Koalitionsvertrag
Erste Bewertung des SoVD zum Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode
„Ein neuer Aufbruch für Europa. Eine neue Dynamik für Deutschland. Ein neuer Zusammenhalt für unser Land.“
I. Zusammenfassung
Der SoVD vertritt die sozialpolitischen Interessen der gesetzlich Sozialversicherten, der Rentnerinnen und Rentner sowie der behinderten, der kranken und der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland. Menschen, die soziale Unsicherheit und Ungerechtigkeit erleben, stehen im Zentrum seiner Arbeit.
Vor diesem Hintergrund fällt die Bewertung des Koalitionsvertrages zwischen CDU, CSU und SPD ambivalent aus. Der Vertrag enthält eine Vielzahl sehr kleinteiliger und technischer Einzelmaßnahmen. Der SoVD erkennt an, dass dabei in einigen Politikfeldern richtige Schritte vereinbart wurden, die die Lebenssituation der vom SoVD vertretenen Menschen verbessern können. Etwa bei der Kinderbetreuung, der Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit, der Verbesserung der Personalsituation in der Pflege, der Einschränkung sachgrundloser Befristungen, der Gesundheitsversorgung auf dem Land oder der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Allerdings bleiben die vereinbarten Maßnahmen vielfach hinter dem Notwendigen zurück. Es wird weiterhin keine Abkehr vom gescheiterten Drei-Säulen-Modell in der Alterssicherung und eine Rückkehr zur Lebensstandardsicherung der Gesetzlichen Rentenversicherung geben, keine Abschaffung der Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten, keine umfassende Revision zur Überwindung von Hartz IV, keine Anhebung des Rentenniveaus auf ein lebensstandardsicherndes Niveau und kein alle Bürgerinnen und Bürger gerecht versorgendes Gesundheitssystem. Zudem sind viele Aussagen im Koalitionsvertrag Absichtserklärungen, die sich in ihrer Wirksamkeit noch nicht abschätzen lassen.
Der Einzug der AfD in den 19. Deutschen Bundestag besorgt den SoVD und ist Ausdruck einer voranschreitenden Spaltung der Gesellschaft und einer tiefen Unzufriedenheit weiter Teile der Bevölkerung mit der Politik der vergangenen Jahre. Die seit Jahren niedrige Wahlbeteiligung offenbart darüber hinaus, dass offenbar viele Menschen nicht daran glauben, mit ihrer Stimme etwas ändern zu können. Schwer wiegt darum in der Gesamtbetrachtung des Koalitionsvertrages für den SoVD das gänzliche Fehlen umfassender Maßnahmen, um der voranschreitende Spaltung der Gesellschaft und dem Abwenden großer Teile der Wählerschaft von den etablierten demokratischen Parteien und unserer repräsentativen Demokratie sachgerecht zu begegnen. Hier sind besonders dringend Nachbesserungen notwendig.
II. Zu einzelnen Regelungen
Altersvorsorgepflicht für Selbstständige
KoaV: Altersvorsorgepflicht für Selbständige soll geschaffen werden. Soll für alle Selbstständigen gelten, die nicht bereits anderweitig obligatorisch abgesichert sind (z.B. durch berufsständische Versorgungswerke), Sog. Opt-out-Lösung: Wahl zwischen GRV und anderen geeigneten Vorsorgearten, Ziel: Rente oberhalb des Grundsicherungsniveaus
SoVD: Ist zu begrüßen. Damit wäre ein Schritt in Richtung Erwerbstätigenversicherung getan, einer Forderung des SoVD.
Arbeitnehmerüberlassung
KoaV: Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz soll bis 2020 evaluiert werden.
SoVD: Die negativen gesellschaftlichen Auswirkungen prekärer Beschäftigungsformen sind genügend evaluiert und dokumentiert worden. Jetzt sind gesetzliche Regelungen gefragt, um den verheerenden Wirkungen eines zunehmend entgrenzten Arbeitsmarkts Einhalt zu gebieten und die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu stärken. Neben der Eindämmung der Leiharbeit müssen weitere Schritte wie eine umfassende Reform der Minijobs sowie eine Abschaffung sachgrundloser Befristungen auf der Tagesordnung einer künftigen Regierung stehen.
Arzthonorare
KoaV: Schaffung eines modernen Vergütungssystems. Einsatz einer wissenschaftlichen Kommission auf Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums, die bis Ende 2019 unter Berücksichtigung aller medizinischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen Vorschläge vorlegt. Ob diese Vorschläge umgesetzt werden, wird danach entschieden.
SoVD: Der Reformbedarf des derzeitigen Vergütungssystems wird richtig erkannt. Gleichwohl wird eine Entscheidung über eine dem Versorgungsbedarf der Bevölkerung entsprechende Honorarangleichung in der ambulanten gesetzlichen Krankenversicherung (EBM) und der Gebührenordnung der Privaten Krankenversicherung (GOÄ) vermieden und mit Einrichtung einer wissenschaftlichen Kommission, deren Ergebnisse nicht übernommen werden müssen, weiter vertagt.
