SoVD-Polittalk mit Die Grünen Hamburg
Am 2. März 2025 wählt Hamburg eine neue Bürgerschaft. Doch wie stehen die Kandidierenden und ihre Parteien zur Sozialpolitik? Wir werfen einen Blick in die Wahlprogramme und beleuchten, wie die Weichen für die Zukunft gestellt werden könnten. Immer im Fokus: Soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Chancengleichheit.
Zu Gast ist Michael Gwosdz, MdHB Bündnis 90/Die Grünen. Im Gespräch mit SoVD-Landeschef Klaus Wicher nimmt der Parlamentarische Geschäftsführer und Sprecher für Flucht und Religion Stellung zu den drängenden sozialpolitischen Baustellen der Stadt Hamburg. Er zeigt auf, an welchen Stellschrauben er drehen möchte, um diese zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren und macht Vorschläge für eine soziale Politik, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Blick hat.
01:16 Armut
03:06 Senior:innen
11:36 Stadtentwicklung/Wohnen
17:33 Digitalisierung
20:51 Pflege
24:34 Arbeitsmarkt
27:00 Mobilität
SoVD-Polittalk mit Bündnis 90/Die Grünen zum Lesen
NT: Nicola Timpe
KW: Klaus Wicher
MG: Michael Gwosdz
NT: Der SoVD-Polittalk zur Wahl. Klaus Wicher im Gespräch mit Hamburger Spitzenpolitiker:innen. Am 2. März wird die Bürgerschaft neu gewählt. In unserer Podcast-Reihe zur Wahl fragen wir nach: Wie wollt ihr die sozialen Problemlagen in der Stadt in den kommenden Jahren angehen? Ob Wohnungsnot, Armut oder Pflege – wir wollen Antworten. Sie wollen keine Folge verpassen. Dann abonnieren Sie uns auf den gängigen Podcast-Plattformen. Herzlich Willkommen zu unserem SoVD-Polittalk zur Hamburger Bürgerschaftswahl. Mein Name ist Nicola Timpe.
KW: Mein Name ist Klaus Wicher. Ich bin Landesvorsitzender des SoVD in Hamburg.
NT: Heute zu Gast bei uns ist Michael Gwosdz, Parlamentarischer Geschäftsführer und Leiter des Fraktionsarbeitskreises Soziales und Gesundheit. Sie wohnen in Eidelstedt und kennen die Sorgen der Menschen im Stadtteil. Herzlich willkommen, Herr Gwosdz. Toll, dass Sie da sind.
KW: Auch von meiner Seite herzlich willkommen. Wir freuen uns auf das Gespräch.
MG: Vielen Dank für die Einladung zu Ihnen. Ich freue mich auch sehr auf das Gespräch und auf eine Diskussion über die Herausforderungen auch im sozialen Bereich in den nächsten Jahren in Hamburg.
01:16 Armut
NT: Herr Gwosdz, die Zahl der Menschen in Hamburg, die große Geldsorgen haben, steigt. Wie wollen die Grünen Armut in den nächsten Jahren bekämpfen?
MG: In der Tat gibt es immer mehr Menschen in Hamburg, die in Sorge leben, wie sie ihr tägliches Leben bestreiten können. Das sehen wir auch. Das sehen wir unter anderem daran, dass fast jeder zweite Haushalt in Hamburg inzwischen Anspruch auf eine geförderte Wohnung hat, einen sogenannten Wohnberechtigungsschein. Klingt immer so abstrakt, aber das heißt letzten Endes statistisch sind das Familien, von denen wir eigentlich davon ausgehen, dass sie nicht einfach so aus ihrem Einkommen eine Wohnung bezahlen können. Das ist ein Thema, das uns umtreibt und mehrere Aspekte hat. Ganz vorne dran steht: Wie kann man in Hamburg Wohnen überhaupt bezahlbar machen? Dann gehören dazu noch andere Themen, die wir sicherlich angehen müssen, um zu sehen, wie wir eigentlich unsere ganze Sozialpolitik steuern, die verschiedensten Programme und Instrumente. Greift das alles noch richtig ineinander? Wie hat sich die Lebenssituation entwickelt? Das ist einer der Gründe, warum wir als Grüne die Idee haben zu sagen: Lasst uns in der Bürgerschaft das Instrument der Enquete-Kommission nutzen. Das ist ein besonderer Ausschuss, in dem Politiker, Wissenschaftler und Experten zusammenarbeiten. Wir hatten das schon ganz erfolgreich beim Thema Kinder- und Jugendschutz gemacht, als wir zu viele Fälle von Kindern, die schlecht behandelt wurden in den Familien bis hin zu Kindern, die in ihren Familien gestorben sind, hatten. Um das systematisch einmal aufzuarbeiten: Wie können wir das ganze System besser gestalten? Gerade beim Thema Armut wäre es an der Zeit, dass wir noch einen systematischen Ansatz erarbeiten: Was ist das Konzept Hamburgs zur Armutsbekämpfung in der Bürgerschaft in so einer Kommission?
