SoVD-Podcast: Klimaschutz, Mobilität und Wohnen in Hamburg
Welche Herausforderungen kommen auf die Hansestadt und ihre Bürger:innen in Zeiten des Klimawandels zu?
Klimaschutz, Mobilität und Wohnen in Hamburg: Fragen und Inhalte
00:43 Klimaschutz in Hamburg: Eine Bestandsaufnahme
04:55 Lebenswert, sozial und klimafreundlich: Wie verändert sich Mobilität?
07:28 Carsharing, Zubringerdienste, kostenloser ÖPNV: Wie flexibel muss Mobilität in der Zukunft sein?
12:39 Energetische Transformation: Wir brauchen enge Zusammenarbeit
15:58 Sozialer Wohnungsbau und Naturschutz: Wie sieht die grüne Stadt der Zukunft aus?
21:44 Klimaneutralität in Quartieren neu denken
26:13 Klimawandel: Die sozialen Folgen
30:18 Vorbild für Hamburg: Singapur, Modellstadt der Zukunft
Grün und Soziales gehen sowieso zusammen, weil es auch ein Mehrwert für die Menschen ist, wenn sie insgesamt ein schöneres Umfeld haben. Beim Thema Energie muss es natürlich so sein, dass in unserer Gesellschaft den Ärmsten geholfen werden muss. Wenn zehn Prozent unserer Gesellschaft im Prinzip 90 Prozent des Reichtums aufgehäuft haben, dann müssen wir uns auch darüber unterhalten, wie wir in Zukunft auch etwas stärker umverteilen, um denen zu helfen, die es sich nicht leisten können.
“Zu Gast ist Malte Siegert, Vorsitzender des NABU Landesverbandes in Hamburg. Gemeinsam diskutieren wir über lebenswertes Wohnen in der Stadt und darüber, was Hamburg tun kann, um klimaneutrales Leben zu ermöglichen. Wir sprechen über neue Mobilitäts- und Verkehrskonzepte – und wie sich das die Menschen, die wenig haben, leisten können. Eins sollte klar sein: In Zeiten des Klimawandels müssen wir vieles neu denken und umdenken. Die Herausforderungen der Zukunft sind komplex und können nur gemeistert werden, wenn alle im Schulterschluss zusammenarbeiten – Industrie und Wirtschaft, Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbände.
Klimaschutz, Mobilität und Wohnen in Hamburg: Der SoVD-Podcast zum Lesen
SR: Susanne Rahlf
KW: Klaus Wicher
MS: Malte Siegert
SR: “Sozial? Geht immer!” Der Podcast des SoVD Hamburg mit Klaus Wicher und Susanne Rahlf. Einmal im Monat diskutieren wir soziale Fragen und Problemlagen, haken nach und geben Antworten. Immer im Blick: soziale Gerechtigkeit, Teilhabe und Chancengleichheit. Sie wollen keine Folge mehr verpassen. Dann abonnieren Sie uns auf den gängigen Podcast-Plattformen. Herzlich willkommen zu unserem Podcast. Mein Name ist Susanne Rahlf.
00:43 Klimaschutz in Hamburg: Eine Bestandsaufnahme
SR: Herzlich willkommen zu unserem Podcast “Sozial? Geht immer!”. Heute zu Gast ist bei uns Malte Siegert, der Vorsitzende des NABU Landesverband hier in Hamburg. 30.000 Mitglieder gibt es hier in Hamburg, insgesamt eine knappe Million in ganz Deutschland, organisiert und engagiert. Wie geht es dem Klimaschutz gerade? Wie sind wir aufgestellt hier in Deutschland zurzeit?
MS: Ich glaube, wir gehen aktuell schweren Zeiten entgegen. Wir sehen die Haushaltskrise im Bund, die dazu führt, dass vor allem auch Klimaschutzmaßnahmen runtergefahren werden, und das gilt sowohl für den technischen Klimaschutz als auch für die Finanzierung von E-Autos. Es geht auch um das Thema natürlicher Klimaschutz: die Mittel, die eigentlich für das Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz zustande kommen sollten, die dazu geführt hätten, dass Moore renaturiert werden, dass Feuchtwiesen instand gesetzt werden, dass Wälder besser geschützt werden, fehlen. Das wird auch alles heruntergefahren werden und hat dann nicht die Wirkung, die wir uns wünschen, nämlich auch im Naturschutzbereich eine gute Klimawirkung zu haben.
KW: Es geht darum, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, dass die Erhitzung nicht höher ist als 1,5 Grad. Der SoVD unterstützt das. Wir haben eine Beschlussfassung dazu, dass das Ziel erreicht werden soll. Was wäre denn notwendig, jetzt hier aus Hamburger Sicht, um das wirklich zu schaffen?
