Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)
Stellungnahme des SoVD zum Entwurf einer sechsten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizinverordnung.
Mit dem vorliegenden Verordnungsentwurf sollen die in Anlage 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung normierten „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze evidenzbasierter Medizin fortentwickelt werden. Hierbei soll das bio-psycho-soziale Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) (moderner Behinderungsbegriff) implementiert werden. Mit der ICF wird Behinderung nicht allein in Bezug auf Körperfunktionen und –strukturen, sondern auch in Bezug auf Aktivitäten und gesellschaftliche Teilhabe – in Wechselwirkung mit personen- und umweltbezogenen Kontextfaktoren - betrachtet und klassifiziert.
Die beabsichtigten Neuerungen beziehen sich auf den neu gefassten Teil A „Gemeinsame Grundsätze“ sowie auf die fachspezifische Begutachtung für die Bereiche „Sehfunktionen und verwandte Funktionen“, für „Funktionen des hämatologischen und des Immunsystems“ und für „Muskuloskeletale Funktionen“.
Der neue Teil A „Gemeinsame Grundsätze“ beinhaltet die Grundlagen für die Begutachtung zur Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) oder eines Grades der Schädigungsfolgen. Er enthält zahlreiche, sehr grundlegende Neuregelungen, insbesondere in den Bereichen Grundlagen, Heilungsbewährung, Gesamt-GdB-Bildung und Verfahren.
I Zusammenfassung
Für Menschen mit Behinderungen ist die Versorgungsmedizinverordnung (VersMedVO) von größter Relevanz, denn sie bildet die Grundlage zur Bemessung eines Grades der Behinderung (GdB) im Einzelfall.
Schon heute sind mehr als 7,5 Mio. Menschen in Deutschland anerkannt schwerbehindert, haben mithin einen GdB ab 50. Insoweit können Änderungen an der VersMedVO für einen sehr großen Betroffenenkreis Folgewirkungen mit sich bringen. Aus seiner Beratungspraxis weiß der SoVD um die große Relevanz, die die Festsetzung eines GdB für die betroffenen Menschen hat.
Die Überarbeitung der versorgungsmedizinischen Grundsätze verfolgt das BMAS bereits seit mehreren Jahren. Zuletzt hatte der SoVD im Nachgang zu einem Verbändegespräch im Juni 2017 seine grundlegenden Bedenken gegen die beabsichtigten Neuerungen in der 6. Versorgungsmedizin-Änderungsverordnung (im Folgenden: VO-E) schriftlich dargelegt.
Diese Bedenken bestehen in großen Teilen fort. Der SoVD appelliert mit Nachdruck an den Verordnungsgeber, den VO-E in der vorgeschlagenen Fassung nicht zu beschließen. Denn es drohen erhebliche Verschlechterungen für Menschen mit Behinderungen. Zum Teil sind die Verschlechterungen durch abgesenkte GdB bereits im jetzigen VO-E ablesbar, aber der Entwurf ermöglicht auch, dass künftige Änderungen der VersMedVO zu regelhaften Absenkungen der GdB führen.
Besonders kritisch wertet der SoVD insbesondere die folgenden Punkte:
- Künftig sollen GdB-Feststellungen deutlich stärker als bisher befristet werden.
- Die GdB-Bemessung soll künftig von dem bestmöglichen Behandlungsergebnis ausgehen und sie soll dabei auch die Hilfsmittelversorgung sowie allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Bedarfs berücksichtigen.
- GdBs von 10 bzw. 20 werden in der Regel nicht mehr für die Bildung eines Gesamt-GdB berücksichtigt.
Aufgrund dieser Neuregelungen könnte die GdB-Bemessung zukünftig regelhaft deutlich geringer bemessen werden als bislang. Hiergegen wendet sich der SoVD – im Interesse der 7,8 Mio. schwerbehinderten Menschen in Deutschland.
II Zu Teil A - Gemeinsame Grundsätze
1 Zu Abschnitt 1 - Grundlagen
Verankerung des bio-psycho-sozialen Modells von Behinderung gemäß ICF
Nach Ziffer 1.1. (Allgemeines) VO-E soll die versorgungsmedizinische Begutachtung künftig unter Beachtung des bio-psycho-sozialen Modells (moderner Behinderungsbegriff) gemäß der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) erfolgen.
SoVD-Bewertung: Diese Zielrichtung ist zwar im Grundsatz unterstützenswert. Der SoVD erneuert jedoch seine große Sorge, dass hierdurch künftig geringere GdBs durch die Versorgungsämter festgestellt werden und bestimmte Nachteilsausgleiche nicht mehr in Anspruch genommen werden könnten. Der SoVD betont, dass der Wegfall von Nachteilsausgleichen für viele Menschen mit Beeinträchtigungen zu (neuen) Barrieren und damit zu Behinderungen der Teilhabe führen kann. Dies kann und darf nicht Folge der Implementierung eines modernen Behinderungsbegriffes sein.
