Rente: Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP
Entwurf eines Gesetzes zur Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende und zur Erweiterung des Übergangsbereichs (Drucksache 20/3938)
1 Zusammenfassung des Gesetzesentwurfs
Der Entwurf eines Gesetzes zur Zahlung einer Energiepreispauschale an Renten- und Versorgungsbeziehende und zur Erweiterung des Übergangsbereichs sieht eine Energiepreispauschale als Einmalzahlung in Höhe von 300 Euro an Rentner:innen und Versorgungsempfänger:innen des Bundes vor. Die Energiepreispauschale soll automatisch ausgezahlt werden. Anspruch haben diejenigen, die zum Stichtag 1. Dezember 2022 eine Alters-, Erwerbsminderungs- oder Hinterbliebenenrente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen oder Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz oder dem Soldatenversorgungsgesetz und ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Damit wird die Energiepreispauschale alle Rentner:innen sowie Pensionäre erreichen. Die Energiepreispauschale soll der Versteuerung unterliegen, nicht als Sozialleistung gelten und auf diese auch nicht angerechnet werden. Außerdem soll sie nicht gepfändet werden können. Erhält eine Person mehrere Rentenleistungen, so soll sie die Energiepreispauschale nur einmal erhalten. Der Bund trägt dafür die Kosten.
Außerdem sieht der Entwurf die Ausweitung des sogenannten Übergangsbereichs (Midijob) vor: Für sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Übergangsbereich soll zum 1. Januar 2023 die Obergrenze von 1.600 Euro auf 2.000 Euro im Monat angehoben werden.
2 Gesamtbewertung
Ziel des Gesetzentwurfs ist es, Rentner:innen und Versorgungsempfangende des Bundes im Rahmen der gestiegenen Energiepreise, sowie sozialversicherungspflichtig Beschäftigte mit einem Bruttoarbeitsentgelt bis zu 2.000 Euro im Monat zu entlasten. Der SoVD hat dabei von Anfang an die Ausweitung der Energiepreispauschale (EPP) auf Rentner:innen gefordert. Es ist damit auch ein Verdienst des SoVD, dass die EPP für Rentner:innen nun endlich kommen soll.
Zur Energiepreispauschale für Rentner:innen: Es war nicht nachvollziehbar, dass Rentner:innen bei den bisherigen Entlastungsmaßnahmen – vor allem bei der Energiepreispauschale – leer ausgegangen sind. Sie sind genauso von den explodierenden Energiepreisen betroffen wie Beschäftigte auch, die die EPP in der Regel bereits im September erhalten haben. Die späte Einbeziehung der Rentner:innen hat daher einiges an politischer Glaubwürdigkeit gekostet. Aus diesem Grund ist es sehr zu begrüßen, dass mit dem vorliegenden Entwurf die überfällige Gewährung einer EPP für Rentner:innen sowie Versorgungsbeziehenden des Bundes erfolgt.
Besonders hervorzuheben ist, dass nicht nur Altersrentner:innen von der EPP profitieren sollen, sondern auch Erwerbsminderungsrentner:innen und Beziehende einer Hinterbliebenenrente. Gerade Erwerbsminderungsrentner:innen sind besonders stark von (Alters-)Armut betroffen und daher auf zusätzliche Unterstützung angewiesen. Die EPP soll nicht auf einkommensabhängige Sozialleistungen angerechnet werden und unterliegt auch nicht der Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Das bedeutet, dass auf die EPP keine Sozialabgaben gezahlt werden müssen und diese auch nicht auf die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung angerechnet wird. Das ist besonders wichtig, denn so wird sichergestellt, dass das Geld auch tatsächlich bei den Rentner:innen ankommt und nicht durch die Grundsicherung wieder „aufgefressen“ wird. Die EPP soll auch nicht auf den Grundrentenzuschlag angerechnet werden, was ebenfalls folgerichtig und daher zu begrüßen ist.
Es ist aus Sicht des SoVD richtig, dass die EPP automatisch ausgezahlt werden soll, also ein Antrag nicht notwendig ist. Die Auszahlung sollen die jeweils zuständigen Träger bzw. deren zahlende Stellen übernehmen. Ebenso ist zu begrüßen, dass die Möglichkeit der Nachzahlung auf Antrag besteht, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für den Erhalt der EPP vorliegen, diese aber nicht gezahlt wurde. Hierfür ist vorgesehen, dass ein Antrag bis spätestens zum 30. Juni 2023 bei der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft–Bahn-See zu stellen ist. Diese Punkte machen insgesamt deutlich, dass es sich bei der Umsetzung der Energiepreispauschale für Rentner:innen um ein recht schlankes Verfahren handelt, dass für die Betroffenen kaum Aufwand bedeuten dürfte.