Auf- und Zuzahlungen
KoaV: Anhebung der Festzuschüsse für Zahnersatz um 10 Prozent auf 60 Prozent
SoVD: Der SoVD begrüßt den Entschluss zur Wiederherstellung der Parität zur gesetzlichen Krankenversicherung. Solange aber Zuzahlungen, Aufzahlungen und Eigenanteile für bedarfsdeckende Leistungen erbracht werden müssen, besteht eine einseitige Belastung der Versicherten fort und belastet insbesondere ältere und chronisch kranke Menschen in besonderer Weise. Der SoVD fordert, dass notwendige Gesundheitsleistungen (wie Sehhilfen und nicht verschreibungspflichtige Medikamente) wieder in den Leistungskatalog der GKV aufgenommen werden. Die Anhebung der Festzuschüsse für Zahnersatz um 10 Prozent auf 60 Prozent ist nicht ausreichend.
Arbeitslosengeld II (Hartz IV)
KoaV: [keine Maßnahmen zu den Regelsätzen vereinbart]
SoVD: SoVD fordert Generalrevision zur Überwindung von „Hartz IV“, u.a.: ALG I wieder ausbauen, existenzsichernde Regelsätze transparent und bedarfsgerecht schaffen, Abschaffung der besonderen Sanktionsregelungen für junge Erwachsene.
Barrierefreiheit
KoaV:
- Behinderungsgerechter, barrierefreier Wohnungsbau und barrierefreie Mobilität sollen stärker gefördert werden.
- Durch Förderprogramme sollen Anreize zur Verbesserung der Barrierefreiheit in den Kommunen gesetzt werden (z. B. Einsatz leichter Sprache und Gebärdendolmetscher, mobile sanitäre Anlagen, barrierefreie Veranstaltungen).
- Im Rahmen der Weiterentwicklung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) wird geprüft, wie Private, die Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringen, angemessene Vorkehrungen umsetzen können. Ein erster Schritt soll den Gesundheitssektor betreffen.
SoVD: Umfassende Barrierefreiheit ist Voraussetzung für die Teilhabe aller Menschen in unserer Gesellschaft. Dabei ist Barrierefreiheit umfassend für alle Lebensbereiche zu verstehen und muss neben barrierefreiem Wohnraum z.B. auch barrierefreie Kommunikation und barrierefreie Infrastruktur umfassen und gesetzlich verpflichtend ausgestaltet werden.
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss novelliert werden. Es braucht klare gesetzliche Regelungen zur Zugänglichkeit und Nutzbarkeit, die auch private Anbieter von Gütern und Dienstleistungen, die für die Öffentlichkeit bereitgestellt werden, zur Barrierefreiheit verpflichten. Die Verweigerung von angemessenen Vorkehrungen im Einzelfall ist als Diskriminierung zu definieren. Darüber hinaus sollten die Rechte aus dem AGG nicht nur von Einzelnen, sondern im Wege der Verbandsklage auch von Antidiskriminierungsverbänden eingeklagt werden können.
Behandlungspflege
KoaV: 8.000 neue Stellen für medizinische Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen, Finanzierung der Stellen aus Mitteln der GKV
SoVD: Der SoVD begrüßt grundsätzlich die Intention zur personellen Stärkung der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen. Unklar ist jedoch die Festlegung auf eine Zahl von 8.000 neuen Fachkraftstellen. Bei derzeit rund 13.600 vollstationären und teilstationären Pflegeheimen in Deutschland (Quelle: 5. Qualitätsreport und Pflegestatistik 2015) bedeuten dies nur 0,6 zusätzliche Stellen pro Einrichtung. Zudem soll der erforderliche finanzielle Mehraufwand für die neuen Stellen durch eine Vollfinanzierung aus Mitteln der GKV erfolgen. Dies ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, denn die Behandlungspflege umfasst medizinische Leistungen zur Sicherung des Ziels ärztlicher Behandlung und ist eine originäre Aufgabe der Krankenversicherung. Für Leistungen in stationären Pflegeeinrichtungen ist sie derzeit systemfremd bei der Pflegeversicherung angesiedelt, was in der Praxis zu erheblichen Unterschieden in der Versorgung von Personen in ambulanter und stationärer Versorgung führt. Es sollten jedoch nicht nur der finanzielle Mehraufwand für die neuen Stellen, sondern die Finanzierung der gesamten medizinischen Behandlungspflege insgesamt aus Mitteln der GKV erfolgen.
Beitragssatz und Renteniveau
KoaV: Ziel: Stabilisierung des Rentenniveaus und des Beitragssatzes („doppelte Haltelinie“):
- Rentenniveau von 48 % und Beitragssatz nicht über 20 % bis 2025
- Bei Rentenniveau: Änderung der Rentenformel
- Bei Beitragssatz: Steuermittel bei Bedarf
- Rentenkommission zum Thema Generationenvertrag mit Bericht bis März 2020 (u.a. mit Vorschlag zur Mindestrücklage in der GRV)
SoVD: Prinzipiell begrüßenswert, aber das Vertrauen in die gesetzliche Rente sollte jetzt schon über 2025 hinaus gesichert werden. Deswegen kann die Stabilisierung des Rentenniveaus nur ein erster Schritt sein. Gerade für die junge Generation ist eine stabile und lebensstandardsichernde Rente ein wichtiges Merkmal für einen funktionierenden und gerechten Sozialstaat.
Beitragssatz zur GKV
KoaV:
- Die Parität bei den Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung soll wiederhergestellt werden. Ab 1. Januar 2019 sollen die Beiträge zur Krankenversicherung wieder in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten geleistet werden. Der bisherige Zusatzbeitrag wird paritätisch finanziert.