03:06 Senior:innen
KW: Wir gehen davon aus, dass wir dazu eingeladen werden, dass wir dort im Gespräch bleiben. Wir müssen uns die Armut in Hamburg genauer angucken. Wir haben eine stark steigende Armut in den letzten Jahren, nicht nur seit Corona, sondern auch davor. Die Frage ist: Wie helfen wir den Menschen? Dazu müssen wir uns die einzelnen Bevölkerungsgruppen angucken. Haben Sie Ideen, wie wir zum Beispiel den Senioren helfen können, die von ihrer Rente nicht mehr leben können?
MG: Das ist in der Tat ein Thema. Da gibt es verschiedene Aspekte, die wir immer berücksichtigen müssen. Wir haben gerade selbst als Fraktion eine Veranstaltungsreihe gemeinsam, unter anderem mit dem SoVD gemacht “Was steht mir zu”. Wir erfahren, wie viele Menschen, die schon im Rentenalter sind, Rente beziehen, eigentlich gar nicht um ihre sozialen Rechte wissen. Wo kann ich einen Zuschuss beantragen? Insbesondere beim Thema Wohngeld oder Wohngeld plus. Das ist ein elementares Thema, dass die Leute wissen, welche Möglichkeiten sie haben, um ihr zu geringes Einkommen, ihre zu geringe Rente aufzustocken. Gleichzeitig weiß ich: Es gibt viele Menschen im Alter, die sich ein bisschen dafür schämen, Gelder beim Staat zu beantragen oder die sagen, eigentlich ist mir das zu aufwändig für ein paar Euro. Deswegen müssen wir uns angucken, wo wir bei Senioren möglicherweise gezielt unterstützen können. Wie können wir bestimmte Kosten des täglichen Lebens senken, sodass die Rente dann ausreicht?
KW: Können Sie sagen, welche Kosten das wären? Die Hauptausgaben sind Miete und Lebensmittel.
MG: Bei Lebensmitteln sind die steigenden Lebensmittelpreise ein klares Thema, weil die Energiepreise steigen. Energiepreise wiederum habenauch eine Auswirkung auf das, was ich in meinen Wohnungen zahle durch die Nebenkosten. Sofern es natürlich ein relevantes Thema ist, Energiepreise in den Griff zu bekommen, sodass ich nicht am Ende, um Energiesperren zu vermeiden, nochmal Zuschüsse geben muss, sondern wir müssen gucken, ob es am Anfang günstiger wird. Da spielt der weitere Ausbau von erneuerbaren Energien eine Rolle. Mit dem Ausbau der Fernwärmenetze wird dazu beitragen, dass die Energiekosten sinken. Das ist ein Aspekt, an den ich zum Beispiel ganz konkret denke. Bis das alles geschafft ist, wäre zum Beispiel die Einführung eines Seniorentickets im öffentlichen Nahverkehr eine gute Möglichkeit, um Mobilitätskosten zu senken.
KW: Was stellen Sie sich da so vor? Früher war es so, dass die Senioren ein sehr günstiges Ticket bekommen haben. Ist das auch wieder so in Ihrem Blickfeld, so wie bei den Schülern, das ist kostenfrei.