MS: Das Hamburger Klimaschutzgesetz müsste mit dem des Bundes in eine Reihe gestellt werden. Es gibt unterschiedliche Arten und Weisen, wie Klimawirkungen berechnet werden. Es wurden unterschiedliche Sektoren aufgemacht, die nicht kompatibel sind mit dem, was auf Bundesebene versucht wird, umzusetzen. Das führt schon nicht dazu, dass alle über das Gleiche reden. Wir müssten eigentlich unsere 16 Klimaschutz-Gesetzgebungen in den Ländern mit denen des Bundes gleich bekommen. Nur dann kannst du am Ende des Weges ja wirklich wissen, ob deine Maßnahmen, die du machst, Wirkung zeigen. Das beeinflusst auch das Budget, welches die Länder erhalten können und ob die Ziele erreicht werden. So wie das aktuell funktioniert, auch hier in Hamburg, kann es gar nicht funktionieren und insofern ist das ein ganz großes Defizit. Hamburg war eigentlich mal Vorreiter mit seinem eigenen Klimaschutzgesetz und fällt jetzt nachher hinten etwas runter, weil Hamburg es nicht geschafft hat, das vernünftig hinzubekommen.
KW: Die Thematik mit den 16 Bundesländern und dem Bundesverband, das leuchtet ein, dass das sehr schwierig ist oder vielleicht gar nicht möglich ist, die sozusagen in eine Richtung zu bringen. Woran liegt das, dass Hamburg jetzt so zurückfällt?
MS: Die Grünen sind mit in der Regierung, aber wie wir wissen, ist natürlich ein kleiner Koalitionspartner immer nur so stark, wie er eben stark ist und kann sich unter Umständen auch in Bezug auf bestimmte Dinge nicht so durchsetzen.
KW: Die Grünen haben den Umweltsenator und den Verkehrssenator. Da wurde Wert darauf gelegt, dass genau diese Positionen bei den Grünen sind.
MS: Wir können sagen, dass bestimmte Verantwortung nicht bei den Landesverkehrsministern liegen, sondern beim Bundesverkehrsminister. Wenn es zum Beispiel darum geht, dass wir in Hamburg noch eine Autobahn bauen, dann liegt die Entscheidung beim Bund. Wobei wir uns natürlich auch hier in Hamburg stärker für keine zusätzliche Autobahn einsetzen könnten, weil wir eine Transformation unseres Verkehrssektor haben wollen. Wir setzen uns beim Bund dafür ein, dass bestimmte Dinge nicht mehr passieren. Das wird bei den Autobahnen nicht gemacht. Ich muss leider sagen, dass wir in Hamburg sehr konservative Grüne und eine sehr konservative SPD haben. Das führt im Großen und Ganzen jetzt nicht wirklich zum ganz großen Wurf.
04:55 Lebenswert, sozial und klimafreundlich: Wie verändert sich Mobilität?
SR: Die Herausforderungen sind in Flächenländern anders als hier in der Stadt. Womit hat Hamburg denn besonders zu tun? Oder was macht Hamburg besonders, um das zu schaffen?
MS: Wir können ganz viel machen beim Thema Verkehrspolitik. Wir haben in Hamburg über 800.000 angemeldete PKW. Da geht es um die Frage, wer welche Flächen in Anspruch nehmen darf. Das betrifft auch ganz viele soziale Fragen. Wie wird der öffentliche Raum eigentlich genutzt? Welche Menschen haben überhaupt einen Ort? 50 Prozent der Hamburger haben gar kein Auto und müssen damit umgehen, dass die anderen 50 Prozent alles voll packen. Das bestimmt auch die Direktion der Stadt, die eine autofreundliche Stadt ist, die sich in den 70er Jahren mal so überlegt wurde. Da müssen wir natürlich umbauen. Das hat mehrere Auswirkungen auf der einen Seite auf die Frage, wie viel CO2 wird emittiert, aber auch auf die Frage, wie viel Raum schaffen wir für Menschen, um eine lebenswerte, klimafreundliche Stadt zu organisieren. Das muss meiner Wahrnehmung nach noch deutlich mehr nach vorne gebracht werden, das ist weit entfernt von gut.
KW: Lebenswert ist auch, wenn ich Mobilität gut machen kann, also von A nach B fahren kann. Da gibt es ganz viele Klagen über den ÖPNV hier in Hamburg. In Hamburg kann auf die Hochbahn und die Busse Einfluss genommen werden. Warum ist das so schlecht?
