavische und holländische Städte gefahren sind und die sich angeguckt haben, was in Kanada beispielsweise läuft – genau da entstehen genau solche Konzepte aus einem Guss.
Wir wollen auf unser Demografie-Konzept aufsatteln und wir haben natürlich als Regierung, als Senat sehr gute Erfahrungen mit unseren anderen Querschnittsprogrammen. Beispielsweise das Integrationskonzept, die Umsetzung der UN-Menschen- und Behindertenrechtskonvention oder in meinem Ressort das gleichstellungspolitische Rahmenprogramm. Das folgt immer einer bestimmten Logik: Wir sammeln in einem breiten Beteiligungsprozess Impulse aus den Fachorganisationen, den Interessengruppen, der Zivilgesellschaft. Gleichzeitig sollen alle beteiligten Behörden angesprochen und gepiesackt und genervt werden.
Sie können sich vorstellen, alle haben ihre Aufgaben, mit denen sie tagtäglich befasst sind – und dann kommt eine Behörde und sagt: „Jetzt müssen wir aber gucken, was ihr im Bereich Gleichstellung, Inklusion oder Senioren macht?“ Das ist manchmal ein bisschen schwergängig. Für mich aber absolut notwendig, weil wir alle dabeihaben wollen, gerade im Bereich Senioren. Ich habe eben die einzelnen Themen angesprochen: Stadtentwicklung, Wohnen, Mobilität, Gesundheit, Weiterbildung im Alter, Sport und Kultur, also der ganze Freizeitbereich. Das sind natürlich alles Themen, die Senioren genauso betreffen wie alle anderen Menschen. Deshalb erwarten und hoffen wir, dass sich da alle ganz aktiv einbringen. Das nimmt immer etwas Zeit in Anspruch, weil wir das – wie Sie sagen – auch in ein Konzept aus einem Guss gießen wollen. Damit wollen wir in diesem Jahr starten. Und dann hoffe ich, dass wir, wenn wir das nächste oder übernächste Mal sprechen, wir Ihnen schon Erfolge vermelden können.
KW: Die großen Institutionen in Hamburg werden also beteiligt – also wir auch. Und wir bringen da gerne unsere seniorenpolitischen Leitlinien ein, die sie möglicherweise schon kennen.
07:15 Seniorenarbeit in Hamburg: Was ist die Globalrichtlinie?
Ich würde gerne noch über die Globalrichtlinie sprechen, die sie entwickeln. Dort heißt es, von den Senioren-Treffs hin zu Zentren zu kommen. Was müssen wir uns darunter vorstellen?
KF: Ich möchte zuerst erklären, was die Globalrichtlinie bedeutet: Wir haben viele verschiedene Angebote und Anlaufstellen in der Stadt, über die einzelnen Bezirke und Stadtteile verteilt, in denen Senioren zusammenkommen können, wo es mal Workshops gibt, mal Spielenachmittage, mal Informationsveranstaltungen – die sogenannten Senioren-Treffs.
Das sind dann Angebote der offenen Seniorenarbeit. Teils sind das eigenständige Anlaufpunkte, teils schon integriert in Stadtteilzentren oder angedockt an die Quartiersarbeit. Wir haben da einen ganz bunten Strauß an verschiedenen Angeboten. Und mit der sogenannten Globalrichtlinie werden die Rahmenbedingungen für die Förderung festgelegt. Da ändert sich jetzt erst mal im Jahre 2023 noch nichts. Ab dem Jahr 2024 wird die Richtlinie dann gelten. Das heißt: Jetzt werden vorbereitende Maßnahmen getroffen. Denn so eine Weiterentwicklung und Veränderung ist natürlich nicht von jetzt auf gleich umzusetzen.
Die positive Botschaft ist: Das entwickelt sich weiter, weil sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Die Art der Angebote wird sicherlich an vielen Orten so bleiben, wie wir es gewohnt sind. Aber an anderer Stelle, wo es sich anbietet mit Sport, mit Jugend, mit Kultur und Freizeit zusammenzuarbeiten, da sollen die Bereiche stärker verknüpft werden. Das Thema gesellschaftliche Vielfalt spielt ebenso eine große Rolle und solle stärker miteinbezogen werden in die offene Seniorenarbeit – denn auch Migranten werden älter.