MG: Ganz kostenfrei wird das sicherlich nicht. Das kann ich nicht garantieren. In der Tat hatten wir früher im HVV durch die 9:00-Uhr-Tageskarte ein vergleichsweise günstiges Angebot, das viele Senioren genutzt haben. Wir denken bei dem Seniorenticket an einen Bereich wie das Azubi- oder das Semesterticket. Die Tickets orientieren sich am Deutschlandticket. Das sind Preise, die ich für durchaus plausibel halte, dass wir das auch für Senioren hinbekommen.
KW: Da freuen sich einige. Das ist eine Zielrichtung, die wir auch unterstützen können. Wobei wir sagen, Bedürftige ganz generell, ob Senioren oder andere Personengruppen, sollten kostenfrei fahren, denn wer bedürftig ist, hat nichts über. Der lebt am Existenzminimum.
MG: Ich würde noch einmal differenzieren. Das Seniorenticket wird hier völlig unabhängig davon, wie meine persönliche Rente ist, für alle greifen. Das andere Thema ist für Menschen, die wirklich in Sozialleistungsbezug leben, in nachgewiesener Armut. Da haben wir mit dem Instrument des Sozialtickets eine andere Preisgestaltung und das versuchen wir stabil zu halten, so dass wir weiter in diesem Bereich 19 bis 20 Euro im Monat mit dem Deutschlandticket fahren können. Das Schülerticket, das jetzt kostenlos ist, insbesondere für Kinder in Armut bedrohten Familien, ist ein ganz wesentlicher Fortschritt. Wir kriegen da immer wieder mit, dass viele Familien das einfach gar nicht wissen, was sie nutzen können.Kostenlose Schülertickets haben tatsächlich dazu geführt, dass ganz viele Kinder in Familien in Armut sich das jetzt auch besorgt haben und selber individuell über ihre Mobilität entscheiden können.
KW: Es gibt eine stark steigende Altersarmut in der Stadt. Immer mehr müssen Grundsicherung beantragen. Da gibt es eine Möglichkeit in den Sozialgesetzbüchern, dass eine Kommune oder ein Land die Grundsicherung im Alter aufstocken kann. Würden Sie diesen Weg auch beschreiten wollen? Das gibt es in München zum Beispiel.
MG: Wir haben uns das Modell des Ortszuschlages in München angeguckt und interessanterweise fehlt in Hamburg die gesetzliche Grundlage, die es in München gibt. Das Gesetz muss erst verändert werden. Lassen Sie mich nochmal zurückgehen auf den Ausgangspunkt. Wie kriegen wir mit welchen Instrumenten es hin, dass wir Armut in Hamburg insgesamt bekämpfen und mit welchen Formen von Angeboten? Dass wir uns das in einer Enquete-Kommission anschauen. Das könnte ein Ergebnis sein, dass tatsächlich das geeignete Instrument ist, auch einen lokalen Zuschlag auf die Grundsicherung zu geben. Es könnte ein anderer Weg sein, dass wir sagen, verschiedene Angebote stellen wir sehr kostengünstig bis kostenlos zur Verfügung, um insgesamt dann die Kosten in Hamburg des Lebens zu senken, ohne dass man wiederum etwas beantragen oder zuschießen muss, weil das natürlich auch immer ein bürokratischer Akt ist.
KW: Es gibt das Konzept der Seniorenzentren in verschiedenen Städten, in Wien, in den Niederlanden, in Skandinavien, um einige zu nennen. Es gibt es auch in München schon seit vielen Jahren und kann in jeder Stadt für sich umgesetzt werden. Wie stehen Sie dazu, auch im Hinblick auf eine seniorengerechte Stadt?