- Schrittweise sollen kostendeckenden Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung für die Bezieher von ALG II eingeführt und aus Steuermitteln finanzieren werden.
- Um kleine Selbständige zu entlasten, soll die Bemessungsgrundlage für die Mindestkrankenversicherungsbeiträge von derzeit 2.283,75 Euro auf 1.150 Euro gesenkt werden.
SoVD: Der SoVD begrüßt die Wiederherstellung der vollen Beitragsparität bei den Krankenversicherungsbeiträgen sehr.
Richtig ist auch, dass die derzeitigen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung für die Bezieher von ALG II zu niedrig bemessen sind und erhöht werden müssen. Die schrittweise Anhebung auf kostendeckende Beiträge sieht der SoVD indes kritisch. Wesensmerkmal der solidarisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung ist gerade nicht eine kostendeckende Beitragspflicht – anders als in der privaten Krankenversicherung.
Der SoVD sieht bei der Beitragsbemessung freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherter, insbesondere für Solo-Selbständige, einen lange überfälligen gesetzgeberischen Korrekturbedarf. Vor diesem Hintergrund begrüßt der SoVD grundsätzlich die geplante Senkung der Beitragsbemessungsgrenze für „kleine Selbständige“.
Beitragssatz zur GRV bei Minijobs von Zeitungszusteller*innen
KoaV: Senkung des Beitrages der Arbeitgeber befristet für fünf Jahre (bis 31.12.2022) von 15 auf 5 Prozent
SoVD: [Bewertung steht noch aus]
Betreuungsrecht
KoaV: Modernisierung des Vormundschaftsrechts, Selbstbestimmungsrecht von Betroffenen stärken, Ergebnisse der Forschungsvorhaben bei der Verbesserung berücksichtigen, Vorrang sozialrechtlicher Hilfen vor rechtlicher Betreuung stärken, Auswahl und Kontrolle von Betreuer*innen verbessern, Finanzierung stärken (bei Betreuungsvereinen) und die Vergütung verbessern (bei BerufsbetreuerInnen)
SoVD: Es ist zu begrüßen, dass im Betreuungsrecht weitere Gesetzesinitiativen geplant sind. Bei diesem sensiblen Thema ist es wichtig, eine Stärkung des Selbstbestimmungsrechts betreuter Menschen weiter voranzutreiben. Dazu gehört vor allem die Gestaltung von Unterstützungsprozessen, die eine ersetzende Entscheidung überflüssig machen. Generell ist eine stärkere Orientierung am Erforderlichkeitsgrundsatz nötig.
Betreuung von Kindern
KoaV: Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, Unterstützung von Ländern und Kommunen bei Angebotsausbau und Qualitätssteigerung von KiTas sowie der Entlastung von Eltern bei den Gebühren bis hin zur Gebührenfreiheit (2019: 0,5 Mrd. €, 2020: 1 Mrd. €, 2021: 2 Mrd. €)
SoVD: Grundsätzlich richtige Richtung. SoVD fordert kostenfreie Verfügbarkeit angemessener Betreuungsplätze. Abschaffung des Betreuungsgeldes fehlt.
Bürgerschaftliches Engagement / Zivilgesellschaft
KoaV: Ziel ist Stärkung der Zivilgesellschaft / des Ehrenamtes
- bürgerschaftliches Engagement soll in Bunderegierung herausgehoben verankert werden
- Entbürokratisierung bestehender Regelungen (insbesondere im Bereich des Gemeinnützigkeitsrecht),
- Gemeinnützigkeitsrecht soll hinsichtlich der Eintragungsfähigkeit von Vereinen mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb überarbeitet werden
- Der Zugang für Menschen mit Behinderungen in die Jugendfreiwilligendienste bzw. den Bundesfreiwilligendienst soll verbessert werden
- Weitere steuerliche Entlastung für ehrenamtlich Tätige
- Veränderungen im Vereinsrecht/Stiftungsrecht sollen erfolgen
- Das Thema „Bekämpfung Einsamkeit/Vereinsamung“ wurde unter dem Passus „Stärkung der Zivilgesellschaft“ in den Koalitionsvertrag aufgenommen.
SoVD: Im Grundsatz durchaus positiv. Die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Punkte wird zeigen, inwieweit es sich um wirksame Instrumente zur Stärkung der Zivilgesellschaft bzw. des Ehrenamtes handelt. Die Entbürokratisierung, insbesondere im Bereich des Gemeinnützigkeitsrechts, stellt eine notwendige Verbesserung der Arbeit von Non-Profit Organisationen dar. Erstrebenswert wäre zudem eine Erweiterung des Zweckkatalogs.
Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte das BMFSFJ über die Einrichtung einer Ehrenamtsstiftung oder Service-Agentur gesprochen. Von Interesse ist für den SoVD nach wie vor, welche Aufgaben und Kompetenzen einer solchen Organisation zukommen sollen.
Bürgerversicherung
KoaV: [Keine Maßnahmen vereinbart]
SoVD: Die solidarische Krankenversicherung in Form der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich seit über 130 Jahren bewährt. Sie gilt es angesichts der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen weiter zu stärken und zukunftsorientiert auszubauen. Der SoVD hält insbesondere die stufenweise Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung im Gesundheitsbereich auf Basis der Gesetzlichen Krankenversicherung für die gesamte Bevölkerung für zielführend. Notwendige Zwischenschritte auf dem Weg dahin sind die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenzen, die bessere Einbeziehung von Selbständigen und Beamten in die GKV, die Verbeitragung weiterer Einkommensarten und die Schaffung einer einheitlichen Honorarordnung für privat und gesetzlich Versicherte.
