Rechtsvereinfachung im SGB II
Stellungnahme des SoVD zum Gesetzesentwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung (BR-Drs. 18/8041)
Zusammenfassung
Der Gesetzentwurf ist entstanden aus den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Rechtsvereinfachung im SGB II. Erklärtes Ziel ist eine Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens im Bereich der Leistungsgewährung nach dem SGB II. Es geht bei den Vorschlägen nicht um Verbesserungen für die betroffenen Leistungsbeziehenden, sondern vor allem darum, den Jobcentern die Arbeit zu erleichtern. Infolge dessen beinhaltet der Gesetzentwurf zahlreiche Detailregelungen, die in erster Linie eine Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens zum Ziel haben.
Äußerst bedauerlich ist, dass der Entwurf keinerlei Regelungen zu den im SGB II normierten Sanktionsmöglichkeiten enthält. Aus Sicht des SoVD wäre eine Überarbeitung der Sanktionsregelung besonders dringlich. Bereits die geringste Sanktion (Kürzung der Regelleistung) verringert den verfassungsrechtlich geschützten Anspruch auf Gewährung des sozio-kulturellen Existenzminimums. Darüber hinaus hält der SoVD die Schlechterstellung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegenüber erwachsenen Leistungsbeziehenden weder für sachgerecht noch für haltbar. Die derzeit geltenden Sonderregelungen für Jugendliche und junge Erwachsene müssen gestrichen werden.
Der SoVD spricht sich aus für eine Gesamtrevision des SGB II; vorhandene Mängel und unzureichende Ausgestaltung der Leistungsansprüche müssen endlich beseitigt werden. Der SoVD hat in seinem Konzept „Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik – Inklusion statt Hartz IV“ (www.sovd.de/neuordnung_der_arbeitsmarktpolitik) umfassende Vorschläge zur Generalrevision der Grundsicherung für Arbeitsuchende erarbeitet. Ziel des SoVD ist es, die Grundsicherung derart auszugestalten, dass die Kompetenzen und Fähigkeiten arbeitsuchender Menschen gestärkt werden und die Existenzsicherung tatsächlich gewährleistet ist.
Die wesentlichen Kernforderungen des SoVD sind:
- Die Vermittlung und Beratung von Langzeitarbeitslosen sind spürbar zu verbessern. Beratungs-, Vermittlungs- und Eingliederungsleistungen sind grundsätzlich bei der Bundesagentur für Arbeit anzusiedeln.
- Die Regelbedarfe müssen transparent ermittelt und bedarfsgerecht ausgestaltet werden. Bei Kinderregelbedarfen sind die kinderspezifischen Bedarfe besser zu berücksichtigen. Für erwachsene Menschen mit Behinderung, die nicht allein einen Haushalt führen können, muss durch eine gesetzliche Regelung gewährleistet werden, dass sie den Regelsatz nach Regelbedarfsstufe 1 erhalten. Es ist ein Zuschlag einzuführen, der die tatsächlichen Energiekosten auffängt.
- Langzeitarbeitslose, die über einen längeren Zeitraum erwerbstätig waren und Beiträge in die Arbeitslosenversicherung gezahlt haben, sollen mit dem Arbeitslosengeld II Plus eine zusätzliche Geldleistung erhalten.
Im Folgenden äußert sich der SoVD zu ausgewählten Artikeln des Gesetzentwurfs und fokussiert sich dabei auf diejenigen Neuregelungen, die sich unmittelbar auf den vom SoVD vertretenen Personenkreis auswirken.
Zu den einzelnen Regelungen:
Zu Artikel 1 Nummer 4 (Eingliederungsleistungen für ALG I-Aufstocker)
5 Abs. 4 SGB II-E
Künftig sollen Bezieher und Bezieherinnen von Arbeitslosengeld I, die zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ergänzend Leistungen nach dem SGB II beziehen, Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt von der Bundesagentur für Arbeit erhalten.