MG: Wir haben in Hamburg auch die Seniorenbegegnungsstätte und ein Schritt, den wir in dieser Legislatur gegangen sind, ist der Einstieg in eine Professionalisierung mit mehr Hauptamtlichen. Das finde ich sehr wichtig, damit die Einrichtungen nicht nur ehrenamtlich getragen werden. Da muss man sicherlich gucken, wie sich diese Begegnungsstätte auch weiterentwickeln können, wie können da noch mehr Angebote angedockt sein? Wie können eventuell auch Vorteile von Digitalisierung genutzt werden in den Verwaltungen, so dass man in entsprechenden Begegnungen Städten ortsnah über die digitalen Angebote der Verwaltung, zum Beispiel auch Anträge bearbeiten kann und dabei Unterstützung bekommt und gar nicht mehr auf ein weiter entferntes Amt muss. Solche ortsnahen Angebote, das wollen wir auch fördern. Wir haben insgesamt die Idee als Grüne, dass wir sagen, wir wollen eine Stadt, in der wir alles, was wir zum Leben brauchen, nicht nur zum täglichen, sondern auch für Ärzte, Verwaltung etc. in einem Umkreis von 15 Minuten um seine Wohnung erreichen können. Ob das ein Seniorenzentrum ist oder insgesamt ein Stadtteilzentrum, wo auch Kinder, Jugendliche und Senioren insgesamt die Einrichtung nutzen können, das finde ich, müssen wir uns dann jeweils gucken, was zum Stadtteil passt?
KW: Das Vorbild gibt es und das Vorbild in München hat sich sehr bewährt und es ist eine Anlaufstation für Senioren.
11:36 Stadtentwicklung/Wohnen
KW: Wir haben den Wohnungsbau, der im Moment ziemlich zum Erliegen gekommen ist, und zwar in allen Facetten. Die Frage ist: Wie schaffen wir es, mehr preiswerten Wohnraum in der Zukunft zu schaffen?
MG: Dazu braucht es ein ganzes Portfolio von Förderinstrumenten in Hamburg. Wir haben uns als Grüne vorgenommen, den klassischen sozialen Wohnungsbau weiter anzukurbeln und mindestens 3500 Wohnungen jedes Jahr zu schaffen. Nicht nur ausweisen, sondern die Wohnungen müssen natürlich auch gebaut werden. Perspektivisch sagen wir deswegen auch 3500, weil es gerade einen Stopp im Wohnungsbau gibt und die Branche auch gar nicht mehr Fachkräfte hat. Wir brauchen wirklich Fördermittel. Wir werden nächstes Jahr die die Förderungen für geförderten Wohnungsbau auf über 800 Millionen Euro ausweiten in Hamburg. Wir haben natürlich auch einen wichtigen Schritt in Hamburg mit der Entscheidung, dass wir in der Verfassung verankert haben, dass öffentliche Grundstücke nicht mehr verkauft werden dürfen, sondern nur noch in Pacht vergeben werden. Die langjährige Pacht ist vor allem attraktiv für Wohnungsbaugenossenschaften, für gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften. Das ist etwas, was Investoren, die eigentlich auf das Grundstück gieren, abschreckt. Damit kriegen wir dann Partner, die auch selber ein eigenes Interesse daran haben, nicht nur Profit aus dem Wohnungsbau zu ziehen, sondern.
KW: Die Genossenschaften wollen das gar nicht. Sie wollen die Grundstücke kaufen, und das hindert im Moment den Wohnungsbau. Trotzdem halten Sie daran fest.
MG: An der Volksinitiative gegen den Verkauf von Grundstücken, die wir hatten, waren Wohnungsbaugenossenschaft beteiligt, die das mit durchgesetzt haben. Da muss ich ehrlicherweise sagen, wir haben das auch auf dem Wege einer Volksinitiative, eines Volksbegehrens, die uns den Auftrag gegeben hat, in der Verfassung verankert. Das würde ich bei der Bedeutung, die so eine breit aufgestellte Bürgerbeteiligung hat, nicht infrage stellen.
KW: Wenn wir mit der Wohnungswirtschaft sprechen, dann sagen die ganz oft, dass die Auflagen zum Klimaschutz den Wohnungsbau verteuern. Wir müssen vor allen Dingen den Bestand, der schon da ist, klimaneutral machen. Das kostet viel Geld. Da das Geld nicht unendlich ist, müssen sie es abziehen. Von dem Bereich, wo sie neu bauen. Wie wollen Sie das für die Zukunft regeln?