MS: Tja, da bin ich, glaube ich, der falsche Adressat. Das musst du eigentlich die Verkehrsbehörde fragen. Ich würde mir auch wünschen, dass die Mittel natürlich deutlich stärker dahin gehen, wo sie wirklich benötigt werden. Wir haben lange die Frage gehabt über das Thema Stadtbahn. Wie kann man schnell eine Veränderung in der Hamburger Mobilität hinbekommen? Das wäre eine kostengünstige und schnelle Möglichkeit gewesen. Jetzt bauen wir die U5, die wahrscheinlich Ende der dreißiger Jahre fertig ist. Das dauert noch sehr lange, bis sich die Wirkung entfaltet, und zwar sowohl in Bezug auf den Umstieg der Nutzung von Mobilität als auch in eine klimafreundliche Möglichkeit zu transportieren. Weil erst mal bindet sie auch wahnsinnig viel CO2 bei der Herstellung. Denn natürlich sind das alles Bauwerke, die aus extrem viel Beton und Zement bestehen. Das ist natürlich jetzt auch gerade in einer Zeit, wo wir uns darüber unterhalten, wie wir die Klimawirkung sozusagen reduzieren. Da wäre eine Stadtbahn eigentlich eine schnellere, bessere, einfachere Möglichkeit, das zu organisieren für Hamburg.
07:28 Carsharing, Zubringerdienste, kostenloser ÖPNV: Wie flexibel muss Mobilität in der Zukunft sein?
KW: Wir haben einen Vorschlag dazu gemacht, die Stadtbahn im Süden über die Elbbrücken, um dort schneller voranzukommen. Das wird im Moment jedenfalls nicht weiter verfolgt.
Für ältere oder behinderte Menschen sind flexible Zubringer wie MOIA super. Nur MOIA ist auch nicht praktisch und fährt nicht dahin, wo man gerade steht, kostet in den Zeiten, wo viel zu tun ist, mehr als zu anderen Zeiten, und MOIA fährt beispielsweise auch nicht in ganz Hamburg. Wir sind sehr dafür, dass solche flexiblen Möglichkeiten geschaffen werden. In Finkenwerder zum Beispiel gibt es nur noch einen Facharzt. Wenn ich zu einem anderen Facharzt will, muss ich mit dem Bus weit hin- und zurückfahren. Busse fahren abends nicht so oft. Das ist für ältere Menschen, für behinderte Menschen, für Frauen mit Kindern oder Männer mit Kindern nicht so ganz einfach. Wäre es da nicht sinnvoll, solche flexiblen Systeme besser und flächendeckender einzuführen? Es gab mal ioki, das wurde aus Osdorf und Lurup weggenommen. Da hat es sich bewährt und es fährt jetzt irgendwo im Süden. Wir fragen uns immer, was soll das?
MS: Es ist geplant, dass MOIA ausgeweitet werden soll und das ist auch gut. Es soll auch in bestimmten Bereichen und dann irgendwann auch mal flächendeckend in Hamburg den HVV ergänzen, wenn der HVV selbst nicht mehr fährt. Oder dass MOIA nachts fährt, wenn ein Bus nicht so voll ist. Da fahren drei Leute in einem großen Linienbus. Das ist auch nicht sinnvoll. Dann wurde MOIA als Alternative eingeführt, das wird in einigen Bereichen ausprobiert.
Es soll flächendeckend gemacht werden. Das ist dann nur sinnvoll, wenn gleichzeitig dafür gesorgt wird, dass insgesamt der motorisierte Individualverkehr in der Stadt heruntergefahren wird: Mehr Carsharing als der motorisierte Individualverkehr, wo jeder immer denkt, er müsse sein eigenes Auto noch fahren. Das ist aus unterschiedlichen Gründen kontraproduktiv. Vor allem innerhalb vom Ring 2, außerhalb vom Ring 2 ist das manchmal noch ein bisschen anders, weil da die Versorgung nicht so gut ist. Da müssen wir auch anerkennen, dass es dort noch keine Alternativen gibt und ganz darauf zu verzichten. Ich finde, hier innerhalb des Ring 2 müssen wir deutlich rigider sein und sich auch trauen, stärker den Verkehr zu begrenzen. Dann würden die anderen Systeme nachkommen. Woran sind denn die Carsharing-Aktivitäten gescheitert? Sie sind daran gescheitert, dass der motorisierte Individualverkehr nicht gleichzeitig begrenzt wurde, sondern es wurde alles zusätzlich gemacht. Wenn das andere aber nun mehr oder weniger freiwillig ist, dann funktioniert das nicht. Es muss die einzige Alternative sein, dann wird es auch genutzt.