Insoweit ist zu kritisieren, wenn im Zusammenwirken der neuen Regelungen GdBs regelmäßig abgesenkt werden und damit zugleich der Zugang zu Nachteilsausgleichen eingeschränkt wird. Dass diese Befürchtung nicht nur hypothetisch ist, zeigen u.a. die bereits beabsichtigten Neuerungen in Teil B Nr. 19 VO-E (Muskuloskeletale Funktionen).
Die Beratungspraxis des SoVD zeigt eindrücklich, dass Betroffene die GdB-Feststellungen nicht zum Selbstzweck beanspruchen, sondern weil sie auf die entsprechenden Nachteilsausgleiche elementar angewiesen sind.
Daher darf die Überarbeitung der versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht – auch nicht mittelbar – zu Einschränkungen beim Zugang zu Nachteilsausgleichen führen. Droht dies für große Betroffenenkreise, ist die Politik in der sozialpolitischen Pflicht tätig zu werden und die Schwellen zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen ebenfalls entsprechend anzupassen.
Im Übrigen sieht der SoVD, dass sich aus der Implementierung der ICF zahlreiche Fragen, Unsicherheiten bzw. Widersprüchlichkeiten ergeben.
So soll – wie auch bisher schon – aus dem Grad der Behinderung nicht auf das Maß der beruflichen Leistungsfähigkeit zu schließen und der GdB grundsätzlich unabhängig vom ausgeübten Beruf sein (vgl. Ziffer 1.1.5), andererseits soll aber künftig das Ausmaß der Teilhabebeeinträchtigung u.a. in Bezug auf den bedeutenden ICF-Lebensbereich Arbeit und Beschäftigung (Ziffer 1.2.2 lit. h) bemessen werden. Unklar bleibt auch, warum in Ziffer 1.2.2 sämtliche 9 Lebensbereiche nach ICF beschrieben werden, bei einzelnen Funktionsstörungen (vgl. z. B. Nr. 16 – Hämatologie) dann aber nur einige dieser Lebensbereiche berücksichtigt werden; auch bleiben die Kriterien, nach denen die Lebensbereiche ausgewählt wurden, unklar.
Nicht zuletzt stellt eine ICF-orientierte Begutachtung die Versorgungsverwaltung vor erhebliche neue Herausforderungen. Denn neben den Gesundheitsstörungen müssen künftig Feststellungen zu Aktivitätseinschränkungen und Teilhabebeeinträchtigungen von Amts wegen ermittelt und bewertet werden. Es erscheint offen, wie die Versorgungsverwaltung angesichts millionenfacher Feststellungsverfahren, die ganz überwiegend nach Aktenlage entschieden werden, die neue ICF-Orientierung konkret in der Praxis umsetzen wird, insbesondere wenn der VO-E Bewertungsspannen eröffnet.
Verbindlichkeit der GdB-Werte
Gemäß Ziffer 1.1.3 VO-E sollen die in Teil B genannten GdB-Werte verbindlich sein; vorhandene Bewertungsspannen sollen es ermöglichen, den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen.
SoVD-Bewertung: Zwar ist eine Verbindlichkeit der GdB-Werte, soweit dadurch Untergrenzen normiert werden, sachgerecht und richtig. Der SoVD befürchtet aber, dass besonders schwere Teilhabeeinschränkungen im Einzelfall dann nicht mehr berücksichtigt werden können, insbesondere, wenn Bewertungsspannen nicht vorgesehen sind. Auch bleibt unklar, in welchem Verhältnis die Regelung zur gleichrangigen Ziffer 1.3.4 steht, wonach der GdB bei der Begutachtung gerade zu erhöhen ist, wenn nachgewiesen ist, dass das bestmögliche Behandlungsergebnis nicht erreicht wird und deswegen eine höhere Teilhabebeeinträchtigung vorliegt, was im Einzelfall nachzuweisen ist.
Standardisierte Umwelt
Bei der Bewertung der Teilhabebeeinträchtigung soll eine standardisierte Umwelt (Standardumwelt) zugrunde gelegt werden. Dies ist in Ziffer 1.1.4 VO-E vorgesehen.
SoVD-Bewertung: Die Zugrundelegung einer standardisierten Umwelt bewertet der SoVD als sachgerecht. Damit wird der GdB auch künftig nicht danach variieren, ob z.B. eine Person mit Geheinschränkungen im Erdgeschoss oder im 5. Stock ohne Aufzug wohnt oder ob durch ein (fehlendes) familiäres Umfeld soziale Teilhabe gefährdet sein könnte. Der SoVD hatte sich stets für die Zugrundelegung einer standardisierten Umwelt eingesetzt. Dies sichert Vorhersehbarkeit und Vergleichbarkeit bei der GdB-Bemessung und gewährleistet Praktikabilität in der Versorgungsverwaltung. Da aus einer GdB-Festsetzung überdies keine unmittelbaren Leistungsansprüche, sondern „nur“ (pauschalierte) Nachteilsausgleiche erwachsen, wäre es überdies auch weder erforderlich noch angemessen, weitergehende (höchst-) persönliche Informationen zu personen- und umweltbezogene Faktoren für die Beurteilung der Beeinträchtigung der Teilhabe zu erheben. Der SoVD geht davon aus, dass auch die dezidierten Ausführungen zu Aktivitäten und Lebensbereichen nach ICF (Berücksichtigung individueller Lebensbereiche) in Ziffer 1.2.2 VO-E den Begutachtungsmaßstab der standardisierten Umwelt nicht in Frage stellt.