MG: Um Klimaschutz bei den Bestandswohnungen zu erreichen, braucht es entsprechende Förderinstrumente, das ist klar. Gleichzeitig gilt natürlich auch, dass eine sanierte Wohnung, die nicht mehr viel Energie verbraucht, natürlich auch für die Nutzer im Bestand dann günstiger ist, weil wir ganz niedrige Energiekosten bekommen. Das sehen wir jetzt schon. Bei Neubau funktioniert das ganz gut. Wenn ich das von vornherein so konzeptionieren kann, habe ich extrem niedrige Nebenkosten. Davon profitieren die Leute, die sich neue Wohnungen leisten können. Die haben dann die extrem niedrigen Energiekosten. Die Leute, die sich keine neue Wohnung leisten können, heizen praktisch gerade noch, wenn sie eine warme Wohnung wollen, auch die Umwelt. Deswegen ist das natürlich ein einseitiger Faktor. Einerseits erhöht das die Kosten durch die Sanierung und gleichzeitig reduziert das natürlich den Faktor Nebenkosten.
KW: Das Hauptproblem sind die Altbauten bei der Sanierung, das geht gar nicht zu 100 Prozent. Dann gibt es Modelle wie Horner Geest beispielsweise, wo das gesamte Umfeld mit in Betracht gezogen wird: Mobilität, Klimaneutralität und viele andere Bereiche. Ist das ein Weg, den Sie beschreiten wollen?
MG: Der Weg zur Klimaneutralität wird nur funktionieren, wenn wir alles in den Blick nehmen und auch das gesamte Umfeld. Dazu gehört natürlich auch: Wie komme ich überhaupt ins Quartier? Wie bewege ich mich dort? Wie wird Mobilität gestaltet? Auch das gehört dazu, wenn wir über Klimawandel und Klimaschutz reden. Das Klima in der Stadt wird sich verändern. Das erleben wir heute schon mit Starkregen, Ereignissen, aber auch mit heißen Sommern. Deswegen gehört natürlich auch dazu, wenn wir über das Thema Wohnungsbau sprechen, dass wir aufpassen müssen, dass wir jetzt nicht einfach nur weil wir Wohnungen brauchen, möglicherweise notwendige Grünflächen, die im Sommer für eine notwendige Abkühlung sorgen, verbauen. Wie bauen wir also das? Wir waren früher ein großer Fan von Verdichtung als Grüne, muss ich auch gestehen. Weil wir immer gesagt haben, da wo schon Leute wohnen, da ist die Infrastruktur, müssen gucken, dass vielleicht noch ein paar mehr Wohnungen oder Häuser entstehen. Inzwischen, aufgrund der Erkenntnisse: die Sommer werden tatsächlich heißer. Wir haben den Klimawandel nicht gestoppt bekommen, müssen wir auch über Verdichtung sprechen. Vielleicht müssen wir eher in Aufstockung gehen oder anderes.
KW: Wir müssen schon gucken, dass wir dort Geschwindigkeit einbringen. Das ist jedenfalls die Aussage der Wohnungswirtschaft. Wie wollen Sie da vorgehen?
MG: Wir stellen fest, zum Beispiel im Bezirk Eimsbüttel, aus dem ich komme. Wir genehmigen sehr viele Wohnungen. Dann liegen die Genehmigungen da und dann passiert jahrelang nichts.Es kann nicht nur am Genehmigungsprozess liegen, dass es lange dauert, bis ein Bauprojekt realisiert wird. Ansonsten gilt natürlich, dass wir auch gucken müssen, welche Auflagen können entbürokratisiert werden. Das gilt vor allem auch für bundesgesetzliche Vorgaben. Da hat sich die Bundesregierung auch auf den Weg gemacht und schon einiges vereinfacht in den Genehmigungsverfahren. Wie viel man dann am Ende durch Digitalisierung auch beschleunigen und effizienter machen kann. Das ist auch eine weitere Debatte.
17:33 Digitalisierung
KW: Das Wichtige ist, dass es immer zwei Problemfelder gibt. Ich kann es nicht und ich kann es mir nicht leisten. Das sind die beiden Haupthemmnisse. Wie wollen Sie es schaffen, dass Sie zwar mehr digitalisieren, aber gleichzeitig auch Sorge dafür tragen, dass die Menschen nicht abgehängt werden? Sie brauchen Beratung vor Ort?