KW: Ich würde gerne noch mal auf die sozialen Probleme zu sprechen kommen. Nach unseren Recherchen gibt es in Hamburg eine steigende Zahl von Menschen, die in Armut leben oder zumindest von Armut bedroht sind. Das sind nicht wenige. Denen müssen wir natürlich Mobilität ermöglichen, damit Sie zur Arbeit oder auch zum Arzt und andere Wege fahren können. Da sagen wir, für Bedürftige sollte, auch aus Umweltgründen, der HVV kostenfrei sein. Das setzen wir im Moment nicht um. Wäre da der NABU an unserer Seite?
MS: Absolut! Es gibt auch schon ein paar Städte in Europa, die mittlerweile den ÖPNV kostenfrei zur Verfügung stellen. Das wäre natürlich die beste Möglichkeit. Wir kappen quasi mehr oder weniger möglichst den motorisierten Individualverkehr. Ihr habt hier eine Alternative, die ist sogar kostenfrei. Das würde auch dazu führen, dass mehr Menschen den ÖPNV benutzen. Das haben wir auch beim Deutschlandticket gesehen. Es wäre eine Chance, das noch deutlich größer ausrollen.
Es bedeutet auch, dass wir gleichzeitig garantieren müssen, dass der ÖPNV auch funktioniert. Wir sehen vor allem, dass es im Hamburger Süden immer noch schwierig ist und die Elbbrücken bleiben da weiter auch ein Nadelöhr und wenn an irgendeiner Stelle irgendwas nicht funktioniert, dann hast du plötzlich keinen vernünftigen Verkehr mehr in Hamburg. Das darf es natürlich auch nicht sein. Das heißt, wir brauchen solide Systeme und wir brauchen Alternativen. Dazu gehört unter Umständen auch mal die Debatte um das Thema Stadtbahn in bestimmten Bereichen, weil die Stadtbahn das abfedern könnte, falls andere Systeme ausfallen.
12:39 Energetische Transformation: Wir brauchen enge Zusammenarbeit
KW: Hier wird deutlich, dass Soziales und Ökologie oder Klimaschutz zusammengehören. ÖPNV und Kostenfreiheit können zusammengebracht werden, wobei wir Kostenfreiheit nur für Bedürftige fordern. Wir dürfen die Haushalte nicht zu sehr überstrapazieren.
Die Energiepreisbremse ist ganz plötzlich Ende des Jahres 2023 ausgesetzt worden. Die Menschen haben damit gerechnet. Menschen, die wenig Einkommen haben, werden jetzt Schwierigkeiten haben. Wir sagen, auch hier verbinden wir Klimaschutz zusammen mit sozialer Gerechtigkeit.
MS: Ich glaube, wir haben da überhaupt keinen Dissens. Ich glaube, das ist die große Chance, auch mit den Sozialverbänden und den Umweltverbänden zusammenzustehen und zu sagen, wir können das Ganze sowieso nur zusammendenken. Das gilt für die energetische Transformation auch im Gebäudesektor. Es geht auch um die Frage: Wie gestalte ich zum Beispiel Wohnanlagen? Welche ökologische Entwicklung kann ich in Wohnanlagen haben? Wie viel interessanter macht es das auch für die Menschen, die dort wohnen? Grün und Soziales gehen sowieso zusammen, weil es auch ein Mehrwert für die Menschen ist, wenn sie insgesamt ein schöneres Umfeld haben. Beim Thema Energie muss es natürlich so sein, dass in unserer Gesellschaft den Ärmsten geholfen werden muss. Wenn zehn Prozent unserer Gesellschaft im Prinzip 90 Prozent des Reichtums aufgehäuft haben, dann müssen wir uns auch darüber unterhalten, wie wir in Zukunft auch etwas stärker umverteilen, der Fairness wegen, um denen zu helfen, vor allem in dieser Gesellschaft, die es sich nicht leisten können, obwohl sie ja teilweise noch fleißig arbeiten gehen und trotzdem nicht genug Geld mit nach Hause tragen, dass sie sich all das leisten können.
KW: Da sind wir gemeinsam unterwegs. Umverteilung ist ein Thema, das wir auch, schon bevor die Debatte zum Klimaschutz so richtig Fahrt aufgenommen hatte, immer drauf hatten, um die sozialen Probleme im Land zu lösen. Es ist schwierig mit der Wirtschaft, die muss umgebaut werden. Das Klimaziel muss erreicht werden. Ich habe so das Gefühl, dass Umwelt- und Sozialverbände sich sehr nah sind.