Das alles wird in der Globalrichtlinie beschrieben und daraufhin wird dann auch die entsprechende Förderung erfolgen.
KW: Sie werden da also Druck machen, es kommt Schwung in die Sache, es wird entwickelt – und im nächsten Jahr dann Fahrt aufnehmen.
KF: Es hat schon, wie ich finde, ziemlich an Fahrt aufgenommen. Es hat schon viele Runden gegeben im letzten Jahr. Wir wollen dieses Jahr natürlich dazu nutzen, uns genau anzugucken, was das für die einzelnen Standorte bedeutet? Sie können sich vorstellen, dass es durchaus auch Diskussionen gegeben hat. Denn viele bleiben immer gern bei dem, was sie schon immer gemacht haben. Wir sehen aber durch eine veränderte Bevölkerungsstruktur, durch neue Ansätze in der Stadtentwicklung und im Bereich des Wohnens, dass sich da die offene Seniorenarbeit, die Senioren-Treffs sehr gewinnbringend einbringen könnten.
10:27 Entwicklung von Senioren-Treffs hin zu Quartierszentren
KW: Die Senioren-Treffs leiden ein bisschen darunter, dass sie kein hauptamtliches Personal haben – wird alles ehrenamtlich gemacht. Dass wir alle immer älter werden, das geschieht dort in einem besonderen Maße. Und irgendwann sind die Menschen so alt, dann scheiden sie aus und können oder wollen vielleicht auch gar nicht mehr. Gibt es hier Überlegungen in Richtung Hauptamtlichkeit?
KF: Das kann ich ganz eindeutig bejahen. Und zwar haben wir jetzt erstmalig in den gerade abgeschlossenen Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt für die Jahre 2023 und 2024 auf Initiative der Bürgerschaftsfraktion, der Regierungsfraktion, einen Antrag verabschiedet und den wollen wir natürlich gerne begleiten in der Umsetzung.
In dem geht es darum, auch in hauptamtliche Strukturen einzusteigen. In der offenen Seniorenarbeit, bei den Seniorentreff, beginnen wir mit Pilotprojekten in jedem Bezirk, um zu gucken, wie das eigentlich ankommt. Natürlich ist das erst mal sehr naheliegend und sehr reizvoll, wenn wir hören, aus Ehrenamt wird Hauptamt. Aber Sie können sich vorstellen: Auch da erzeugt Veränderung erst mal Reibung und an vielen Orten etwas Sorge und Angst – was heißt denn das, wenn meine Ehrenamtsstruktur plötzlich verdrängt wird durch eine hauptamtlich eingesetzte, die vielleicht mit einer ganz anderen Perspektive auf die Arbeit guckt, die dort bisher gemacht wird? Gleichzeitig spüre ich, dass das viele als sehr entlastend empfinden, weil die Ehrenamtlichen älter werden, an ihre Grenzen kommen, vielleicht auch sagen, dass sie das gar nicht mehr alleine schultern können. Deshalb war das jetzt ein notwendiger, erster richtiger Schritt.
Ich hoffe, dass wenn sich das etabliert und ein bisschen eingependelt hat, und man auch mal guckt, wo wir eigentlich schon solche Kombinationen aus Hauptamt und Ehrenamt haben, dass wir dann einen guten Schritt vorankommen. Zum Beispiel bei kirchlichen Trägern ist es oft schon so, dass das begleitet wird durch eine zumindest anteilig finanzierte hauptamtliche Struktur.
Wir wollen, dass wir ein breites, buntes Angebot in der Stadt haben, dass möglichst viele Senioren anspricht, die nicht alleine zu Hause sitzen sollen, sondern die darüber noch mal in Bewegung kommen – das ist unser Ziel. Auch von der Digitalisierung, ein großes relevantes Thema während der Pandemie, verspreche ich mir hier neuen Schwung und dass wir mit Programmen wie den Digitalmentoren nochmal neue Zugänge und Formen der Beteiligung finden.