MG: Genau. Digitalisierung ist sicherlich etwas, was vieles einfacher macht, aber auch gegebenenfalls erstmal abschreckt. Ich merke an mir selber, obwohl ich eigentlich ein Digital Native bin und selbst als Netzwerkadministrator auch gearbeitet habe. Es kommen immer wieder Anwendungen, wo ich davor sitze und auch denke: Hä? Wie soll das jetzt funktionieren? Das muss mir dann erstmal jemand erklären. Gleichzeitig weiß ich auch, gerade Senioren sind zum Beispiel eine Gruppe, die auch sehr gerne noch im Alter lernen. Ich habe während des Studiums schon, das ist wirklich lange her eine Frühzeit der Digitalisierung um die Jahrtausendwende Internet Kurse für Senioren eingegeben und sehr viele haben mit etwas Schulung und Geduld das dann auch schon gelernt E Mail Kommunikation zu machen, was damals wohl das A und O war, im Internet zu recherchieren. Deswegen finde ich das auch gut und wichtig, dass auf Initiative meiner geschätzten Kollegin Christa Möller-Metzger in der Bürgerschaftsfraktion auch zum Beispiel Kurse, Lernangebote und Unterstützungsangebote in den Seniorenbegegnungsstätten ausgebaut haben, damit auch Menschen im Alter noch lernen. Wie gehe ich mit den modernen Techniken, mit Digitalisierung um? Der andere Aspekt, wenn ich das noch kurz sagen darf, ist dann, wenn es wirklich um Anträge geht. Das spielt auch eine Rolle. So was wird eigentlich selten genutzt und immer Tools, die man selten nutzt und die selbstverständlich sind, sind erst mal kompliziert. Da, finde ich, brauchen wir tatsächlich auch vor Ort Beratung. Das könnten solche Seniorenzentren, die Sie vorhin angesprochen haben, sein. Das können auch die öffentlichen Bücherhallen sein. Das kann ein Bürgerhaus sein. Wenn man da vor Ort hingehen kann und sagt: Ich setze mich jetzt hier an den Computer mit der Unterstützung von jemandem und geh durch das Antragsverfahren.
KW: Das macht der SoVD auch. Auch stoßen wir an Grenzen. Wie ist das Problem zu lösen, dass ich mir das nicht leisten kann.
MG: Hat jetzt auch wieder unterschiedliche Aspekte. Wenn ich darauf angewiesen bin, Anträge zu stellen bei Behörden, brauche ich Terminals, die zur Verfügung gestellt werden und da kann ich Anträge stellen. Wir sind bei den Bücherhallen inzwischen bei einem mehr oder weniger 24/7 Konzept, das genutzt werden kann. Dort haben wir übrigens auch ein kostenloses WLAN öffentliches, das zur Verfügung steht.
20:51 Pflege
KW: Hamburg wird eine älter werdende Stadt, das ist sichtbar. Das Thema Pflege kommt dann stärker in den Blick. Wir haben da mehrere Probleme. Ein Problem sind die Pflegekräfte und ein zweites Problem sind natürlich die Finanzierung. Im Moment wird die Pflegeversicherung höhere Beiträge brauchen, um klarzukommen. Was glauben Sie, was Hamburg da tun könnte?