MS: Ich glaube auch, und das nehme ich auch so wahr, obwohl wir früher eher so einen Graben hatten, dass immer versucht wurde, das Soziale gegen das Ökologische auszuspielen. Ich glaube, das haben wir mittlerweile überwunden. Das merken wir, da wir mit den Gewerkschaften, Sozialverbänden oder Umweltverbänden zusammen einen Schulterschluss haben und sagen: Das eine muss mit dem anderen gehen, weil alle erkannt haben, Klima ist ein wichtiges Thema. Das Thema Biodiversität ist auch wichtig. Es ist wichtig, auch unsere Natur zu schützen, weil sie uns kostenfreie sogenannte Ökosystemdienstleistungen bietet, wie saubere Luft, sauberes Wasser, was gefiltert wird durch Moore und durch Wälder. Das sind einfach Leistungen, die wir brauchen, auf die wir angewiesen sind. Deswegen sind wir da glaube ich auch ganz dicht beieinander, dass das sowohl ein ökologisches als auch ein soziales Thema ist, das wir in Zukunft auch noch sauberes Wasser haben.
15:58 Sozialer Wohnungsbau und Naturschutz: Wie sieht die grüne Stadt der Zukunft aus?
SR: Darum geht es mir jetzt auch noch mal, weil letztendlich leben wir in einer Stadt und das müssen wir miteinander vereinbaren mit Klima und Naturschutz. Wir haben hier unter anderem ein sehr großes Wohnungsproblem. Die Stadt muss deutlich mehr sozialen Wohnungsbau betreiben. Das kollidiert dann wiederum mit der Forderung des NABU, zum Beispiel die Flächenverdichtung nicht weiter voranzubringen. Die halbe Stadt ist schon zubetoniert und soweit ich das verstanden habe, will der NABU ja nun auch die restlichen Flächen so weit schützen, wie es irgendwie möglich ist. Wie kann das zusammengebracht werden? Auf der einen Seite den Bedarf Sozialwohnung und günstigen Wohnraum herzustellen und auf der anderen Seite die Natur zu schützen?
MS: Wenn wir die Stadt noch weiterentwickeln, was sinnvoll ist, und nicht ins Umfeld gehen, brauchen wir eine sogenannte doppelte Innenentwicklung. Wir müssen innen nachverdichten, müssen gleichzeitig dafür sorgen, dass wir auch für die Menschen dann wieder qualitativ attraktive Erholungsräume haben. Das bedeutet eine grüne Entwicklung genauso wie auch Sportstätten und diese ganzen anderen Sachen. Wir müssen gucken, wo wir in der Stadt wohnen. Wenn wir jetzt eine Situation haben, dass im Hamburger Hafen die Container Umschläge auch dauerhaft niedrig bleiben werden und auch nicht die Entwicklung haben werden, wie der Senat immer gesagt hat, dass sie kommen wird, dann müssen wir uns auch darüber unterhalten, welche Flächen aus dem Hafen sich zum Beispiel noch eignen, um sie für Stadtentwicklung zu nutzen. Da geht es ganz stark um das Thema im östlichen Bereich, wo jetzt in Teilen auch auf dem Kleinen Grasbrook Bebauung kommt. Da können in dem südwestlichen Teil noch 20.000 Menschen angesiedelt werden. Wir können aber auch darüber nachdenken, ob die Hamburger Messe direkt mitten in der Stadt sein muss oder ob die Messe verlegt werden kann. Zum Beispiel auch Richtung Landungsbrücken, da gibt es eine gute Anbindung mit ÖPNV und allem Drum und Dran. So können wir sagen, wir machen in der Stadt ein großes Stadtentwicklungskonzept. Das wäre ja auch eine Möglichkeit. Ich glaube, wir müssen in Zukunft noch ein bisschen kreativer werden und wir können viele Flächen nutzen, die heute schon genutzt werden, damit die grüne Umgebung nicht angetastet wird.
Ich glaube, wir müssen noch eine andere Debatte stärker führen. Wir haben viele Menschen, die heute, auch noch wie meine Mutter, die eine große Wohnung bewohnen, zum Beispiel 120 Quadratmeter, aber sich nicht hat umziehen können, weil für alles, was die Hälfte gewesen wäre, hätte sie fast schon mehr bezahlt, wenn sie ihre Nachbarschaft nicht hätte verlassen wollen. Wir müssen uns über andere Modelle unterhalten, wie wir auch Wohnraum neu betrachten und bewerten und wie wir in Zukunft zum Beispiel auch flexibler bauen. Wie wir nicht mehr feste Wohnungen bauen, sondern wie wir modular bauen oder um eine Wohnung mit zwei Wohnungseingängen bauen, die dann, wenn die Kinder ausgezogen sind, geteilt werden kann. Wir müssen viel kreativer sein, was Stadt- und Wohnungsentwicklung angeht, um immer wieder auch zu justieren. Menschen, die dann in eine kleinere Wohnung ziehen wollen, in ihrem Stadtteil bleiben können, in ihrem sozialen Umfeld und trotzdem dann aber auch anderen dann wieder die Möglichkeit geben, mit Kindern dann größere Wohnungen zu beziehen. Ich glaube, da sind wir komplett unkreativ.