Altersstufen
Ziffer 1.2.5 VO-E sieht vor, dass in Teil B ein GdB für einen festgesetzten Zeitraum angegeben werden kann, falls sich die Teilhabebeeinträchtigung regelhaft mit Erreichen bestimmter Altersstufen oder definierter Stadien der Gesundheitsstörung ändert.
SoVD-Bewertung: Mit den vorgeschlagenen Regelung können Unterscheidungen nach dem Lebensalter – über die Gruppen Kinder/Jugendliche/Erwachsene hinaus – möglich werden. Dies bewertet der SoVD kritisch. Mit Nachdruck wendet er sich gegen jedwede Überlegung, Teilhabeeinschränkungen in höherem Lebensalter könnten weniger gravierend zu bewerten sein als in jüngerem Alter. Das Erreichen der Regelaltersgrenze kann und darf kein Grund sein, Teilhabebedarfe (z.B. in den Bereich soziales Leben oder Lernen/Wissensanwendung) in Frage zu stellen und Einschränkungen daher geringer zu bewerten. Auch Rentnerinnen und Rentner haben ein Recht auf umfassende Teilhabe. Insoweit müssen bei ihnen Teilhabeeinschränkungen in gleicher Weise bemessen werden wie bei jüngeren Menschen.
Bestmögliches Behandlungsergebnis
Ziffer 1.2.7 VO-E sieht vor, dass die in Teil B angegebenen GdB die Teilhabebeeinträchtigung bei bestmöglichem Behandlungsergebnis wiedergeben. Dabei ist das bestmögliche Behandlungsergebnis im Sinne des VO-E das unter Anwendung der Kriterien der evidenzbasierten Medizin regelhaft erreichbare Behandlungsergebnis. Das bestmögliche Behandlungsergebnis schließt insbesondere das Ergebnis medikamentöser, operativer und rehabilitativer Therapiemaßnahmen sowie die Versorgung mit Hilfsmitteln ein.
SoVD-Bewertung: Diese Regelung sieht der SoVD weiterhin kritisch. Bereits die in früheren VO-Entwürfen unterstellte „gute Versorgungsqualität“ war verbändeseitig kritisiert worden. Darüber geht der Verordnungsgeber nun sogar hinaus, wenn er das bestmögliche Behandlungsergebnis zugrunde legt. Es bleibt terminologisch widersprüchlich, das bestmögliche Behandlungsergebnis dem „regelhaft erreichbaren Behandlungsergebnis“ gleichzusetzen, wenngleich der VO-Begründung zuzustimmen ist, dass in jedem Fall nicht das theoretisch bestmögliche Ergebnis (außergewöhnlich gut prothetisch versorgte Leistungssportler) zugrunde gelegt werden darf. Es besteht mit Ziffer 1.2.7 VO-E die Gefahr, dass optimale Behandlungsergebnisse regelhaft unterstellt werden, obgleich dieses im Einzelfall deutlich schlechter ausfällt. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass die betroffene Person hiergegen vorträgt und einen höheren GdB erhält, insbesondere wenn Bewertungsspannen eröffnet werden. Allerdings bleibt fraglich, ob dies auch bei GdB-Werten ohne Mindestangabe bzw. Bewertungsspannen möglich ist.
In jedem Fall aber verschiebt sich die Darlegungs- und Beweislast zulasten der Betroffenen. Denn nach Ziffer 1.3.4 ist der GdB bei der Begutachtung (nur dann) zu erhöhen, wenn das bestmögliche Behandlungsergebnis nicht erreicht wird und deswegen eine höhere Teilhabebeeinträchtigung vorliegt; dies ist jedoch im Einzelfall nachzuweisen. Diese Nachweispflicht trifft die Menschen mit Behinderungen: sie müssen entsprechend vortragen und Befunde beibringen. Die Regelung verstärkt das Spannungsverhältnis zum Amtsermittlungsgrundsatz, der für die Versorgungsverwaltung gilt. Sozial benachteiligte Menschen, die ihre Interessen weniger engagiert einfordern, könnten bei der GdB-Festsetzung benachteiligt werden.
Um dies auszuschließen, ist zumindest die Nachweispflicht in Ziffer 1.3.4. zu streichen und in Ziffer 1.2.7 VO-E ganz ausdrücklich auf den für die Versorgungsverwaltung geltenden Amtsermittlungsgrundsatz Bezug zu nehmen. Die Versorgungsverwaltung muss in der Pflicht bleiben, das konkrete Behandlungsergebnis zu erheben und auf dieser Grundlage den GdB festzusetzen.