DDR-Sonderrenten
KoaV: Übernahme von Kosten für DDR-Sonderrenten durch den Bund, Entlastung der ostdeutschen Bundesländer bei der Finanzierung der Sonder- und Zusatzversorgungssysteme der DDR
SoVD: Grundsätzlich begrüßenswert.
Drei-Säulen-Modell
KoaV: Festhalten am Modell und Konsolidierung der dritten Säule (Riester-Rente), Dialog mit der Versicherungswirtschaft mit dem Ziel eines standardisierten Riester-Produkts, Säulenübergreifende Renteninformation für Bürger, um sich über ihre Altersabsicherung ganzheitlich informieren zu können.
SoVD: Der SoVD bleibt bei seiner Kritik am Drei-Säulen-Modell. Dieses ist gescheitert und weitere Reparaturen an der Riester-Rente sind deshalb unnötig und Verschwendung von Steuergeldern.
Entlastungsbudget
KoaV: Ansprüche auf Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie auf Tages- und Nachtpflege werden zu einem jährlichen Entlastungsbudget zusammenfasst.
SoVD: Der SoVD hat sich bereits im Rahmen der Mitwirkung im Expertenbeirat Pflegebedürftigkeitsbegriff für die Zusammenführung von Einzelleistungen in einem flexiblen Entlastungsbudget eingesetzt. Vor diesem Hintergrund freuen wir uns sehr, dass unser Vorschlag zur Stärkung der häuslichen Pflege in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll.
Erwerbsminderungsrenten
KoaV: Anhebung der Zurechnungszeit in einem Schritt von 62 Jahren und drei Monaten auf 65 Jahre und acht Monate, danach Anhebung in weiteren Monatsschritten entsprechend der Anhebung der Regelaltersgrenze auf das Alter 67.
SoVD: Die Neuregelung kann nur ein kleiner Teil der Lösung sein. Sie lässt mal wieder die Bestandsrentnerinnen und -rentner außen vor. Zumal die Altersarmut dieser Personen nur mit der Abschaffung der sozial ungerechten Abschläge entscheidend bekämpft werden kann.
Europa
KoaV: Ein Rahmen für Mindestlohnregelungen sowie für nationale Grundsicherungssysteme in den EU-Staaten soll entwickelt werden.
SoVD: Der SoVD begrüßt, dass die Forderung nach sozialen Grundsätzen Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Die Schaffung verbindlicher europäischer Mindeststandards für die Bereiche Armutsbekämpfung, Zugang zu sozialen Diensten, zu Grundsicherungsleistungen sowie Absicherung bei Arbeitslosigkeit ist eine wichtige Aufgabe, um die soziale Dimension Europas zu stärken. Das Vorhaben, einen „Rahmen für Mindestlohnsicherung sowie für nationale Grundsicherungssysteme in den EU-Staaten“ zu schaffen, unterstützt der SoVD daher ausdrücklich.
Gesundheitsversorgung
KoaV: Bekenntnis zur Sicherstellung einer guten, flächendeckenden medizinischen und pflegerischen Versorgung für alle, unabhängig vom Einkommen und Wohnort. U.a.:
- Bedarfsplanung zur Verteilung der Arztsitze soll kleinräumiger, bedarfsgerechter und flexibler gestaltet werden.
- In ländlichen oder strukturschwachen Gebieten sollen Zulassungssperren für die Neuniederlassung von Ärztinnen und Ärzten entfallen.
- Ärztinnen und Ärzte, die in wirtschaftlich schwachen und unterversorgten ländlichen Räumen praktizieren, werden über regionale Zuschläge besonders unterstützt.
- Die hausärztliche Versorgung und die „sprechende Medizin“ werden besser vergütet.
- Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Einbeziehung der Regierungsfraktionen im Deutschen Bundestag wird Vorschläge für die Weiterentwicklung zu einer sektorenübergreifenden Versorgung des stationären und ambulanten Systems im Hinblick auf Bedarfsplanung, Zulassung, Honorierung, Kodierung, Dokumentation, Kooperation der Gesundheitsberufe usw.
- Stärkung der Alten- und Krankenpflege im ländlichen Raum, indem eine bessere Honorierung der Wegezeiten erfolgt, wenn die Versorgung nur mit längeren Anfahrtswegen sichergestellt werden kann.
SoVD: Der SoVD hat immer wieder darauf hingewiesen, dass die Gesundheitsversorgung in strukturschwachen und ländlichen Gebieten vielfach unzureichend ist. Ein ungleicher Zugang z.B. zu ärztlicher Versorgung ist vor dem Hintergrund des gleichen Versichertenstatus in der GKV nicht hinnehmbar. Das klare Bekenntnis zur Sicherstellung einer guten, flächendeckenden medizinischen und pflegerischen Versorgung für alle, unabhängig vom Einkommen und Wohnort, wird vor diesem Hintergrund begrüßt. Erforderlich ist insbesondere eine kleinräumige, bedarfsorientierte Planung für eine barrierefreie ambulante und stationäre Versorgung. Von der geplanten Bund-Länder-Arbeitsgruppe erhofft sich der SoVD nun eine detailliertere Ausgestaltung und Weiterentwicklung der angekündigten „nachhaltigen Schritte“ zur Erreichung einer sektorenübergreifenden Versorgung.