Der SoVD macht jedoch deutlich, dass eine einmalige Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Weitere Zahlungen einer Energiepreispauschale für alle Bürger:innen im Jahr 2023 ist notwendig. Außerdem darf der langfristige Blick auf Lösungen, die den Grundstein für ein auskömmliches Einkommen legen, nicht vergessen werden. Neben weiteren Entlastungen, die kurzfristig richtig und wichtig sind, muss der Bund den Fokus auf gute und stabile Renten sowie auskömmliche Löhne legen. Dafür ist ein Rentenniveau von zunächst 50 Prozent und perspektivisch 53 Prozent zentral.
Auch sind über die 12 Euro Mindestlohn hinaus weitere Lohnsteigerungen notwendig, um den gestiegenen Lebenshaltungskosten Rechnung zu tragen. Dafür ist unter anderem eine Abkehr von der Ausweitung der Minijobs, die nun an die Höhe des Mindestlohns gekoppelt wurde, notwendig. Deutschland hat im OECD-Vergleich die niedrigste Arbeitsstundenquote. Das hängt mit einer hohen Teilzeitquote, aber eben auch mit den Minijobs zusammen, die in Kombination mit dem Ehegattensplitting und der kostenfreien Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung vor allem Frauen in einem niedrigen Teilzeit-Stundenbereich und damit einer niedrigen Entlohnung halten. Daran wird auch die Ausweitung des Übergangsbereichs auf 2.000 Euro im Monat wenig ändern, auch wenn dies eine finanzielle Entlastung für Beschäftigte in diesem Bereich bedeutet. Ziel muss eine Beschäftigung sein, die die Lebenshaltungskosten in der Erwerbsphase, aber auch im Ruhestand abbildet. Die Menschen müssen ohne Gang zum Amt oder dauerhafte staatliche Entlastungsmaßnahmen die Energie- und Lebensmittelpreise bezahlen können. Dafür ist außerdem die Einführung eines Energiepreisdeckels für den Grundverbrauch notwendig. Damit können die Menschen zielgerichtet entlastet werden.
Zu bemängeln ist darüber hinaus, dass es immer noch Menschen gibt, die die EPP nicht erhalten werden, z.B. Beziehende einer Unfallrente, von Krankengeld, wenn kein Arbeitsverhältnis mehr vorhanden ist oder Eltern in Elternzeit ohne Arbeitsverhältnis. Personen, die Leistungen nach dem Sozialen Entschädigungsrecht erhalten, werden ebenfalls nicht berücksichtigt. Denn diese Menschen haben weder von der EPP im September profitiert, noch werden sie diese im Dezember erhalten.
Hier sollte eine Lösung gefunden werden, so dass tatsächlich jede Person die EPP in Höhe von 300 Euro erhält. Denkbar ist hierbei, dass das Antragsrecht, das mit dem vorliegenden Gesetzentwurf geschaffen werden soll, auf all diejenigen ausgeweitet wird, die bisher nicht erfasst wurden. Denn es ist nicht erklärbar, warum gerade diese oben genannten Personengruppen, die in der Regel kein hohes Einkommen haben, ausgeschlossen bleiben. Es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, dass alle die EPP erhalten – ohne Ausnahme!
Zur Ausweitung des Übergangsbereichs: Die Ausweitung des Übergangsbereichs von 1.600 Euro (ab 1. Oktober 2022) auf 2.000 Euro (ab 1. Januar 2023) bedeutet eine Entlastung für Beschäftigte in diesem Einkommensbereich, da sie bei vollem Sozialversicherungsschutz weniger Sozialabgaben zahlen müssen. Ausgeglichen werden diese Kosten zumindest teilweise von den Arbeitgeber:innen. Dadurch haben die Beschäftigten monatlich mehr Geld zur Verfügung. Hiervon profitieren vor allem Frauen. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass sich dieses Instrument nicht zu einer Teilzeit-Förderung entwickelt. Denn ganz im Gegenteil brauchen wir in Deutschland mehr vollzeitnahe Teilzeitjobs bzw. Vollzeit-Beschäftigung, mit einer Entlohnung, die zum Leben reicht. Das ist vor allem für viele Frauen, die tendenziell gerne mehr Stunden pro Woche arbeiten wollen, von zentraler Bedeutung – gerade auch in Hinblick auf den (Fach-)Kräftemangel. Damit kann die erneute Ausweitung des Übergangsbereichs maximal eine kurzfristige, aber keine langfristige Lösung sein.
Problematisch ist und bleibt, dass durch die Förderung von Beschäftigungsverhältnissen im Übergangsbereich den einzelnen Sozialversicherungszweigen Beitragsmittel entzogen werden. Durch die geplante Ausweitung auf 2.000 Euro sind es laut dem Entwurf 0,8 Mrd. Euro, die den Sozialkassen fehlen werden. Denn die Berechnung der Höhe der Sozialabgaben basiert im Übergangsbereich auf einem reduzierten Beitrag. Auch wenn nun – erfreulicherweise – die Arbeitgeberseite die höhere Last der Beiträge trägt, so bleibt eine gewisse Summe übrig, die von der Beitragsgemeinschaft übernommen werden muss. Das ist mit Blick auf die Diskussion rund um das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und die generelle Debatte um die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Rentenversicherung schwierig.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
SoVD-Stellungnahme: Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP [138 KB]