KW: Das sehen wir so nicht, sondern die Dinge, die du angesprochen hast, die bewegen sich. Die Stadtentwicklungssenatorin hat ein Modell entwickelt und die Saga GWG bietet das in ihrem großen Wohnraum sozusagen an. Ich glaube, sie haben 143.000 Wohnungen. Da funktioniert schon einiges. Das Hauptproblem, was wir sehen, ist, dass es viele Menschen gibt, die bei preiswerten Wohnraum unversorgt sind. Wir haben Flüchtlinge, wir haben Menschen, die aus der Ukraine herkommen. Das schaffen wir alles menschenwürdig im Moment gar nicht. Das heißt, wir müssen an irgendeiner Stelle auch mal was Größeres machen. Das heißt, wir brauchen auch Neubau, der dann ökologisch oder klimaschonend ist. Das, was du da aufgezählt hast, das wird nicht reichen.
MS: Ich sag mal so, die Stadt sagt selber, dass im Prinzip Oberbillwerder jetzt erst mal das letzte große Projekt ist. Dann kommt noch Fischbeker Weg im Hamburger Süden. Das ist auch ein Projekt, das umgesetzt wird. Wir hätten uns gewünscht, dass das etwas ökologischer umgesetzt wird und auf den Gewerbegebiets Anteil vor allem bei den Fischbeker Räten verzichtet. Das will die Stadt nicht machen. Wir wenden uns an dieser Stelle gar nicht gegen den Wohnungsbau, zumal wir auch sagen, dass es an sich richtig ist, die Stadt entlang der Verkehrsachsen zu entwickeln. Da haben wir auch eine Anbindung an die S-Bahn. Insofern ist das an der Stelle auch gar nicht so vernünftig. Oberbillwerder auf der grünen Wiese fanden wir nie so gut und ich meine, wir müssen anerkennen, dass wir auch eine Biodiversitätskrise haben und dass wir natürlich immer sagen können: Ja, wir brauchen das jetzt. Wenn wir nicht gleichzeitig überlegen, wie wir Tiere und Arten schützen, jetzt nicht aus ethischer Perspektive, sondern auch mit Blick auf die Frage, ob das für unser Leben als Menschen auf diesem Planeten essentiell wichtig ist, dann wird es wirklich schwierig. Bis jetzt ist es immer ein bisschen unterbewertetes Thema und das ist halt unsere Aufgabe, auch den politischen Akteuren gegenüber deutlich zu machen, dass das Thema Biodiversität jetzt nicht Gedöns ist, sondern dass es für das Überleben des Menschen auf diesem Planeten essentiell ist. Wenn wir jetzt mal sagen, in der Landwirtschaft ist es natürlich mittlerweile so, dass wir durch die industrielle Landwirtschaft eine derartige Schädigung auch der Biodiversität im ländlichen Raum haben. Dann entwickeln sich Städte immer stärker zu Hotspots der Biodiversität. Das ist schon mal ein Witz, wenn wir uns überlegen, dass wir heute eine höhere Dichte an Arten und Pflanzen haben als im ländlichen Raum, da wo wir das eigentlich vermuten sollten.
21:44 Klimaneutralität in Quartieren neu denken
KW: Der Wohnungsbau stockt: Es wird nicht gebaut, weil es alles teurer geworden ist. Dazu zählen übrigens auch die Auflagen, die erfüllt werden müssen, um dem Klimaschutz gerecht zu werden. Es gibt Modelle wie zum Beispiel Horner Geest, da hat die Saga einen größeren Wohnungsbestand und dieses Quartier der Horner Geest soll klimaneutral werden.
Wir müssen gucken, was wir beim Bauen besser machen können, aber auch was wir beim Verkehr oder der Energieversorgung machen müssen. Ist das ein Weg, eine Stadt oder Quartiere klimaneutral zu gestalten?