Die Stärkung der ambulanten Alten- und Krankenpflege ist richtig, um eine Versorgung insbesondere im ländlichen Raum mit längeren Anfahrtswegen bedarfsgerecht sicherzustellen. Dafür ist die bessere Honorierung der Wegezeiten ein erster guter Ansatzpunkt.
Gleichberechtigung / Frauenquote
KoaV: u.a Planungen für eine Quote im Öffentlichen Dienst für mehr Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau sowie besonderes Augenmerk auf Unternehmen ohne Frauen in Führungspositionen im Rahmen der regelmäßigen Berichterstattung der Bundesregierung
SoVD: Grundsätzlich richtig. Negativ ist, dass lediglich geprüft werden soll, wie eine Erweiterung des Geltungsbereichs des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst auf Unternehmen mit wesentlicher Bundesbeteiligung umgesetzt werden kann. Hier sind Nachbesserungen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen nötig, damit es nicht bei einer Flexi-Quote bleibt.
Gleicher Lohn
KoaV: Strukturelle Ungleichgewichte von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, die zur Entgeltlücke wesentlich beitragen, sollen gezielt abgebaut werden. Dazu sollen u. a. finanzielle Ausbildungshürden bei Sozial- und Pflegeberufen abgebaut und Ausbildungsvergütungen angestrebt werden
SoVD: Ziel ist richtig. Allerdings sind die Absichtserklärungen zu unkonkret und greifen zu kurz. Insbesondere müsste ein Verbandsklagerecht geschaffen werden.
Grundrente
KoaV: Ziel: Einführung einer „Grundrente“ 10 Prozent über der Grundsicherung für alle, die ein Leben lang gearbeitet haben, unter Einbeziehung von Kindererziehungs- und Pflegezeiten. Soll für Bestand und Neuzugang gelten. Voraussetzung: 35 Jahre Beitragszeiten bzw. Zeiten der Kindererziehung und Pflegezeiten und dann Bedürftigkeitsprüfung wie bei Grundsicherung. Die Rentenversicherung ist zuständig, arbeitet bei der Bedürftigkeitsprüfung aber mit den Grundsicherungsämtern zusammen. Selbstgenutztes Wohneigentum soll von den Betroffenen nicht aufgegeben werden müssen.
SoVD: Die „Grundrente“ bleibt in ihrer Ausgestaltung unklar und erreicht aufgrund ihrer Anspruchsvoraussetzungen (35 Jahre) viele Menschen nicht. Sie ist nicht zielgenau. Es ist daher nur konsequent, im Falle von Grundsicherungsbezug, die Freibetragsregelung aus dem Betriebsrentenstärkungsgesetz unbedingt auch auf die Leistungen der gesetzlichen Rente auszuweiten. Die Freibetragsregelung hilft allen Rentnerinnen und Rentnern. Weiterhin kommt es zu einer systemwidrigen Vermischung von unterschiedlichen Elementen – GRV als beitragsfundiert und Grundsicherung als steuerfinanziert
Grundsicherung (im Rentenüberleitungsprozess)
KoaV: Schaffung eines Härtefallfonds; soll auch für Spätaussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge geprüft werden.
SoVD: [Bewertung steht noch aus]
Inklusive Bildung
SoVD: Der SoVD begrüßt die im Sondierungspapier beabsichtigte Lockerung des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich. Eine finanzielle Beteiligung des Bundes sollte sich ausdrücklich auch auf Barrierefreiheit und inklusive Bildung erstrecken. Denn dies ermöglicht, dass die notwendige Qualitätsoffensive für inklusive Bildung vom Bund endlich finanziell unterstützt werden kann.
Investitionsfinanzierung
KoaV: Die Länderkompetenz in der Krankenhausplanung und die Verpflichtung zur Investitionsfinanzierung bleiben erhalten. Um den notwendigen Strukturwandel der Krankenhauslandschaft und die Qualität der stationären Versorgung zu befördern, wird der aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und von den Ländern hälftig finanzierte Strukturfonds für weitere vier Jahre in Höhe von einer Mrd. Euro/jährlich fortgesetzt.
SoVD: Die Bundesländer sind zur Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser verpflichtet. Der SoVD lehnt es ab, dass zur Schließung der von den Bundesländern zu verantwortenden Investitionskostenlücke der Strukturfonds für weitere vier Jahre aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert und damit Beitragsmittel der GKV weiterhin zweckentfremdet werden sollen. Des Weiteren kritisiert der SoVD, dass die Private Krankenversicherung nicht verbindlich an der Finanzierung des Strukturfonds beteiligt wird, obgleich auch ihre Versicherten von der mit den Fondsmitteln finanzierten Umstrukturierung profitieren.
Kinderarmut
KoaV: Ziel Bekämpfung der Kinderarmut: Kinderzuschlag erhöhen¹, harte Abbruchkante bzgl. Kinderzuschlag abschaffen, Beantragung der Familienleistungen (u.a. Kinderzuschlag, Wohngeld, Kinderunterhalt, Unterhaltsvorschuss) besser aufeinander abstimmen.