MG: Die Pflegeversicherung ist auch nur ein Thema des Bundes. Ich finde, wenn wir überhaupt über Versicherungsprinzip reden, müssen wir auch immer von einer Trennung sprechen. Wir brauchen eine solidarische Bürgerversicherung. Warum wir dann irgendwann immer eine Kappungsgrenze haben bei einem hohen Einkommen, das ist so ein Thema, das müsste man auf Bundesebene angehen. Hamburg selber ist beim Thema Pflegekräfte in der Verantwortung, natürlich dafür zu sorgen, die Stadt so weit attraktiver zu machen, dass überhaupt Menschen hierher kommen. Das spielt eigentlich Themen, die wir vorhin schon diskutiert haben, auch eine Rolle. Wenn ich als Pflegekraft von meinem Einkommen Schwierigkeiten habe, in Hamburg günstigen Wohnraum zu finden, von dem ich dann auch leben kann, dann ist natürlich Hamburg als Standort für Pflegekräfte wiederum weniger attraktiv. Insofern sind wir auch dabei, in Gesprächen mit Pflege Anbietern mit den Großen zu überlegen: Können dort auch auf deren Grundstücken zum Beispiel günstige Wohnungsbau für das eigene Personal werden? Das ist ein Element, wo wir wieder in der Diskussion sind. Ein anderes Thema ist natürlich die ganze Frage. Das habe ich lange selber beruflich begleitet bei der Rekrutierung von Pflegekräften aus dem Ausland, von Auszubildenden und dass wir hier insgesamt auch mehr Angebote und Kurse brauchen in der Begleitung, im Spracherwerb, in der sogenannten Anpassungsqualifizierung, damit sie lernen, wenn sie im Ausland den Abschluss schon gemacht haben. Wie funktioniert das in Deutschland? Da haben wir oft noch zu lange Wartezeiten und zu schleppende Prozesse.
KW: Bei Pflege gibt es eine Möglichkeit, die Hamburg hätte und bis 2010 auch genutzt hat. Das ist die einkommensabhängige Einzelfallförderung. Dort übernimmt die Stadt den Investitionsanteil bei den Zuzahlungen - bzw. hat sie übernommen. Wenn ich in ein Pflegeheim gehe, wenn die Gefahr droht, dass ich in die Grundsicherung abrutsche oder in der Grundsicherung bin. Das hat es gegeben. Warum führen Sie das nicht wieder ein?
MG: Wir versuchen, die Pflegeheime in Investitionskosten zu unterstützen, dass gar nicht so viel umgelegt werden muss.
KW: Das tun sie, aber unzureichend.
MG: Deswegen müssen wir diese Investitionsmittel auch erhöhen, was wir auch tun und tun werden, auch in diesem Haushalt und was sicherlich auch in den nächsten Jahren ein Thema ist. Der andere Punkt ist, da komme ich zurück darauf, dass wir wirklich in einem systematischen Ansatz über eine Enquete-Kommission auch gucken müssen, welche Instrumente insgesamt haben wir zur Verfügung, welche bestehen schon, welche kann man ausbauen und welche fehlen eventuell? Das kann auch ein Aspekt sein. Ich bin ein bisschen skeptisch. Immer wenn man ein weiteres Instrument entwickelt, wo ich wieder individuelle Anträge habe, wo ich Bürokratie habe, wo etwas bewilligt, wo etwas bewilligt werden muss und ausgezahlt werden muss. Das mag möglicherweise einfacher sein, auch für alle und entspannter, wenn es auf anderem Weg genau diese Zuschüsse so gibt, dass man sich den Pflegeplatz und Pflegekosten in einer Einrichtung leisten kann, ohne auf einen Zuschuss angewiesen zu sein. Das muss doch eigentlich das Ziel sein.
24:34 Arbeitsmarkt
KW: Thema sozialer Arbeitsmarkt: Da spielt die kommunale Ebene eine Rolle. Wir haben in Hamburg im Moment sehr viele Langzeitarbeitslose, auch sehr viele Arbeitslose insgesamt. Ist aus Ihrer Sicht denkbar, dass die Stadt mehr Geld in die Hand nimmt als bisher, um zum Beispiel über die Beschäftigungsgesellschaften Beschäftigung für die Menschen, die es nicht einfach auf dem Arbeitsmarkt haben, zu schaffen?