KW: Das, was wir gelesen haben, bedeutet, dass ungefähr 250.000 Euro pro Jahr für die Hauptamtlichkeit oder für die Finanzierung dieses neuen Weges bereitgestellt werden. Unter uns gesagt: So richtig viel ist es nicht. Das kann doch nur ein Einstieg sein? Wie ist das zu verstehen? Wenn wir nach München gucken, gibt es 32 solcher Zentren, die sich sehr bewährt haben – auch zur Armutsbekämpfung. Dort sind in jedem dieser Zentren drei Mitarbeiter. Davon sind wir in Hamburg noch meilenweit entfernt.
KF: Ich würde da ein bisschen differenzieren wollen, weil die Zentren, von denen Sie sprechen, natürlich in Teilen hier schon bestehen. Vielleicht anders gelabelt. Aber die Perspektive, gerade bei den neuen Quartieren, inklusiv zu denken, ältere Menschen, Menschen mit Behinderung, Leute, die sonst schwer Kontakte finden, mit einzubeziehen in ein gutes Quartiersmanagement – das passiert da und gelingt auch mit Hilfe von Hauptamtlichen und Quartiersmanagern vor Ort. So habe ich das zum Beispiel bei einigen Besuchen in den neueren Quartieren kennengelernt.
Deshalb entwickeln wir zum einen die neue Globalrichtlinie. Zum anderen gucken wir genau, was sich eigentlich bewährt hat. In welchen Konstellationen passt das gut mit der Andockung der Senioren-Treffs an das Quartier? Und wo müssen wir uns vielleicht noch mal Gedanken machen, wie wir da einfach mehr Power generieren können? Deshalb gucke ich mir das immer mit Interesse an, denn ich glaube, das kann einen Vorbildcharakter haben, was wir in anderen Städten, beispielsweise in München, sehen. Wir wollen jetzt über den Quartiersbereich gehen und da einen Einstieg finden. Weil wir feststellen, dass ehrenamtliche Strukturen – gerade bei älter werdenden Ehrenamtlichen – an ihre Grenzen stoßen. Und mit diesem Doppelhaushalt wollen wir ein Signal senden an die Nutzer von offener Seniorenarbeit. Ihnen zeigen: Wir sehen, dass das ein wichtiger Ort ist, ein wichtiger Begegnungsort, ein wichtiger Ort des Austausches. Deshalb wollen wir tatsächlich in jedem Bezirk damit anfangen.
Wenn sich das bewährt und wenn sich die einzelnen Einrichtungen stärker noch aufeinander zubewegen und wir nicht sagen: Hier sind die Senioren, da sind die Jugendlichen, da sind die Kulturangebote und da gibt es noch ein Angebot in der Sporthalle. Sondern, dass wir das wirklich stärker zusammenführen. Dann haben alle gewonnen.
KW: Ich möchte noch deutlich machen – und das gilt auch für den Sozialverband Deutschland SoVD: Das Hauptamt ist wichtig zur Stabilisierung einer solchen Einrichtung. Das Ehrenamt kommt dazu, entwickelt viele Dinge – ohne das Engagement geht es gar nicht. Aber: Es ist wichtig, hauptamtlich gut aufgestellt zu sein. Die Frage ist: Was stellen Sie sich über diese zwei Jahre hinaus vor? Ich will aber auch deutlich sagen: Wir begrüßen es, dass der Senat und vor allen Dingen Ihre Behörde, jetzt den Einstieg geschafft hat in die Hauptamtlichkeit in diesem Bereich.
KF: Ich stelle mir vor, dass das in einem breiten Beteiligungsprozess läuft. Denn das ist nichts, was wir verordnen oder wo wir einfach sagen: Hier habt ihr 250.000 Euro und jetzt seht mal zu, wie ihr lang kommt. Wir müssen das intensiv mit begleiten und alle einladen, natürlich auch den SoVD, sich einzubringen und Vorschläge zu machen – wie wir auch jenseits dieser zwei Jahre eine wirklich stabile und nachhaltige Struktur schaffen, um diesen ganzen Bereich der Anlaufstellen, der Angebote, der Begegnungsmöglichkeiten, zu einem echten Standortvorteil für Hamburg zu machen.