SoVD: Insbesondere der Hartz-IV-Regelsatz für Kinder und Jugendliche reicht nicht aus, um Essen, Kleidung und Schulbedarf zu bezahlen. Deshalb fordert der SoVD eine bedarfsgerechte Neubemessung der Hartz-IV-Regelsätze für Kinder und Jugendliche.
Kindergeld
KoaV: Anhebung des Kindergeldes um insgesamt 25 Euro/Monat (zum 1. Juli 2019 um zehn Euro, zum 1. Januar 2021 um 15 Euro).
SoVD: Eine Anhebung des Kindergeldes in zwei Schritten um insgesamt 25 Euro pro Monat ist grundsätzlich positiv. Allerdings sind 25 € über vier Jahre betrachtet zu wenig. Zudem bleibt es dabei, dass das Kindergeld auf Hartz IV angerechnet wird und Aufstockende sowie Erwerbslose von der Kindergelderhöhung folglich nichts haben werden. Hier sind Nachbesserungen nötig.
Kinderrechte
KoaV: Kinderrechte werden im Grundgesetz ausdrücklich verankert.
SoVD: Entspricht einer langjährigen SoVD-Forderung.
Kinder- und Jugendhilfe
KoaV: Reform der Kinder- und Jugendhilfe in dieser Legislaturperiode.
SoVD: Die bisherigen Reformbemühungen zur Schaffung eines inklusiven SGB VIII sind wieder aufzugreifen und in einem Dialog mit Menschen mit Behinderungen und ihren Verbänden sowie den Akteuren der Kinder- und Jugendhilfe fortzusetzen.
Alle Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe müssen künftig inklusiv ausgestaltet werden. Bei einer Verlagerung in die Kinder- und Jugendhilfe müssen alle Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII/BTHG im SGB VIII übernommen werden. Es darf dabei weder zu einer Leistungsverschlechterung für Kinder und Jugendliche mit körperlicher oder geistiger (drohender) Behinderung kommen, noch zu Ausweitungen der Kosten- und Unterhaltsheranziehung der Eltern behinderter Kinder.
Langzeitarbeitslosigkeit
KoaV: Ziel ist Vollbeschäftigung, dazu besonderer Fokus auf Langzeitarbeitslose, u.a.
- Weitere Förderung des sozialen Arbeitsmarkts z. B. durch Lohnkostenzuschüsse. (für Arbeitgeber der freien Wirtschaft, gemeinnützige Einrichtungen und Kommunen).
- Bei den sozialversicherungspflichtig bezuschussten Arbeitsverhältnissen im sozialen Arbeitsmarkt orientiert sich der Zuschuss am Mindestlohn.
- Schaffung eines neuen Regelinstruments im Sozialgesetzbuch II „Teilhabe am Arbeitsmarkt für alle“ für bis zu 150.000 Menschen.
- Finanzierung erfolgt über den Eingliederungstitel, der dafür um vier Milliarden Euro für 2018 bis 2021 aufgestockt wird.
- Passiv-Aktiv-Transfer in den Ländern wird ermöglicht.
- Bund stellt die eingesparten Passiv-Leistungen zusätzlich für die Finanzierung der o.g. Maßnahmen zur Verfügung.
- Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit sollen Ursachen der überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen genau analysieren und passgenaue Unterstützungsangebote entwickelt werden.
- Wiedereinführung der Meldepflicht an die Arbeitsagenturen für offene Stellen im öffentlichen Dienst, die von einem Menschen mit Schwerbehinderung besetzt waren.
- Stärkung des betrieblichen Eingliederungsmanagements.
- Für alle Menschen mit Behinderungen, ob im allgemeinen Arbeitsmarkt oder in Werkstätten beschäftigt, soll der volle Zugang zu medizinisch-beruflicher Rehabilitation verbessert werden (v.a. im Hinblick auf Menschen mit psychischer Erkrankung…).
SoVD: Die Einführung eines Programms zur öffentlich geförderten Beschäftigung bzw. des Passiv-Aktiv-Transfers als Regelinstrument begrüßen wir sehr. Konkret schlagen wir die Einführung eines Rechtsanspruchs für Langzeitarbeitslose auf öffentlich geförderte Beschäftigung vor. Darüber hinaus ist eine ausreichende Finanzierung dieses Vorhabens notwendige Voraussetzung für dessen erfolgreiche Umsetzung. Angesichts der im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit vorgenommenen Kürzungen der letzten zehn Jahre erscheint die im Sondierungspapier genannte Aufstockung von einer Mrd. Euro jährlich unzureichend.
Die besondere Fokussierung auf langzeitarbeitslose Menschen mit Behinderungen ist richtig. Denn noch immer ist es für viele Menschen mit Behinderung aussichtlos, eine Arbeitsstelle im sogenannten ersten Arbeitsmarkt zu bekommen. Damit sich dies ändert, sind insbesondere eine Erhöhung der Beschäftigungspflichtquote sowie eine Erhöhung der Ausgleichsabgabe dringend notwendig. Die verabredete Förderung für 150.000 Langzeitarbeitslose sollte außerdem grundsätzlich explizit schwer-/behinderte Menschen als Zielgruppe einschließen, um auf die überdurchschnittlich häufige und lange Arbeitslosigkeit behinderter Menschen zu reagieren.
