Freihandelsabkommen TTIP
Stellungnahme des SoVD anlässlich einer Anhörung zu Anträgen über die Transparenz bei den Verhandlungen zum europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen
Anhörung am 16. März 2015 im Ausschuss für Wirtschaft und Energie des Deutschen Bundestages zu den Anträgen der Fraktion DIE LINKE (18/1093) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/1457 und 18/1964)
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) unterstützt die Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vollumfänglich und den der Fraktion Die Linke insoweit, als dass die mangelnde Transparenz bei den Verhandlungen zum europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen (TTIP) gerügt wird. Der SoVD fordert entsprechend seiner Stellungnahme zum geplanten Streitschlichtungsmechanismus (ISDS), diesen nicht zum Bestandteil des Abkommens zu machen. Wie in der Stellungnahme ausgeführt, bestehen grundsätzliche Bedenken am Erfordernis gesonderter Investitionsschutzbestimmungen im Rahmen des TTIP, da derzeit keinerlei Rechtsunsicherheiten für Investoren zu befürchten sind. Der SoVD sieht die Gewichtung zwischen dem Investorenschutz und dem Regelungsrecht der Staaten als problematisch an. Regelungen im öffentlichen Interesse müssen stets Vorrang vor gleichzeitig tangierten wirtschaftlichen Interessen haben. Spezielle Schiedsverfahren, die sich der Kontrolle durch ordentliche Gerichte weitestgehend entziehen, bergen immer die Gefahr mangelnder Transparenz mit allen damit verbundenen Nachteilen (Ausschluss der Öffentlichkeit, Interessenkonflikte der befassten Parteien). Durch die vorgeschlagenen Regelungen zum Investitionsschutz besteht die Gefahr, dass rechtsstaatliche und demokratische Grundsätze unterlaufen werden.
Der SoVD begrüßt, dass mit dieser Anhörung zumindest ein erster Schritt in Richtung Transparenz hergestellt wird. Ein öffentlicher Dialog ist dringend erforderlich. Alle potentiell Betroffenen, ihre Vertreterinnen und Vertreter, Verbände und Organisationen sind einzubinden. Dies sollte frühzeitig geschehen und nicht erst bei der finalen demokratischen Kontrolle durch das europäische und die nationalen Parlamente. Wir mahnen daher an dieser Stelle die frühzeitige Veröffentlichung der Verhandlungstexte unter entsprechender Begleitung durch demokratische Beteiligungsverfahren an. Das Abkommen ist gerade in Bezug auf seine potentiellen Auswirkungen von außerordentlichem öffentlichen Interesse und muss mit entsprechender Wichtigkeit und Transparenz behandelt werden. Eine breite öffentliche Diskussion ist bereits jetzt und nicht erst im Rahmen des Ratifikationsprozesses notwendig.
TTIP ist grundsätzlich für den SoVD nur dann akzeptabel, wenn dessen Regelungen
- soziale Standards und soziale Sicherungssysteme nicht berührt und deren Fortentwicklung nicht beeinträchtigt,
- demokratisch legitimierten Entscheidungen stets den Vorrang einräumt,
- rechtsstaatliche Grundsätze berücksichtigt und nationale Rechtssysteme für vorrangig anwendbar erklärt,
- einheitliche Mindeststandards (d.h., zum Beispiel die Umsetzung der Kernarbeitsnormen der ILO durch die Ver-tragspartner) garantiert werden.
In Bezug auf die Inhalte der Vertragsverhandlungen zu TTIP wird immer wieder auf die verhandelten Texte des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (Ceta) verwiesen. Dieses ist nach unserer Kenntnis bereits ausverhandelt. Ein Verweis auf die Inhalte dieses Abkommens ist aus Sicht des SoVD nicht geeignet, die inhaltlichen Bedenken an TTIP auszuräumen. Es gibt keinen erkennbaren Grund, warum die Inhalte von Ceta zwingend auch für TTIP gelten müssen.
Der SoVD fordert eine aktive Gestaltung bzw. Einflussnahme der Bundesregierung in den laufenden Vertragsentwurfsprozess. So könnten z.B. die in den Anhörungen und Debatten im Deutschen Bundestag vorgetragenen Kritikpunkte festgeschrieben und in den Verhandlungsprozess eingebracht werden. Eine entsprechende transparente ausführliche Berichterstattung über den Umgang mit diesen Einwendungen ist sicherzustellen.
TTIP darf keine Regelungen enthalten, die sich direkt oder indirekt zulasten sozial benachteiligter Menschen auswirken. Normen und Grundsätze mit besonderer Bedeutung im Sinne des Sozialstaatsgebots sollten vom Anwendungsbereich des Abkommens grundsätzlich ausgeschlossen werden. Dies betrifft in besonderem Maße soziale Sicherungssysteme, Gesundheitsversorgung, Leistungen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge sowie soziale Dienste. Diese dürfen nicht fiskalischen oder wirtschaftlichen Interpretationen oder Maßstäben unterworfen werden.
Der SoVD kritisiert zudem deutlich das Instrument der sog. „Regulatorischen Zusammenarbeit“ in der bislang bekannt gewordenen Form. Wir fordern ausdrücklich, von einer solchen Regelung sowie der Einrichtung eines sogenannten Rates zur regulatorischen Kooperation oder vergleichbaren Sondereinrichtungen abzusehen, da diese demokratische Prozesse unterlaufen könnten.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
Stellungnahmne: Freihandelsabkommen TTIP [125 KB]