Einsatz von Hilfsmitteln und allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens
Nach Ziffer 1.2.8 VO-E geben die in Teil B angegebenen GdBs die Teilhabebeeinträchtigungen an, die sich unter Einsatz von Hilfsmitteln und von allgemeinen Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens ergeben.
SoVD-Bewertung: Die Neuregelung kritisiert der SoVD nach wie vor. Es ist weiterhin vollkommen unklar, welche Standards der Hilfsmittelversorgung zugrunde gelegt werden, um das bestmögliche Behandlungsergebnis insoweit zu bestimmen. Der SoVD verweist darauf, dass die Hilfsmittelversorgung nach SGB V mit seinem Gebot der wirtschaftlichen und zweckmäßigen Versorgung deutlich hinter der Hilfsmittelversorgung nach SGB VII zurückbleibt – das umfassende Rehabilitationsziel der gesetzlichen Unfallversicherung "mit allen geeigneten Mitteln" ist deutlich weiter als die notwendige Krankenbehandlung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Wettbewerb der Kassen hat gerade im Hilfsmittelbereich zu erheblichen Qualitätseinbußen geführt. Wie hier abstrakt die bestmögliche Hilfsmittelversorgung bestimmt und der GdB-Begutachtung zugrunde gelegt werden kann, bleibt unklar.
Die Qualität der Hilfsmittelversorgung wäre künftig zudem verwaltungsseitig einzelfallbezogen zu beurteilen. Dies erfordert besondere Fachkenntnisse, aber auch erheblichen zusätzlichen Ermittlungsaufwand. Angesichts millionenfacher Feststellungsverfahren nach § 152 SGB IX erscheint die Praktikabilität der Neuregelung für die Versorgungsverwaltung, die ganz überwiegend nach Aktenlage entscheidet, fraglich.
Der SoVD befürchtet auch hier, dass die Neuregelung die Beweislast zulasten der Betroffenen verschiebt. Sie müssten künftig darlegen, warum bei ihnen von einer guten Hilfsmittelversorgung gerade nicht ausgegangen werden kann. Behandelnde Ärzte müssten die Qualität der Hilfsmittelversorgung verstärkt in ihre gutachterlichen Stellungnahmen aufnehmen. Es erscheint fraglich, inwieweit z. B. bei Hausärzten hierzu erforderliches Wissen vorhanden ist. Zugleich steigt der Begutachtungsaufwand, der ohne finanzielle Rahmung zu weiteren Erschwernissen für die Betroffenen führt.
Zudem erschwert der Aspekt der Hilfsmittelversorgung die Vergleichbarkeit von Sachverhalten, da Abweichungen einzelfallbezogen geprüft und entschieden werden müssten. Dies hätte nachteilige Wirkungen auch auf die Rechtsberatungspraxis des SoVD, deren hohe Qualität auch im Interesse der Versorgungsverwaltung (Entlastung) liegt.
Abschließend verweist der SoVD nochmals auf einen problematischen Zirkelschluss. Legt man eine optimale Hilfsmittelversorgung der GdB-Bemessung zugrunde, kann dies zu weniger Teilhabe führen und damit den Zielen des SGB IX widersprechen. Wird eine gute Hilfsmittelversorgung unterstellt und deshalb ein geringerer GdB zuerkannt als ohne Hilfsmittel, können die Betroffenen durch eben diesen geringeren GdB ihren Anspruch auf Nachteilsausgleiche bzw. Hilfsmittel verlieren. Besonders deutlich wird dies am Beispiel technischer Arbeitshilfen: Wird (wegen des unterstellten Hilfsmittels) der Schwerbehindertenstatus nicht mehr erreicht, kann das (begehrte) Hilfsmittel nach § 19 AusgleichsabgabeVO gerade nicht mehr beansprucht werden. So wird Teilhabe eingeschränkt statt verbessert.
Zum Tatbestandsmerkmal der „allgemeinen Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens“ fehlt es überdies an einer sachgerechten Begriffsdefinition; in § 33 SGB V werden diese lediglich von – von den Kassen zu finanzierenden – Hilfsmitteln abgegrenzt, nicht aber legaldefiniert. Es besteht die Gefahr, dass vielfältige – auch teure – Konsumgüter, z.B. ein Auto oder ein Smartphone, zum o.g. Gebrauchsgegenstand erklärt und damit bei der GdB-Bemessung regelhaft vorausgesetzt werden, obgleich sie den Betroffenen real gar nicht zur Verfügung stehen. Insoweit bleibt der Maßstab der Bewertungsgrundlagen hier fraglich.
Regelhaft abnehmende Gesundheitsstörungen
Ziffer 1.3.6 bestimmt, dass bei Gesundheitsstörungen, deren Ausmaß und Verlauf regelhaft abnimmt, die Teilhabebeeinträchtigung zu Grunde zu legen ist, die der voraussichtlich dauerhaft verbleibenden Teilhabebeeinträchtigung entspricht.