Mütterrente II
KoaV: Anrechnung des dritten Jahres Erziehungszeit pro Kind (für Geburten vor 1992) in der Rente für Mütter und Väter; aber nur für die, die drei und mehr Kinder erzogen haben
SoVD: In der Form nicht akzeptabel. Führt zu neuen Ungerechtigkeiten und unterschiedlichen Bewertungen von Erziehungszeiten. Finanzierung muss aus Steuermitteln erfolgen. Wirkungslos, wenn es weiterhin zu einer Anrechnung bei der Grundsicherung im Alter kommt.
Pflegende Angehörige
KoaV: Öffnung der Müttergenesungswerke auch für pflegende Angehörige
SoVD: [Bewertung steht noch aus]
Rehabilitation (berufliche)
KoaV: Planung weiterer Maßnahmen und Weiterentwicklung (siehe Flexirentengesetz).
SoVD: Grundsätzlich begrüßenswert.
Renteniveau und Beitragssatz
KoaV: Ziel: Stabilisierung des Rentenniveaus und des Beitragssatzes („doppelte Haltelinie“):
- Rentenniveau von 48 % und Beitragssatz nicht über 20 % bis 2025
- bei Rentenniveau: Änderung der Rentenformel
- bei Beitragssatz: Steuermittel bei Bedarf
- Rentenkommission zum Thema Generationenvertrag mit Bericht bis März 2020 (u.a. mit Vorschlag zur Mindestrücklage in der GRV)
SoVD: Prinzipiell begrüßenswert, aber das Vertrauen in die gesetzliche Rente sollte jetzt schon über 2025 hinaus gesichert werden. Deswegen kann die Stabilisierung des Rentenniveaus nur ein erster Schritt sein. Gerade für die junge Generation ist eine stabile und lebensstandardsichernde Rente ein wichtiges Merkmal für einen funktionierenden und gerechten Sozialstaat.
Rückkehrrecht Teilzeit/Vollzeit
KoaV: Neuer Anspruch in Unternehmen mit mehr als 45 Mitarbeitern, nach Teilzeitphase wieder zur früheren Arbeitszeit zurückzukehren.
SoVD: Die Schaffung eines Anspruchs auf Rückkehr von befristeter Teilzeit auf Vollzeit wird ausdrücklich begrüßt. Allerdings sollten die näheren Reglungen zu Anspruch und Verfahren weniger kompliziert und weniger einschränkend ausgestaltet werden. Ein Recht auf befristete Teilzeit sollte auch für Arbeitnehmer*innen in Unternehmen mit weniger als 45 Beschäftigten gelten.
Pflegemindestlohn
KoaV: Pflegemindestlohnkommission wird gebeten, sich zeitnah mit der Angleichung des Pflegemindestlohns in Ost und West zu befassen.
SoVD: Der Wille zur Angleichung des Pflegemindestlohns in Ost und West wird ausdrücklich begrüßt. Zeitgleich sollte der Pflegemindestlohn auch angehoben werden, um dem erklärten Willen nach besserer Bezahlung in der Altenpflege – auch nach Tarif – nachzukommen.
Pflegepersonaluntergrenzen in Krankenhäusern
KoaV: Den Auftrag an Kassen und Krankenhäuser, Personaluntergrenzen für pflegeintensive Bereiche festzulegen, soll so erweitert werden, dass in Krankenhäusern derartige Untergrenzen nicht nur für pflegeintensive Bereiche, sondern für alle bettenführenden Abteilungen eingeführt werden.
SoVD: Die Einführung von Personaluntergrenzen über „pflegesensitive Bereiche“ hinaus für alle bettenführenden Abteilungen in Krankenhäusern ist richtig. Anderenfalls wäre zu befürchten, dass Pflegepersonal aus anderen Bereichen abgezogen würde, für die keine Untergrenzen festgelegt wurden. Bei der Festlegung der Höhe der Untergrenzen muss eine bedarfsgerechte Versorgung der Patientinnen und Patienten Maßstab sein und die Einhaltung nicht nur im Jahresdurchschnitt verlangt werden.
Sozialabgaben
KoaV: Die Sozialabgaben sollen bei insgesamt unter 40 Prozent stabilisiert werden.
SoVD: Die bewährten Sozialversicherungssysteme müssen finanziell stets so ausgestaltet sein, dass sie ihre Aufgaben verlässlich erfüllen. Ansonsten verlören sie massiv an Legitimität als Zwangsversicherungssysteme und Vertrauen. Eine Festlegung eines Gesamthöchstbeitrages in Höhe von 40 % ist vor diesem Hintergrund nicht sinnvoll.
Steuern
KoaV: Ziel ist weiterhin ein ausgeglichener Haushalt: keine neuen Schulden, keine. Erhöhung der Steuerbelastung der Bürgerinnen und Bürger, schrittweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages.
SoVD: SoVD setzt sich dafür ein, dass Einkommen und Vermögen in Deutschland mit dem Ziel umverteilt werden, Ungerechtigkeit zu beseitigen und Armut wirksam zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund vermisst der SoVD Maßnahmen, mit denen Wohlhabende gemäß ihrer Leistungsfähigkeit an den Aufgaben des Staates beteiligt werden. Nötig wären beispielsweise eine Anhebung des Spitzensteuersatzes bei der Einkommensteuer, eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine Reform der Erbschaftssteuer mit dem Ziel, die Steuersätze für große Erbschaften erheblich anzuheben.