Dann komme ich zurück zu dem, was ich eingangs sagte. Wir brauchen für die altersfreundliche und altersgerechte Stadt sichtbare Anker in allen Bereichen, über die dann die ältere oder älterwerdende Bevölkerung sagt: Das finden wir klasse, das ist für uns ein toller Ort, auch im Alter gehört zu werden, teilhaben zu können und vor allem selbstbestimmt zu leben. Das besagt eigentlich jede Studie, dass dieses Thema „Selbstbestimmung so lange es geht“ ein ganz zentrales Thema ist. Deshalb ist das so ein wichtiger Baustein, dass wir das gemeinsam entwickeln und vor allem auch die Stimmen derjenigen hören, die Experten sind und die was zu sagen haben in dieser Frage – Sie haben ihre Leitlinien angesprochen und ihre Punkte-Pläne, die sie in allen Feldern entwickeln. Das finde ich richtig gut.
19:22 Altersarmut in Hamburg: Perspektiven und Chancen für mehr Teilhabe
KW: Wir sollten uns noch mal dem Thema Teilhabe an der Gesellschaft widmen. Die Altersarmut steigt in einem gewaltigen Maße an, das müssen wir einfach feststellen. Eine altersfreundliche Stadt muss natürlich auch dafür sorgen, dass das Einkommen der älteren Menschen so ist, dass sie sich die Angebote auch leisten können. Man muss zum Beispiel erstmal die Fahrt bezahlen können.
Was ist Ihre Idee, um die Altersarmut zu bekämpfen oder den Menschen, die jetzt in Altersarmut gekommen sind, die bei den Tafeln anstehen oder bei uns im SoVD-Sozialkaufhaus am Osdorfer Born für wenig Geld einkaufen, zu helfen? Was können wir denen als Perspektive bieten, damit sie wirklich richtig gut an der Gesellschaft teilhaben können?
KF: Natürlich muss das Leben bezahlbar sein. Das fängt bei den Mieten an, wo bei uns und bei mir durchaus berührende Briefe, Telefonate und Ansprachen, wenn ich unterwegs bin, ankommen. Mich packen diese Rückmeldungen auch wirklich emotional. Das mögen noch Einzelfälle sein, aber wir haben natürlich Statistiken, die besagen, dass der Anteil derjenigen, die unter das Existenzminimum kommen, also in die Altersarmut herein rauschen – gerade Frauen übrigens – zunehmen wird die nächsten Jahre.
Deshalb gilt es da natürlich mit kluger Sozial- und Rentenpolitik entgegenzusteuern. Das ist natürlich etwas, wo das große Rad im Bund gedreht wird. Was wir hier tun können, ist natürlich, über verschiedene Vergünstigungen gerade im Kulturbereich zu sprechen. Da gibt es tolle Programme, KulturistenHoch2 beispielsweise, wo ich in der Schirmherrschaft immer wieder gewesen bin und zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Da gibt es ein sehr günstiges Kulturangebot und gleichzeitig wird das Thema Einsamkeit adressiert. Junge Schüler oder Studierende unternehmen was mit älteren Menschen. Das heißt: Man hat Kontakt zur anderen Generationen und gleichzeitig die Möglichkeit, Kultur wahrzunehmen.
KW: Wir kennen KulturistenHoch2 auch, wir sind da Partner. Aber man muss dazu sagen: Das ist ein, zwei Mal im Jahr – das ist noch keine gesicherte Teilhabe an der Gesellschaft.
KF: Ich habe nur ein Beispiel nennen wollen. Ich erlebe das in ganz vielen anderen Bereichen, vom Kulturbereich angefangen über andere Veranstaltungsformate, wo es einfach deutliche Reduktion oder vielleicht sogar kostenfreie Teilnahme gibt für ältere Menschen.