Dieses Vorhaben begrüßt der SoVD ausdrücklich. Es ist nicht einsichtig, dass Arbeitslose, die zwar Arbeitslosengeld I beziehen, aber allein aufgrund der niedrigen Höhe des Leistungsanspruchs auf Arbeitslosengeld II angewiesen sind, anders im Hinblick auf die Eingliederungsleistungen behandelt werden als andere Arbeitslosengeld I-Beziehenden. Darüber hinaus haben sie in der Vergangenheit Beiträge aus ihrem Arbeitseinkommen an die Bundesagentur für Arbeit entrichtet. Diese Beiträge müssen auch zu einem Anspruch auf Eingliederungsleistungen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit führen. Daher ist die Einbeziehung dieses Personenkreises in die Zuständigkeit der Bundesagentur für Arbeit - auch bzgl. der Eingliederungsleistungen - ein wichtiger und notwendiger Schritt.
Die Bundesagentur für Arbeit als öffentliche Einrichtung mit zentraler Steuerung und dezentralen Entscheidungszentren verfügt über Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten mit der Eingliederung arbeitsloser Menschen betraut sind. Damit erfüllt die Bundesagentur für Arbeit aufgrund ihrer besonderen Struktur und des vorhandenen Fachpersonals die entsprechenden Voraussetzungen, um arbeitslose Menschen in Arbeit und Beruf einzugliedern. Daher sollten die Eingliederungsleistungen grundsätzlich für sämtliche arbeitslosen Menschen bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelt werden.
Zu Artikel 1 Nr. 11 Buchstabe d (Erweiterung des Beratungsanspruchs)
§ 14 SGB II-E
Die Regelung in § 14 SGB II-E erweitert den Beratungsanspruch der Leistungsbezieherinnen und –bezieher gegenüber dem Jobcenter. Der Beratungsanspruch soll sich künftig auch auf die Erläuterung der Leistungsberechnung beziehen. Die vorgesehene Stärkung des Beratungsanspruchs ist zu begrüßen. Aber nicht nur im Hinblick auf die Leistungsberechnung sollte die Beratung ausgeweitet werden: die qualifizierte Beratung behinderter arbeitsloser Menschen ist dringend auszubauen. Der SoVD fordert die flächendeckende Einrichtung qualifizierter Beratungsstellen zur Betreuung von Rehabilitanden und Schwerbehinderten (sog. Reha SB-Stellen), die u.a. eine schnittstellenübergreifende Beratung schwerbehinderter Menschen durchführen, um diesem Personenkreis eine verbesserte Chance zur Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen.
Zu Artikel 1 Nr. 20 (Kosten für Unterkunft und Heizung)
§ 22 SGB II-E
Mit § 22 SGB II-E werden verschiedene Regelungen zur Erstattung von Aufwendungen für Unterkunftskosten getroffen:
§ 22 Absatz 4 SGB II-E sieht vor, dass Umzüge in Wohnungen, deren Kosten unterhalb der Angemessenheitsgrenze liegen, generell zulässig sein sollen. Diese Regelung ist zu begrüßen; die Leistungsbezieher und –bezieherinnen müssen künftig nicht mehr das Einverständnis des Jobcenters einholen, bevor sie in eine Wohnung umziehen, deren Kosten sich im angemessenen Rahmen bewegt. Darüber hinaus wird das vereinfachte Verfahren zum Bürokratieabbau beitragen.
Auch das Vorhaben, Genossenschaftsanteile und Mietkautionen gleich zu behandeln (§ 22 Abs. 6 SGB II-E) ist zu begrüßen.
Darüber hinaus sieht § 22 Abs. 10 SGB II-E die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze vor, anhand derer die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beurteilt werden soll. Diese Regelung bedeutet eine Schlechterstellung der Leistungsbezieherinnen und –bezieher. Sie ist deutlich abzulehnen. Die tatsächlich anfallenden Heizkosten können nicht im Voraus bestimmt werden: Zum einen sind die Energiepreise nicht konstant, zum anderen sind die Heizkosten stark abhängig von den Außentemperaturen.