MS: Das ist die Idee, wie wir das auf dem Kleinen Grasbrook machen wollen. Ich glaube, dass wir natürlich heute mit dem Blick auf die Wirkungen, die gerade in den Sektoren Verkehr und Gebäude erzielt werden, und die Potenziale, die da drinstecken, das ganzheitlich betrachten müssen. Wie komme ich dahin? Wie organisiere ich so einen Stadtteil autoarm? Welche anderen Möglichkeiten für Carsharing-Angebote, Fahrradausleih für Lastenräder gibt es? Was denke ich da alles mit? Das ist heute mittlerweile schon ein integraler Bestandteil von Stadtentwicklungsdenken.
Das modulare Bauen ist immer noch punktuell und muss eigentlich viel stärker noch ausgerollt werden, auch im Bestand. Da lassen sich durchaus Möglichkeiten nutzen, im Bestand Wohnungen neu zu gestalten. Das setzt auch voraus, dass dann diejenigen, denen die Wohnungen gehören, mitspielen. Es gibt immer noch viele privatwirtschaftliche Besitzer, denen viele Wohnungen gehören. Denen müssen wir helfen, das zu machen, denn so viel ist nicht im öffentlichen Bestand, wo die Stadt selber darüber entscheiden kann, wie sie damit umgeht. Das ist nicht wie in Wien, wo 70 Prozent des Bestandes der Stadt gehören, wo sich eine ganz andere Möglichkeit ergibt, Stadtentwicklung zu betreiben, Preispolitik zu machen und Mieten in einem bestimmten Rahmen zu halten. Das wurde hier in Hamburg lange Jahre verschlafen, weil der Bestand verkauft wurde.
KW: Wobei die Saga GWG den größten Wohnungsbestand, den eine Stadt oder ein Land auch in Deutschland hat. Das könnte mehr sein. Da sind wir ganz bei dir. Das zweite sind die Genossenschaften. Dann gibt es sozial verpflichtete Wohnungsbaugesellschaften. Wenn wir das alles zusammennehmen, dann kommen wir in Hamburg auf eine Größenordnung von 300.000 Wohnungen. Wir müssen nur darauf dringen, dass Wohnungen auf keinen Fall privatisiert oder verkauft werden.
MS: Da sind wir uns auf jeden Fall einig. Wir müssen auch genau darauf achten, dass keine privatwirtschaftlichen Akteure mit Gewinnmaximierungsideen durch die Gegend gehen und eine maximale Dichte an Bebauung wollen, damit sie maximal viel Geld verdienen. Es muss in Einklang gebracht werden, sodass eine Stadtentwicklung mit sozialverträglichem Wohnen entsteht, wozu ich auch einen angemessenen grünen Anteil für ein Quartier sehe.
KW: Das hat einen Erholungswert. Menschen, die wenig Geld haben, haben auch nicht so viel Geld zu verreisen, sondern müssen sich vor Ort erholen. Da sind wir nah beieinander.
MS: Ich glaube, wenn ich das so sagen darf, da kommen wir nochmal das Thema Stadtklima auch dazu. Wir haben zunehmenden Temperaturen, auch in den Städten, auch in den Sommern. Hamburg ist schon insgesamt noch eine grüne Stadt. Die Natur ist vielerorts bedroht. In manchen Quartieren, die sich jetzt entwickeln, muss schon darauf geachtet werden, dass das Stadtklima auch adäquat mitgedacht wird. Für die Menschen in der Stadt ist es wirklich enorm wichtig, in Zukunft diese Kühlung zu haben.
26:13 Klimawandel: Die sozialen Folgen
KW: Menschen, die in der Gesellschaft abgehängt sind, suchen nach Auswegen. Sie wenden sich auch politischen Gruppierungen zu, von denen sie sich erhoffen, wenn sie etwas zu sagen haben, wird es besser. Es gibt politische Gruppierungen, die bestreiten, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Da sind wir der Auffassung, das müssen wir aufklären. Wir sind schon der Auffassung, dass der Wandel des Klimas viel damit zu tun hat, beispielsweise bei der Produktion. Umweltverbände und Sozialverbände, aber auch andere Gewerkschaften, müssen an einem Strang ziehen.
MS: Das denke ich auch. Ich glaube, das große Problem ist, dass die Welt wahnsinnig komplex ist und wir natürlich immer die Gefahr haben, dass manche Parteien dazu tendieren, mit sehr einfachen Antworten Menschen zu beruhigen. Wir müssen es schaffen, als Sozial- und Umweltverbände diese komplexen Themen, mit denen wir uns auseinandersetzen, so aufzubauen und auch so zu transportieren, dass die Menschen sie noch verstehen.