MG: Ich halte das für absolut sinnvoll, dass die Stadt das tut. Wir haben auch immer als Grüne die Idee gehabt, das deutlich auszubauen. Das ist nicht einfach in den politischen Verhandlungen, weil nicht alle davon überzeugt sind. Es gibt da teilweise die Betrachtung, dass der sozialen Arbeitsmarkt eine Sackgasse für die Betroffenen sein könnte und die Träger, die diese Plätze anbieten, ein Interesse daran haben, die Menschen dort zu halten. Ich teile diese Einschätzung überhaupt nicht. Meine Bewertung aus vielen Gesprächen auch mit Betroffenen ist, dass der soziale Arbeitsmarkt erstens eine wichtige stabilisierende Funktion hat, für die Betroffenen selbst wieder in Arbeit zu kommen, eine Aufgabe auch zu haben, das ist auch was Erfüllendes. Es geht nicht nur um ein Einkommen. Das ist wirklich eine ernst zu nehmende Arbeit. Da habe ich Tariflohn und daraus können auch Menschen wieder dann in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt wechseln, auch wenn das nicht alle schaffen. Das ist auch immer klar. Ich finde, das müssen wir auch mit einpreisen, dass natürlich nicht alle unbedingt mehr zurückkehren können auf den ersten Arbeitsmarkt, aber durchaus eine sinnvolle, für sich selbst erfüllende Aufgabe in verschiedenen Einrichtungen haben können. Was ich das Geniale finde bei dem Projekt im sozialen Arbeitsmarkt ist, dass wir in ganz vielen Einrichtungen nicht nur einen Mehrwert für die Menschen, die aus Arbeitslosigkeit kommen, schaffen, sondern auch für die Stadtteile. Wenn es ein Café ist, wenn es Sozialkaufhäuser sind. Das ist etwas, das auch die Infrastruktur vor Ort stärkt. Insofern haben wir eigentlich einen doppelten Gewinn davon. Menschen kommen raus aus Arbeitslosigkeit, aus einer Sackgasse, die in Armut führt und gleichzeitig stabilisieren wir auch neue Strukturen in den Stand.
27:00 Mobilität
KW: Barrierefreiheit im Verkehr. Wo würden Sie da ansetzen?
MG: Der barrierefreie Ausbau von Haltestellen muss abgeschlossen werden. Das ist der eine Punkt. Ein wichtiger Punkt ist auch noch immer: Wie komme ich von der Haltestelle weiter zu meinem Endziel? Da wollen wir durch kostengünstige, autonom fahrende, barrierefreie Kleinbusse ähnlich wie MOIA, es schaffen, dass wir unser Ziel erreichen.
KW: Was wirklich was bringt, ist das, wenn wir die Bahnansagen nicht nur optisch sehen, sondern auch akustisch hören. Wann setzen Sie das um? Das ist eine alte Forderung.
MG: In der S- und U-Bahn höre ich immer die Durchsagen.
KW: Wenn ich blind bin und an einer Bushaltestelle stehe, dann wird das angezeigt. Der nächste Bus kommt so und so in die Richtung. Das muss angesagt werden für Menschen, die nicht sehen können.
MG: Das ist ein guter Hinweis. Die nehme ich gerne mit.
KW: Das sagt ihr Verkehrssenator und seit langer Zeit. Da haben wir die große Bitte, dass da wirklich mal Geschwindigkeit reinkommt. Herzlichen Dank für das Gespräch. Es war sehr interessant und sehr aufschlussreich, auch aus meiner Sicht.
NT: Herr Gwosdz, auch ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie da waren. Vielen Dank für das spannende Gespräch und ich danke auch unseren Zuhörenden.
MG: Ich danke auch für die Einladung und für den wie immer konstruktiven guten Austausch mit dem SoVD und freue mich auf die weitere Zusammenarbeit und die weiteren Diskussionen.
KW: Wir freuen uns ebenfalls und wünschen Ihnen erstmal alles Gute. Bleiben Sie gesund, Herr Gwosdz. Vielen Dank.
MG: Vielen Dank.
NT: Das war der SoVD-Polittalk zur Wahl. Der Podcast des SoVD Hamburg. Abonnieren Sie uns auf den gängigen Podcast-Plattformen. Über eine gute Bewertung würden wir uns freuen. Oder schicken Sie uns Ihr Feedback an info@sovd-hh.de. Wir freuen uns, wenn Sie auch das nächste Mal wieder reinhören. Bis dahin halten wir Sie über unsere Social Media Kanäle auf dem Laufenden oder besuchen Sie unsere Webseite sovd-hh.de.