Die Bilder an den Tafeln, da muss ich auch sagen, da schlucken wir, wenn wir das sehen. Es sind viele ältere Menschen, Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund, Geflüchtete, die keine ausreichenden Mittel haben. Da haben wir einen Auftrag als Gesellschaft, aber natürlich auch in der Politik, auf allen Ebenen dagegen zu wirken.
Wenn ich mir das Mobilitätsfeld zum Beispiel angucke, dann reden wir jetzt über das Thema 49-Euro-Ticket. Das ist schon deutlich weniger als das, was viele andere für ihr Monatsticket zahlen. Aber das wird für viele Senioren immer noch viel zu viel sein. Das heißt, da glaube ich, können wir auch von Hamburg aus was machen, indem wir das Thema Mobilität deutlich verbessern.
KW: Die SPD hat jetzt gerade auf ihrem Parteitag beschlossen, ein 29-Euro-Ticket auf den Weg zu bringen – das wäre nochmal ein Schritt weiter. Wir begrüßen übrigens ebenfalls das 49-Euro-Ticket wegen der Erleichterung. Das System der Preisstufen des ÖPNV in Hamburg ist ja stark ausgebaut. Ich bin der Auffassung, dass wir bedürftigen Menschen die Fahrt kostenfrei gestalten müssen. Weil – ich glaube, da sind wir uns alle einig – im Moment ganz viele Menschen in Armut sind, die haben gar kein zusätzliches Geld für irgendwas.
KF: Wir haben das Sozialticket. Das wird dann noch mal angerechnet auf das 49-Euro-Ticket. Wir müssen natürlich sehen, dass wir auch die Ausweitung und den Neubau von Angeboten im ÖPNV, bei Bussen und Bahnen, irgendwie schultern und wir damit einen riesen Sprung machen. Das deutschlandweite 49-Euro-Ticket ist quasi eine Revolution: Digital erhältlich, einfach zu verstehen und wirklich überall damit fahren zu können. Ich glaube, vor drei oder vier Jahren hätte das niemand für möglich gehalten, dass wir dahin kommen. Das hat natürlich eine Debatte angestoßen, noch mal zu gucken, wie ist es eigentlich mit den Bedürftigen, egal welchen Alters und welche Möglichkeiten ergeben sich dann daraus? Schritt für Schritt.
25:03 Hilfen für Bedürftige: Der Hamburger Härtefallfonds und das neue Wohngeld-Plus
KW: Da würden wir sie auch gerne begleiten, daran ist uns sehr gelegen. Denn Betroffene kommen zu uns in die Beratung und sagen oft, dass sie nicht weiter wissen. Eine gute Sache ist natürlich der Härtefallfonds hier in Hamburg, der aufgelegt worden ist. Nur viele wissen nicht ganz genau: „Wie komme ich an das Geld? Bin ich eigentlich betroffen oder habe ich einen Anspruch auf den Härtefallfonds?“ Da wäre es gut, wenn die Bekanntmachung weiter geführt würde.
KF: Da setzen wir natürlich dann auch auf Träger, wie sie – Verbände, Vereine oder Initiativen – diese Botschaft weiterzutragen. Das gilt übrigens auch für das Wohngeld Plus, das seit dem 01.01.2023 in Hamburg und überall in Deutschland greift. Diese Reform führt wahrscheinlich zu einer Verdreifachung der Antragsberechtigten, also von 15.000 bis 17.000 in Hamburg auf knapp 40.000, vielleicht sogar noch etwas mehr.
Wir haben da früh gehandelt, haben jetzt eine zentrale Stelle eingerichtet, die genau diese Anträge, die jetzt schon zu Hunderten und Tausenden seit dem 01.01.2023 eingehen, auch wirklich bearbeiten kann und wird. Das ist, finde ich, mal eine gute Botschaft. Und das sollte auch beworben werden. Alle sollten prüfen, ob sie nicht Wohngeld Plus berechtigt sind. Das wird nochmal eine Entlastung sein, gerade für diejenigen mit kleinem Geldbeutel, die bisher vielleicht davon nicht profitiert haben.