KW: Es geht auch immer um die Zukunftsperspektive. Ich muss in dieser Gesellschaft vor dem Hintergrund meiner Einnahmen, meines Lebensstandards, eine Perspektive sehen, dass ich nicht nur über die Runden komme, sondern mich auch weiterentwickle. Das ist eins der sozialen Themen, wo wir der Auffassung sind, dass es im Moment nicht gut gelingt, dem Menschen zu sagen: Guck mal, wenn wir diesen Weg gehen, den wir jetzt gehen, dann nehmen wir dich mit und du wirst auch eine bessere Lebensperspektive haben. Da finde ich, da müssen wir sehr viel stärker auf die Politik zugehen.
MS: Wir müssen auch noch mal ein bisschen erklären, was denn eigentlich eine bessere Lebensperspektive ist. Ist Lebensperspektive nur, dass ich mir mehr kaufen und leisten kann? Oder ist die gute und bessere Lebensperspektive, dass wir lebenswerte Städte haben, dass wir begrünte Städte haben, auch das ist eine positive Perspektive. Ich glaube, wir müssen insgesamt ein bisschen davon wegkommen, dass die reine Frage des Konsums das hauptbestimmende Merkmal ist für Qualität. Wir müssen gucken, dass wir unterschiedliche Aspekte auch noch mit nach vorne bringen, die für die Menschen auch einen Mehrwert haben, den sie vielleicht so noch gar nicht gesehen haben.
KW: Da sind wir uns einig. Wenn ein Mensch nicht über den Monat kommt, sind da existenziell begründete Probleme und da müssen wir ansetzen. Umweltschutz geht nur, wenn wir den Menschen eine Perspektive geben. Es geht darum, dass das, was ich brauche und vielleicht ein bisschen mehr, auch zur Verfügung habe. Ich glaube, das sichert auch unsere Demokratie.
MS: Ich habe das auch gar nicht bezogen auf diejenigen, die am bedürftigsten in unserer Gesellschaft sind. Das ist völlig unstrittig. Wir müssen zu einem System kommen, das die Bedürftigen unserer Gesellschaft so adäquat ausgestattet, dass sie auch soziale Teilhabe haben, dass sie sich genauso leisten können, ins Theater oder ins Kino zu gehen, dass sie teilnehmen können. Das andere bezieht sich eher auf eine Gesamtidee. Was ist eigentlich wichtig für die Zukunft? Ich glaube, da brauchen wir einen Perspektivwechsel, wie wir insgesamt aktuell gesellschaftlich funktionieren.
30:18 Vorbild für Hamburg: Singapur, Modellstadt der Zukunft
SR: Was ich aus dieser Diskussion sehr schön herausgehört habe, ist tatsächlich, dass es für Menschen deutlich leichter ist, Klima- und Umweltschutz zu betreiben, die finanziell besser situiert sind, als für Menschen, deren Lage sozial sehr stark angespannt ist. Eine letzte Frage habe ich noch: Gibt es eigentlich ein Vorbild, eine Stadt, die das schon umsetzt? Das, was wir für Hamburg eigentlich brauchen?
MS: Ja, zum Beispiel Singapur. Singapur ist die Modellstadt, die heute schon zeigt, wie wir Städte der Zukunft entwickeln und bauen müssen. Sowohl im Neubau als auch im Bestand. Da geht es um das Thema Fassadenbegrünung, Stadtbegrünung insgesamt, weil erkannt wurde, dass es einerseits für die soziale Perspektive wichtig ist, aber dass es eine unglaublich positive Wirkung für die Temperaturen gerade in Megastädten hat. Hamburg ist noch keine Megastadt, aber mit zwei Millionen Einwohnern auch nicht ganz klein.
SR: Viele spannende Dinge, die in der Zukunft auf uns warten. Auf Hamburg und auf uns alle hier in der Stadt. Malte Siegert, vielen Dank, dass du da warst. Ich wünsche dir für das kommende Jahr ganz viel Erfolg. Es sind viele Herausforderungen, die auch auf den NABU zukommen und natürlich auch auf den SoVD hier in Hamburg.
MS: Danke, dass ich da sein durfte.
KW: Ich schließe mich diesen Wünschen an und wünsche dir vor allen Dingen eine gute Gesundheit im neuen Jahr.
MS: Vielen Dank euch auch.
KW: Dankeschön!
SR: Das war “Sozial? Geht immer!” Der Podcast des SoVD Hamburg. Abonnieren Sie uns auf den gängigen Plattformen und wenn es Ihnen gefallen hat, geben Sie uns dort gerne eine gute Bewertung ab. Oder Sie schicken uns Ihr Feedback an info@sovd-hh.de. Wir freuen uns, wenn Sie auch das nächste Mal wieder reinhören. Bis dahin halten wir Sie auf unseren Social-Media-Kanälen auf dem Laufenden oder besuchen Sie unsere Webseite sovd-hh.de