Der SoVD weist in diesem Zusammenhang hin auf das anhängige Bundesverfassungsgerichtsverfahren zum Fehlen einer konkreten Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung des Existenzminimums für das Grundbedürfnis „Wohnen“. Als äußerst problematisch erscheint dem SoVD, dass die Verwaltung befugt ist, über die existentielle Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten zu entscheiden. In der Praxis wird die Bemessung von angemessenen Wohnungsgrößen und Mietobergrenzen viel zu restriktiv vorgenommen. Oftmals müssen die Leistungsberechtigten Teile ihrer tatsächlichen Wohnkosten aus dem Regelsatz bestreiten. Der SoVD fordert den Gesetzgeber auf, verbesserte und verlässlichere Regelungen zur Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft zu treffen.
Zu Artikel 1 Nr. 27 Buchstabe a) bb) (sog. sozialwidriges Verhalten)
§ 34 SGB II-E
Die in § 34 SGB II-E formulierte Regelung erweitert den Tatbestand des „sozialwidrigen Verhaltens“, der bisher nur durch aktives Tun realisiert werden konnte, auf ein Erhöhen, Aufrechterhalten sowie nicht Verringern der Hilfebedürftigkeit. Damit werden die Möglichkeiten der Jobcenter ausgeweitet, Erstattungsansprüche gegenüber Leistungsbeziehenden geltend zu machen. Der SoVD lehnt diese Neuregelung ab; die Begriffe sind äußerst unbestimmt. Für die Betroffenen ist überhaupt nicht vorherzusehen, durch welches Verhalten sie mit einem Erstattungsanspruch konfrontiert werden können. Auch in der Begründung des Gesetzentwurfs ist nicht ausgeführt, welches konkrete Verhalten unter die Begriffe Erhöhen, Aufrechterhalten sowie nicht Verringern der Hilfebedürftigkeit zu subsumieren ist.
Zu Artikel 1 Nr. 29 (Rückzahlungen bei Doppelleistungen der Sozialleistungsträger)
§ 34b SGB II-E
Mit der Neuregelung des § 34 b SGB II-E werden die Leistungsbeziehenden verpflichtet, Doppelleistungen, die aufgrund einer parallelen Leistungserbringung anderer Sozialleistungsträger parallel zum Jobcenter erfolgten, an das Jobcenter zurückzuzahlen. Diese Rückzahlungsverpflichtung ist aus Sicht des SoVD problematisch: Doppelleistungen verschiedener Sozialleistungsträger sind in den meisten Fällen auf komplexe Sachverhalte und Regelungen zurückzuführen, die für die Leistungsbeziehenden nicht nachvollziehbar sind. Die Leistungsbezieherinnen und –bezieher können grundsätzlich davon ausgehen, dass Zahlungen der Sozialleistungsträger aufgrund eines rechtmäßigen behördlichen Verfahrens erfolgt sind. Das Erstattungsrisiko bei Doppelleistungen denjenigen Personen aufzubürden, die lediglich über Mittel zur Sicherung des Existenzminimums verfügen, hält der SoVD für nicht sachgerecht. Der SoVD plädiert für eine Regelung, nach der die Jobcenter mit den jeweils anderen involvierten Sozialleistungsträgern eine Verrechnung vornehmen.
Zu Artikel 1 Nr. 35 (Verlängerung des Bewilligungszeitraums)
§ 41 SGB II-E
Die in § 41 SGB II-E vorgesehene Verlängerung des Bewilligungszeitraums von sechs auf 12 Monate wird vom SoVD ausdrücklich begrüßt. Die Leistungsbeziehenden erhalten dadurch mehr Planungssicherheit. Die Behörden werden von aufwendigen Verfahren entlastet.
Zu Artikel 1 Nr. 36 (Vorschuss)
§ 41a SGB II-E
Auch die Verpflichtung zur vorläufigen Leistungsgewährung (Vorschuss) bei noch nicht feststehender Höhe der Hilfebedürftigkeit bewertet der SoVD als positiv. Auch wenn zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht sämtliche leistungserhebliche Tatsachen bekannt sind, ist – durch den Anspruch auf Vorschuss – der Lebensunterhalt des Bedürftigen gesichert.