SoVD-Bewertung: Diese Regelung erscheint fraglich, sofern mit ihr auch regelhaft zu erwartende Behandlungsergebnisse antizipiert werden dürfen. Ist z. B. eine schwere psychische Störung therapeutisch gut behandelbar und droht wegen dieser guten Therapierbarkeit keine dauerhafte Beeinträchtigung, könnte für die z. T. langen Zeiten der Therapie ggf. auch kein GdB zuerkannt werden. Um dies auszuschließen, regt der SoVD eine entsprechende Klarstellung an.
Überdies wirft der SoVD die Frage auf, warum in Ziffer 1.3.6 nur regelhaft abnehmende, nicht aber regelhaft zunehmende Gesundheitsstörungen geregelt werden.
2 Zu Abschnitt 2 - Heilungsbewährung
In Abschnitt 2 VO-E werden Voraussetzungen und Umfang der Heilungsbewährung, abstrakt losgelöst von konkreten Gesundheitsstörungen, normiert. Mit dem GdB der Heilungsbewährung erfolgt eine pauschale Bewertung der Teilhabebeeinträchtigung.
SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt, dass am Konstrukt der Heilungsbewährung grundsätzlich festgehalten wird. Denn diese entlastet die Betroffenen von der Notwendigkeit, die zum Teil einschätzbaren Beeinträchtigungen (physisch, psychisch, sozial), die mit besonders schweren Erkrankungen bzw. Gesundheitsstörungen einhergehen können, im Einzelfall nachzuweisen. Dies schafft für Betroffene mit schweren, lebensbedrohlichen Erkrankungen in existenziellen Lebenslagen eine wichtige Entlastung.
Sachgerecht erscheint, dass die Voraussetzungen der Heilungsbewährung künftig abstrakt (vgl. Ziffer 2.1.2. VO-E) benannt werden und somit die Vergabe einer Heilungsbewährung in jedem Funktionssystem möglich wird. Jedoch fehlt es an einer – dem bisherigen Recht vergleichbaren – Generalregelung, wonach im Zeitraum der Heilungsbewährung, d.h. in der Regel für 5 Jahre, ein GdB von mindestens 50 regelhaft vorgesehen ist. Stattdessen sollen GdB-Dauer und -Höhe der Heilungsbewährung künftig in Teil B für die jeweiligen Gesundheitsstörungen spezifisch festgelegt werden. Damit könnten bei künftigen Überarbeitungen in Teil B die Regelungen zur Heilungsbewährung deutlich unübersichtlicher und ggf. auch geringer ausfallen. Dies wäre nicht im Sinne der Betroffenen in ihrer besonders vulnerablen Situation. Daher plädiert der SoVD für die o.g. Generalregelung zur Heilungsbewährung.
Kritisch bewertet der SoVD, dass in Ziffer 2.3. lit. b) VO-E die Heilungsbewährung in all den Fällen nachrangig zur tatsächlichen Bewertung der Teilhabebeeinträchtigung sein soll, in denen eine Gesundheitsstörung nicht in Teil 2 aufgeführt ist. Die Betroffenen befinden sich hier in einer ähnlich vulnerablen Situation und sind in gleicher Weise auf die Entlastung der Heilungsbewährung angewiesen, denn auch bei ihnen müssen die hohen, allgemeinen Voraussetzungen der Heilungsbewährung gemäß Ziffer 2.1.2. vorliegen. Müssten die Betroffenen hier zunächst rechtlich gegen die Versagung einer Heilungsbewährung nach Ziffer 2.3 lit. a) vorgehen, verliert die Heilungsbewährung ihre Entlastungswirkung. Diese Nachrangregelung sollte deshalb, zugunsten der o.g. Generalregelung zur Heilungsbewährung, aufgegeben werden.
3 Zu Abschnitt 3 - Gesamt-GdB-Bildung
Gemäß Ziffer 3.2.2.3 VO-E soll bei der Prüfung, ob sich das Ausmaß der Gesamtbeeinträchtigung wesentlich erhöht – und damit ein höherer Gesamt-GdB festzusetzen wäre – zu beachten sein, dass ein GdB von 10 künftig hierbei in der Regel nicht zu berücksichtigen ist. Auch eine Gesundheitsstörung mit GdB 20 würde künftig nur noch in Ausnahmefällen zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führen.
SoVD-Bewertung: Der SoVD erneuert seine Kritik an der beabsichtigten Neuregelung. Denn sie bedeutet Einschränkungen zum geltenden Recht. Bislang waren nur leichte Gesundheitsstörungen, die einen GdB 10 bedingten, von der regelhaften Berücksichtigung ausgeschlossen; bei GdB 20 war die Berücksichtigung bisher deutlich weiter möglich. Nunmehr wird bei sämtlichen Gesundheitsstörungen mit GdB 10 bzw. 20, also keinesfalls nur bei leichten Gesundheitsstörungen, eine Berücksichtigung im Gesamt-GdB regelhaft ausgeschlossen.
