4. Bevölkerungsschutzgesetz
Stellungnahme des Sozialverband Deutschland (SoVD) anlässlich der öffentlichen Anhörung durch den Ausschuss für Gesundheit im Deutschen Bundestag am 16. April 2021 zu den Vorlagen:
Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite
(BT-Drucksache 19/19/28444)
Anträge der Fraktion DIE LINKE
Corona-Strategie für besonders gefährdete Menschen zum Nutzen der ganzen Gesellschaft
Lockdown-Maßnahmen durch Gesetze, nicht durch Verordnungen
(19/24453/19/25882)
Entwurf eines Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD)
Um der staatlichen Schutzpflicht für Leben und Gesundheit zu entsprechen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems trotz des sich zuspitzenden Infektionsgeschehens weiterhin sicherzustellen, sieht der Gesetzentwurf vor, eine bundeseinheitliche Grundlage zu schaffen, um weitgehende Maßnahmen zu ergreifen, den R-Wert verlässlich unter 1 zu senken und damit eine Abschwächung des Infektionsgeschehens zu erreichen.
Dafür wird eine bundesweit verbindliche Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 eingeführt. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen den Schwellenwert von 100, so gelten dort ab dem übernächsten Tag zusätzliche verhältnismäßige Maßnahmen. Sinkt in dem entsprechenden Landkreis oder der kreisfreien Stadt die 7-Tages-Inzidenz unter den Wert von 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner an fünf aufeinander folgenden Werktagen, so tritt dort ab dem übernächsten Tag die Notbremse außer Kraft.
Zudem wird die Bundesregierung ermächtigt,zur einheitlichen Festsetzung von Corona-Maßnahmen Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen. Die Rechtsverordnungen sind an die Überschreitung einer Inzidenz von 100 geknüpft.Alle Maßnahmen und Vorschriften gelten für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite.
Maßnahmen der „Notbremse“ (nicht abschließend):
- Private Zusammenkünfte im öffentlichen oder privaten Raum nur mit Angehörigen eines Haushalts und eine weitere Person einschließlich der zu ihrem Haushalt gehörenden Kinder bis 14 Jahren,
- Ausgangssperre zwischen 21 Uhr und 5 Uhr mit wenigen Ausnahmesituationen, wie bspw. der Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum, der Berufsausübung, der Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder Minderjähriger oder der Begleitung Sterbender,
- Freizeiteinrichtungen und Gaststätten bleiben geschlossen,
- Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, ebenso Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte,Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker,Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte,Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte und Gartenmärkte dürfen öffnen.
- Die Zurverfügungstellung von Übernachtungsangeboten zu touristischen Zwecken ist untersagt.
- Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrpersonal an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen sind bei Teilnahme am Präsenzunterricht zweimal in der Woche mittels eines anerkannten Tests auf eine Infektion mit Coronavirus SARS-CoV-2 zu testen. Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinander folgenden Tagen die Sieben-Tage-Inzidenz den Schwellenwert von 200, so ist ab dem übernächsten Tag für Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnliche Einrichtungen die Durchführung von Präsenzunterricht untersagt. Die nach Landesrecht zuständigen Stellen können nach von ihnen festgelegten Kriterien eine Notbetreuung einrichten.
- Das Versammlungsrecht im Sinne des Artikels 8 des Grundgesetzes sowie Zusammenkünfte, die der Religionsausübung dienen, unterliegen nicht besagten Beschränkungen.
SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt die Initiative der Bundesregierung, für einheitliche Maßnahmen in der Pandemiebekämpfung zu sorgen. Durch die schleppende Impfkampagne sind immer noch viele Menschen, die dringend auf eine Impfung angewiesen sind, schutzlos. Für den SoVD hat oberste Priorität die vulnerablen Gruppen, bei denen es oftmals um Leben und Tod geht, zu schützen. Das gegenwärtige föderale System hat mit seinen kleinteiligen Maßnahmen für viel Verwirrung und Unmut gesorgt und in Einzelfällen vor notwendigen Vorkehrungen bzw. Maßnahmen zur regionalen Eindämmung der Pandemie zurückgescheut. Klar strukturierte und gut verständliche sowie nachvollziehbare bundeseinheitliche Maßnahmen können das verloren gegangene Vertrauen der Bevölkerung zurückgewinnen und die Akzeptanz zur Einhaltung der Regelungen erhöhen. Gleichzeitig bleibt der Spielraum der Länder in großen Teilen unberührt und dient lediglich als absolute Notbremse, um Menschenleben zu schützen und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Es muss aber insgesamt gewährleistet werden, dass Maßnahmen regelmäßig daraufhin geprüft werden, ob sie anhand der aktuellen Situation der Corona-Pandemie auch weiterhin notwendig, verhältnismäßig und angemessen sind.
Da der Deutsche Bundestag mindestens alle drei Monate über die Fortdauer der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite entscheiden muss und mögliche weitergehende Rechtsverordnungen sowohl mit der Zustimmung des Bundestages als auch des Bundesrates zu erlassen sind, ist eine parlamentarische Kontrolle und Legitimation für entsprechende Maßnahmen gesichert.
2 Corona-Strategie für besonders gefährdete Menschen zum Nutzen der ganzen Gesellschaft (Antrag der Fraktion DIE LINKE)
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DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
Zur vollständigen SoVD-Stellungnahmne: 4. Bevölkerungsschutzgesetz [228 KB]