Zu Artikel 1 Nr. 37 (Unpfändbarkeit)
§ 42 SGB II-E
Die Unpfändbarkeitserklärung des § 42 SGB II-E ist überfällig. Da es sich bei den Grundsicherungsleistungen des SGB II um das Existenzminimum handelt, besteht ein besonderer Schutzbedarf. Selbstverständlich dürfen diese Leistungen nicht gepfändet werden.
Zu Artikel 3 Absatz 12 (Integrationsprojekte)
§ 132 SGB IX-E
Der Gesetzentwurf beabsichtigt im Recht der Integrationsprojekte Änderungen: Diese sollen zielgerichtet auch schwerbehinderte langzeitarbeitslose Menschen und zusätzlich psychisch kranke Menschen – ohne anerkannten Schwerbehindertenstatus – beschäftigen.
In der Neufassung, wonach die Gruppe schwerbehinderter Menschen konkretisiert wird um „schwerbehinderte Menschen, die langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 des Dritten Buches sind“, sieht der SoVD ein wichtiges Signal der Bundesregierung, die hohe Betroffenheit schwerbehinderter Menschen von Langzeitarbeitslosigkeit anzuerkennen und politisch gegenzusteuern. Der Anteil Langzeitarbeitsloser unter schwerbehinderten Menschen lag 2014 mit 46 % (erneut) alarmierend hoch. Es ist richtig, dieser am Arbeitsmarkt stark benachteiligten Gruppe mehr Beschäftigungs- und Teilhabemöglichkeiten auch in Inklusionsprojekten zu eröffnen. Damit diese Ausweitung jedoch nicht zulasten anderer, besonders betroffener schwerbehinderter Menschen wirkt, fordert der SoVD, nicht allein auf Ressourcen der Ausgleichsabgabe zu setzen, sondern vorrangig auf Fördermöglichkeiten im Leistungsrecht des SGB II und III. Diese müssen ggf. auch dauerhaft zur Verfügung stehen. Der SoVD verweist hier insbesondere auf die – noch immer nur befristet zur Verfügung stehenden – Eingliederungszuschüsse nach §§ 88 ff. SGB III und fordert, einen dauerhaften Minderleistungsausgleich endlich im Leistungsrecht des SGB II und III zu verankern.
Die Aufgaben der Integrationsprojekte sollen darüber hinaus erstreckt werden auf die Gruppe psychisch kranker Menschen, „die behindert oder von Behinderung bedroht sind und deren Teilhabe an einer besonderen Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere der Behinderung oder wegen anderer Umstände auf besondere Schwierigkeiten stößt“. Mit der Neuregelung wird der Aufgabenkreis der Integrationsprojekte gezielt ausgeweitet auf einen Personenkreis ohne Schwerbehindertenstatus. Dies sieht der SoVD kritisch, denn das würde die Ausrichtung der Integrationsprojekte deutlich verändern. Zwar können Integrationsprojekte auch heute schon nicht (anerkannt) schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Diese werden aber nicht auf die Beschäftigungsquote nach § 132 Abs. 3 SGB IX angerechnet. Es besteht die Gefahr, dass die Neuregelung eine verdrängende Wirkung zulasten besonders betroffener, schwerbehinderter Menschen in Integrationsprojekten haben könnte. Dies gilt umso mehr, als anders als im Bundesteilhabegesetz; SGB IX, 3. Teil (§ 215 SGB IX-neu) vorliegend die Integrationsquote für Integrationsprojekte gerade nicht auf 30 % angehoben werden soll, weshalb sich der Verdrängungseffekt noch zusätzlich verstärkt Überdies erscheint der o. g. Personenkreis wenig konkret definiert und es bleibt unklar, wer die erforderlichen Feststellungen im Einzelfall treffen soll, wenn eine anerkannte Schwerbehinderung gerade nicht gefordert wird. Der SoVD anerkennt durchaus die besondere Situation vieler psychisch kranker Menschen, eine Erkrankung für sich zu verneinen und auch die Feststellung einer Schwerbehinderung abzulehnen. Er befürwortet, diese Gruppe mit in den Focus der Integrationsprojekte zu rücken, jedoch ohne Anrechnung auf die Beschäftigungsquote. Zentral ist, für diese Menschen Fördermöglichkeiten nach SGB II und III – ggf. auch dauerhaft – zu gewährleisten, damit ihre Mitarbeit in Integrationsprojekten möglich wird; eine spezifische Regelung im Leistungsrecht für diese Personengruppe befürwortet der SoVD. Die Beschäftigung psychisch kranker Menschen in Integrationsprojekten darf nicht an haushalterischen Erwägungen der Leistungsträger scheitern. Dies gilt umso mehr, als Mittel der Ausgleichsabgabe für diesen Personenkreis nicht verwendet werden dürfen, da ansonsten die enge Zweckbindung dieser Mittel nach § 77 Abs. 5 SGB IX in Frage stünde.