Besonders deutlich wird die Problematik zum Gesamt-GdB auch mit Blick auf die in Ziffer 1.2.12. getroffenen Regelungen zur Berücksichtigung von Schmerzen. Danach sind Schmerzen getrennt zu bewerten, wenn sie über das für die Gesundheitsstörung typische Maß hinausgehen oder auch wenn der durch die Gewebeschädigung bedingte Schmerz durch eine psychische Komorbidität verstärkt wird. Wird für diese Schmerzen ein GdB von max. 20 festgesetzt, blieben sie dennoch bei der Gesamt-GdB-Bildung regelmäßig außer Betracht. Damit entsteht ein Wertungswiderspruch: Trotz außergewöhnlicher und daher gesondert zu berücksichtigender Schmerzzustände erhalten die Betroffenen im Ergebnis den gleichen GdB, den sie auch ohne diese besonderen Schmerzen zuerkannt bekämen. Ihre besonderen Teilhabebeeinträchtigungen blieben unberücksichtigt.
Die Neuregelungen erschweren die Bildung eines höheren Gesamt-GdB erheblich und führt, wie gezeigt, zu Wertungswidersprüchen. Hiergegen wendet sich der SoVD und fordert, die bisherige Rechtslage fortzuschreiben. Die Neuregelung ist umso problematischer, als in Teil B VO- E viele GdBs abgesenkt werden. Der Verlust eines Auges soll z.B. künftig nur noch einen GdB 20 bedingen und würde damit bei Bildung eines Gesamt-GdB allenfalls in Ausnahmefällen noch berücksichtigt werden.
4 Zu Abschnitt 6 - Verfahren
Befristungen
Der Verordnungsgeber beabsichtigt, in ganz erheblichen Umfang Befristungen bei GdB-Feststellungen zu ermöglichen. So soll eine Befristung zulässig werden, wenn der GdB für den Zeitraum der Heilungsbewährung nach Nr. 2 oder für einen begrenzten Zeitraum nach Nr. 1.2.5 (Erreichen bestimmter Altersstufen oder definierter Stadien der Gesundheitsstörung) festgestellt wurde.
SoVD-Bewertung: Der SoVD wendet sich ganz entschieden gegen die Befristungs-Neuregelungen. Für sie besteht keine Notwendigkeit und sie greifen unverhältnismäßig in die Rechte der Betroffenen ein. Überdies bestehen auch rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der vorgesehenen Neuregelungen.
Mit den Regelungen zur „wesentlichen Änderung der Verhältnisse“, die das geltende Recht bereits kennt und die in Ziffer 6.2. VO-E fortgeschrieben werden, bestehen bereits ausreichend Handlungsoptionen, um eine GdB-Feststellung als Dauer-Verwaltungsakt aufheben zu können. Die Aufhebungsmöglichkeit besteht gerade auch in den Fällen der Heilungsbewährung und der GdB-Feststellung für einen begrenzten Zeitraum. Insoweit besteht kein Bedarf für eine zusätzliche Befristungsregelung.
Die Befristungsregelung schränkt überdies die Rechte der Betroffenen in unverhältnismäßiger Weise ein. Daran ändern auch die Ziffern 6.1.2 (Fortgeltung der GdB-Feststellung bei Neuantrag 6 Monate vor Fristablauf) und 6.1.3 (Hinweispflicht der Behörde) nicht, sie federn die Neuregelung keinesfalls ausreichend ab.
Mit der Befristungsregelung wird das Prozessrisiko deutlich zulasten der Betroffenen verschoben. Diese müssen künftig rechtzeitig (6 Monate von Ablauf der Feststellung) von sich aus aktiv werden und einen Neu-Antrag stellen, wenn nach Ablauf der Befristung ihr GdB fortgesetzten Schutz bieten soll. Spätere Anträge, selbst wenn diese noch rechtzeitig vor Ablauf der Befristung gestellt würden, gingen zulasten der Betroffenen. Bis zur erneuten GdB-Feststellung verlören die Betroffenen den Schutz durch Nachteilsausgleiche; besonders im Arbeitsleben wird das zu sehr nachteiligen Wirkungen führen. Auch würden verwaltungsseitige Verzögerungen bei der Bearbeitung des neuen Antrages, wenn dieser kurz nach der 6-Monatsfrist eingereicht wird, stets zulasten der Betroffenen wirken. Selbst wenn die Beeinträchtigung (und damit der GdB) unverändert fortbesteht und dies später auch festgestellt wird, verlieren die Betroffenen zwischenzeitlich – ungerechtfertigterweise - den dringend benötigten Schutz durch Nachteilsausgleiche. Auch bleibt unklar, was passiert, wenn Betroffene die Antrags-Vorfrist von 6 Monaten aus unverschuldeten Gründen versäumen, z. B. weil sie aus akuten gesundheitlichen Gründen an der Antragstellung gehindert waren. Die Betroffenen stünden hier bei Fristversäumnis ggf. sogar schlechter als in zivil- oder strafgerichtlichen Prozessen, wo eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich ist.