KW: Wir können das jetzt nicht in aller Tiefe besprechen, aber die Behördenmitarbeiter sind an dieser Stelle, aber auch im Grundsicherungsamt oder in der Eingliederungshilfe, sehr stark gefordert. Wir haben die Sorge, dass die Gelder, die die Menschen jetzt brauchen, erst relativ spät ausgezahlt werden.
KF: Wir haben über 100 Personen im Laufe der letzten acht bis zwölf Wochen rekrutiert und eingestellt, die jetzt ihre Arbeit aufgenommen haben. Bei aller Kritik, die man sich natürlich immer anziehen muss als Politikerin in dieser Stadt und damit verantwortlich für große Verwaltungsapparate, denke ich, dass wir hier sehr vorausschauend und schnell waren. Und ich hoffe, dass es schnell bei den Leuten ankommt, die davon profitieren und es brauchen.
27:36 Bürgergeld statt Hartz IV: Die große Sozialreform?
KW: Wir gucken zum Abschluss unseres Gesprächs noch auf das Bürgergeld. Das Bürgergeld gibt es ab dem 01.01.2023 und wird gewissermaßen als die große Sozialreform in diesem Jahrhundert beworben. Wie stehen Sie dazu?
KF: Ich finde, dass es absolut richtig ist, dass wir mit dieser Reform zeigen, dass wir zum einen an die Regelsätze gegangen sind, die eindeutig zu niedrig waren. Ich weiß, da kommen wir wahrscheinlich heute nicht zusammen, weil ich natürlich auch aus Ihren Stellungnahmen und öffentlichen Statements weiß, dass Ihnen die Erhöhung viel zu niedrig ist. Darüber kann man sicherlich streiten. Aber den Einstieg in ein neues System, bei dem es darum geht, auf Augenhöhe und respektvoll miteinander umzugehen. Also ein System, das von einem neuen Geist getragen ist, nämlich nicht von Drangsalierung und Gängelung. Sondern ein System, das sehr viel stärker auf das Förderungselement setzt. Vor allem, wenn es darum geht, Menschen richtig zu aktivieren und mitzunehmen. Für mich ist tatsächlich der Qualifizierungsbereich das Herzstück des Bürgergeldes. Nicht mehr jeden Job annehmen zu müssen.
KW: Ich muss trotzdem an der Stelle noch mal fragen: Wenn wir die Menschen mitnehmen wollen, wofür brauchen sie dann die Sanktionen, die sich gar nicht bewährt haben?
KF: Wir stellen schon fest, dass die Sanktionen bei denjenigen, die sich wirklich hart verweigert haben – das sind einige Wenige und viele andere betrifft das überhaupt nicht – sinnvoll sind. Wenn alle anderen Wege und Gesprächsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, dann ist das ein Weg, von dem ich dann sage, dass ich ihn für richtig halte. Ich glaube, dass durch das Bürgergeld dann auch nochmal eine andere Haltung reinkommt. Das hoffe ich wirklich sehr. Und dass das Thema Sanktionen dann vielleicht gar keine so große Rolle mehr spielen wird. Weil die Menschen, die dann ein ernsthaftes Interesse haben, wieder den Weg in den Arbeitsmarkt zurückzufinden oder sich endlich – nachdem es vorher aus welchen Gründen auch immer nicht geklappt, nicht funktioniert hat – eine Ausbildung öffnen und diese machen. Mein Eindruck ist, dass es viele Möglichkeiten gibt, die dem Bürgergeld als eine der großen, vielleicht die größte Sozial- und Arbeitsmarktreform gerecht werden.
KW: Wir werden uns darüber noch weiter austauschen. Heute war bei uns zu Gast die zweite Bürgermeisterin aus Hamburg, Katharina Fegebank. Herzlichen Dank für das wirklich spannende Gespräch. Bis zum nächsten SoVD-Podcast „Sozial? Geht immer!“ Vielen Dank fürs Zuhören.
KF: Vielen Dank! Hat Spaß gemacht, Herr Wicher.
KW: Vielen Dank – uns auch!