Tarifverträge in der Altenpflege
KoaV: Bezahlung in der Altenpflege nach Tarif soll gestärkt werden. Tarifverträge in der Altenpflege sollen flächendeckend zur Anwendung kommen.
SoVD: Es wird begrüßt, dass die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in der Pflege verbessert werden sollen, um mehr Menschen für eine Tätigkeit im Gesundheitswesen zu gewinnen und die Personalausstattung zu verbessern. Hier müssen verbindlicheRahmenbedingungen geschaffen und die Refinanzierung gesichert werden. Damit insbesondere in der Altenpflege angemessene Tarifverträge flächendeckend zur Anwendung kommen, sind mutige Entscheidungen – auch im Tarifvertragsrecht – bei den gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.
Versandhandel Arzneimittel
KoaV: Einsatz für Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.
SoVD: Ein generelles Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Deutschland stößt auf große Bedenken. Ein Verbot darf immer nur der letzte Schritt und andere Lösungsmöglichkeiten ausgeschlossen sein („Ultima-Ratio-Gebot“). Ergänzend zu der Versorgung durch Präsenzapotheken ist der Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mittlerweile seit über 13 Jahren in Deutschland möglich. Viele Patientinnen und Patienten, darunter v. a. chronisch Kranke mit Langzeitmedikation, profitieren von dem Versandhandel und haben ihren Bezugsweg zum Teil seit Jahren bereits umgestellt. Ein Verbot dieses Versorgungswegs würde in erster Linie diesen Personenkreis spürbar treffen.
Wahlrecht
KoaV: Ziel ist ein inklusives Wahlrecht für alle. Der Wahlrechtsausschluss von Menschen, die sich durch eine Vollbetreuung unterstützen lassen, wird beendet. Dem Deutschen Bundestag wird empfohlen, in seinen aktuellen Beratungen zu Änderungen am Wahlrecht, dieses Thema entsprechend umzusetzen.
SoVD: Entspricht langjähriger Kernforderung des SoVD.
Wohnen
KoaV: Ziel: 1,5 Millionen Wohnungen und Eigenheime sollen neu gebaut werden (frei finanziert und öffentlich gefördert). U.a.:
- „Wohngipfel 2018“ mit Ländern, Kommunen, Vertretern der Bau- und Immobilienwirtschaft, der Mieter- und Vermieterverbände und den Gewerkschaften sollen Eckpunkte eines Gesetzespaketes „Wohnraumoffensive“ vereinbaren.
- Das „Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen“ und die im Rahmen dessen begründete Innovationspartnerschaft werden fortgesetzt. Beide werden bis 2021 die Umsetzung der Vereinbarungen begleiten und gegebenenfalls weitere Initiativen zur Zielerreichung beim Wohnungsneubau anstoßen.
- Für eine „Nachhaltige Baulandmobilisierung und Bodenpolitik“ soll eine Enquête-Kommission eingesetzt werden.
- Wir werden nach einer verfassungsrechtlichen Prüfung den Kommunen durch Schaffung der rechtlichen Grundlagen die Möglichkeit einräumen, die Baulandmobilisierung durch steuerliche Maßnahmen zu verbessern.
- Einführung einer Grundsteuer C soll den Städten und Gemeinden ermöglichen, Grundstücke für Wohnzwecke besser verfügbar zu machen.
- Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) soll Ländern und Kommunen zu Zwecken der sozialen Wohnraumförderung bundeseigene Grundstücke rechtssicher und im beschleunigten Verfahren zu vergünstigten Konditionen zur Verfügung stellen.
- Die bestehende Erstzugriffsoption für Kommunen soll im Haushaltsgesetz des Bundes auf alle entbehrlichen Liegenschaften des Bundes ausgeweitet werden.
SoVD: Angemessener Wohnraum ist für jeden Menschen unverzichtbar. Die Wohnung ist für den Menschen Lebensmittelpunkt, Rückzugsbereich und Ruhepol zugleich. Bundesweit stehen viele Menschen vor großen Problemen, angemessenen und bezahlbaren Wohnraum zu finden. Insbesondere in den Großstädten konkurrieren Studenten, Alleinerziehende, Menschen mit schlecht bezahlten Jobs sowie Arbeitsuchende und Rentner um das knapper werdende Angebot auf dem Wohnungsmarkt. Die Aufgabe, für angemessenen Wohnraum zu sorgen, ist von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung und damit als gemeinschaftliche Aufgabe zu verstehen, die im Grundgesetz verankert werden sollte.
Vor diesem Hintergrund begrüßt der SoVD die im Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen rund um ein Gesetzespaket „Wohnraumoffensive“. Insbesondere die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus ist dabei für den SoVD wichtig. Denn Wohnen ist ein Grundrecht und muss allen Bevölkerungsschichten in Deutschland ermöglicht werden. Allerdings fordert der SoVD, den Bedarf von schätzungsweise 3,5 Millionen Sozialwohnungen bundesweit zu decken. Der SoVD fordert darüber hinaus, die Privatisierung des Bestands an öffentlichen Wohnungen zu beenden und wieder zurückzuführen. Den Bedürfnissen von älteren Menschen sowie Menschen mit Behinderungen muss entsprochen werden, indem eine ausreichende Anzahl an barrierefreiem Wohnraum zur Verfügung gestellt wird.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
Stellungnahmne: Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD [106 KB]