Die vermeintlich abfedernde Regelung in Ziffer 6.1.2. VO-E erscheint für die Praxis überdies wenig praktikabel. Denn es bleibt unklar, wie eine schwerbehinderte Person nach Ablauf der Befristung z. B. gegenüber ihrem Arbeitgeber nachweisen kann, dass ihre GdB-Feststellung nach Ziffer 6.1.2. fortwirkt und sie daher zu Recht Nachteilsausgleiche (besonderen Kündigungsschutz, Urlaubsregelungen etc.) beanspruchen darf. Die Regelung der Ziffer 6.1.2 wird zu großer Rechtsunsicherheit führen.
Nicht zuletzt bestehen auch rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Befristungsregelung nach Ziffer 6. Die Befristung ist als Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt einzustufen, ihre Zulässigkeit ist gemäß § 32 SGB X zu beurteilen. Danach ist eine Befristung bei einem gebundenen Verwaltungsakt nur zulässig, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist und sich auf ein zukünftiges, gewisses Ereignis bezieht. Zwar liegt die erforderliche rechtliche Grundlage mit Ziffer 6 VO-E vor. Jedoch ist fraglich, ob hier auch ein „zukünftiges gewisses Ereignis“ bejaht werden kann. Zwar mag mit Ablauf eines bestimmten Zeitraumes, z.B. der Heilungsbewährung oder mit Eintritt eines bestimmten Zeitpunktes (Alter) eine veränderte Teilhabeeinschränkung regelhaft vermutet werden; gewiss ist diese indes nicht. Vielmehr ist mit der VO und ihrem modernisierten Behinderungsbegriff das (neue) Ausmaß der Teilhabeeinschränkung maßgeblich und dieses muss einzelfallbezogen ermittelt werden. Insoweit handelt es sich hier nicht um ein gewisses, sondern um ein ungewisses zukünftiges Ereignis, mithin um eine Bedingung (§ 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X). Feststellungsbescheide sind jedoch regelmäßig bedingungsfeindlich, so dass vorliegend die Zulässigkeit zu verneinen wäre.
Abschließend betont der SoVD, dass die vorgeschlagene Regelung auch zu besonderen Belastungen für die Verwaltung führen kann. Denn es bedeutet ein deutliches Mehr an Verwaltungsaufwand sowie Verwaltungsverfahren, wenn befristete GdB-Feststellungen in großer Zahl regelhaft Standard würden. Aufgrund der oben beschriebenen Rechtsunsicherheiten für die Betroffenen ist in der Praxis auch mit vermehrten Rechtsstreitigkeiten (u.a. im einstweiligen Rechtschutz) zu rechnen.
Der SoVD appelliert daher mit großer Dringlichkeit an den Verordnungsgeber, auf die Befristungsregelung vollumfänglich zu verzichten.
Übergangsfrist und Bestandschutz
Ziffer 6.4. enthält eine Neuregelung zu Übergangsfrist und Bestandsschutz. Danach verbleibt es, wenn eine Neufeststellung zu einem niedrigeren Gesamt-GdB führen würde, bis zum 31.12.2022 bei dem bisherigen Gesamt-GdB, wenn dieser vor dem Tag des Inkrafttretens der VO festgestellt wurde. Die Regelung gilt jedoch nicht im Fall von Ziffer 6.3 (Neubewertung).
SoVD-Bewertung: Der SoVD erkennt an, dass der Verordnungsgeber mit der vorgeschlagenen Norm der nachdrücklichen Forderung der Behindertenverbände nach einer Bestandsschutzregelung Rechnung tragen möchte. Allerdings bleibt die vorgeschlagene Regelung deutlich hinter den Erwartungen und Notwendigkeiten zurück. Ein maximaler Bestandsschutz bis 2022 kann die notwendige Befriedungswirkung für Altfälle nicht entfalten. Die vorgesehenen maximalen 3 Jahre bleiben sogar hinter der regelhaften Heilungsbewährung von 5 Jahren zurück.
Der SoVD fordert im Interesse der Betroffenen einen wirksamen Bestandsschutz. Dieser wird am effektivsten erreicht, wenn keine amtsseitigen Neufeststellungen aufgrund der Neuregelungen des VO-E erfolgen. Eine solche – bundesweit einheitliche - Praxis seitens der Versorgungsverwaltung sollte der Verordnungsgeber einfordern. Sie liegt nicht nur im Interesse der Millionen schwerbehinderten Menschen mit bestandskräftigen GdB-Feststellungen. Sie liegt auch im Interesse der Versorgungsverwaltung, auf die ansonsten enorme zusätzliche Arbeitsbelastungen zukämen. Zudem ist kaum absehbar, ob nicht aufgrund der höheren Lebensalter der Betroffenen auch höhere GdBs in großer Zahl festzusetzen sein könnten. Mit den Regelungen zur „wesentlichen Änderung der Verhältnisse“, die das geltende Recht schon heute kennt, kann die Versorgungsverwaltung auch künftig sachgerecht im Falle gesundheitlicher Veränderungen aktiv werden.
III Zu Teil B - Fachspezifische Begutachtungsgrundsätze
Der Verordnungsgeber betont im Begründungsteil zu Ziffer 19.7.2 bis 19.7.4 (S. 83): „Aufgrund der überragenden Bedeutung manueller Funktionen für die Teilhabe in allen Lebensbereichen in der heutigen Zeit erfolgt eine differenzierte Wichtung der GdBs bei Verlust der oberen Extremitäten. Die Prothesenversorgung ist hier schwieriger als an den unteren Extremitäten.“
Jedoch erscheinen die normierten GdBs bei Verlust im Bereich der oberen Extremitäten diese Bewertung nur unzureichend widerzuspiegeln.
So wird der Verlust eines Armes im Schultergelenk nicht mehr einen GdB 100, sondern nunmehr mit einem GdB 80 (mind.) bemessen.
Auch erkennt der SoVD keine Regelung bei Verlust aller 10 Finger. Bislang wurde der Verlust aller 10 Finger mit einem GdB 100 klar bemessen.
Nicht zuletzt vermisst der SoVD auch Regelungen zum beidseitigen Teilverlust von Fingern. Der SoVD weist daraufhin, dass die Unfallversicherung bei der aktuellen Überarbeitung der MdE-Werte den beidseitigen Teilverlust durchaus weiter im Blick hat. Dies ist auch sachgerecht angesichts der herausragenden Wichtigkeit von Händen und Fingern, gerade auch mit Blick auf eine zunehmend digitalisierte Welt, die erhebliche Veränderungen z. B. in den Lebensbereichen Arbeit, Lernen, Kommunikation, Mobilität etc. bedeutet.
Im Bereich des Verlustes der unteren Extremitäten sieht der SoVD ganz klar die Folgen der nunmehr beabsichtigten regelhaften Berücksichtigung eines bestmöglichen Behandlungsergebnisses unter Einsatz von Hilfsmitteln.
Hier werden die GdB in einer Vielzahl von Fällen reduziert. Der SoVD greift insoweit exemplarisch nur einige Fallgestaltungen heraus:
So soll der komplette Verlust eines Beines im Beckenskelett oder im Hüftgelenk nicht mehr einen GdB 100, sondern nur noch GdB 80 (mind.) bedingen.
Der Verlust eines Beins im Unterschenkel beträgt statt GdB 50 nur noch GdB 40; d.h. diese Personen würden regelhaft nicht mehr als schwerbehindert anerkannt und damit eine Vielzahl von Nachteilsausgleichen nicht mehr in Anspruch nehmen können.
Der Verlust beider Beine im Unterschenkel soll nicht mehr einen GdB 80 (bzw. bei ungünstigen Stumpfverhältnissen einen GdB 100), sondern nur noch einen GdB 70 (mind.) bedingen.
Auch die Versteifung beider Kniegelenke in günstiger Stellung soll nicht mehr einen GdB 80, sondern nur noch einen GdB 70 bedingen.
Die letztgenannten beiden Gruppen könnten damit z. B. keine Parkerleichterungen mehr in Anspruch nehmen, obgleich sie auf diese – gerade im immer dichteren Verkehr – mehr denn je angewiesen wären. Der Grund der Herabstufung bleibt unklar.
Der SoVD unterstreicht, dass eine Vielzahl - gerade auch älterer Menschen - von den benannten Verschlechterungen im Bereich der Extremitäten betroffen sein werden. Sie leben mit den körperlichen Einschränkungen oft seit vielen Jahren. Der SoVD wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass gerade diese vulnerable Gruppe nicht durch die jetzt beabsichtigten Veränderung der VersMedVO bewährte Rechte und Nachteilsausgleiche verliert.
IV Abschließende Bemerkungen
Der SoVD betont nochmals, dass die GdB-Feststellung und die damit verbundenen Nachteilsausgleiche für die große Mehrheit der Menschen mit Behinderungen hierzulande die einzige Möglichkeit darstellen, ihre Teilhabe zu verbessern. Viele der 7,8 Mio. schwerbehinderten Menschen beanspruchen keine besonderen behinderungsspezifischen Leistungen (z.B. Eingliederungshilfe), sondern nehmen lediglich die allgemeinen Nachteilsausgleiche und Schutzrechte, die mit der GdB-Feststellung eröffnet werden, in Anspruch.
Einschränkungen bei der Gewährung eines GdB sind eng verbunden mit der Frage der Gewährung bzw. Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen.
Steht gar der Schwerbehindertenstatus in Frage, entfallen – gerade im Arbeitsleben – eine ganze Reihe wichtiger Nachteilsausgleiche; Absenkungen des GdB bedürfen hier der besonders differenzierten Abwägung und Begründung.
Der vorliegenden 6. VersMedVO-ÄndVO kommt daher ganz erhebliche sozialpolitische Bedeutung und auch große praktische Relevanz für eine Vielzahl von Menschen zu.
Um die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe dieser Menschen zu sichern, ist die Überarbeitung der versorgungsmedizinischen Grundsätze mit besonderer Sensibilität anzugehen und am Ziel bestmöglicher Teilhabe auszurichten. Dies sieht der SoVD in der vorliegenden 6. VersMedÄndVO bislang noch nicht ausreichend gewährleistet.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
Stellungnahmne: Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) [158 KB]