Zur fehlenden Neuregelung temporärer Bedarfsgemeinschaften
Der dem Gesetzentwurf zugrunde liegende Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sah vor, dass Kinder von getrennt lebenden Eltern grundsätzlich einer Bedarfsgemeinschaft zugeordnet werden sollen, wenn sie sich überwiegend im Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils aufhalten. Dem hauptsächlich betreuenden Elternteil sollte das vollständige Budget zur Verfügung gestellt werden, um die Versorgung des Kindes zu finanzieren. Für die Zeit, in der sich das Kind beim umgangsberechtigten Elternteil aufhält, sollte ein finanzieller Ausgleich im Innenverhältnis zwischen den getrennt lebenden Eltern erfolgen. Der SoVD hat sich gegen diesen Vorschlag ausgesprochen: Damit würden die Konflikte um die Lebensunterhaltssicherung des Kindes den Elternteilen aufgebürdet. Probleme von Trennungsfamilien würden zu Lasten der Kinder verschärft. Im Regierungsentwurf eines Neunten SGB II-Änderungsgesetzes war die Neuregelung zur temporären Bedarfsgemeinschaft zunächst wegfallen.
Inzwischen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Abstimmung mit dem BMFSFJ und BMJV einen eigenständigen Regelungsvorschlag vorgelegt. Dieser sieht vor, dass die Kinder von getrennt lebenden Eltern beiden Haushalten zeitgleich zugerechnet werden. Eine Berechnung für die Aufteilung des Sozialgeldes soll durch die leistungsgewährenden Behörden dann nicht mehr datumsgebunden, sondern summarisch erfolgen. Auch die Frage hinsichtlich der Haushaltszuordnung für die Tage, an denen das Kind von einem Haushalt in den anderen wechselt, regelt der Entwurf neu. Für die Zuordnung des Anwesenheitstags soll entscheidend sein, in wessen Haushalt sich das Kind zuerst an dem jeweiligen Wechseltag aufgehalten hat. Die derzeit noch notwendige Errechnung der einzelnen Stunden soll damit entfallen. Der SoVD hat in seiner Stellungnahme zum Regelungsentwurf begrüßt, dass die temporäre Bedarfsgemeinschaft gesetzlich fixiert werden soll. Durch eine derartige Regelung berücksichtige das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Verantwortung des Staates, den jeweiligen Anspruch des Kindes auf existenzsichernde Leistungen durch die zuständige Behörde zu gewähren - unabhängig davon, in welcher Betreuungskonstellation es aufwächst. Jedoch sei der Regelungsentwurf unter materiell rechtlichen Aspekten nicht geeignet, die Situation der jeweils betroffenen Leistungsbeziehenden zu verbessern. Denn ein abhängig nach Aufenthaltsdauer im jeweiligen Haushalt aufgeteilter Regelsatz kann die anfallenden Kosten nicht abdecken. So entstehen beispielsweise für zahlreiche Gebrauchsgegenstände sowie Möbel in den beiden Elternhaushalten Kosten, die vom aufgeteilten Regelsatz nicht gedeckt werden können. Der SoVD hält verschiedene Lösungsmöglichkeiten für denkbar: Es könnte ein entsprechender Mehrbedarf gewährt werden, um das Existenzminimum der Umgangskinder bei Aufenthalt in zwei Haushalten zu sichern. Alternativ wäre eine Auszahlung des Sozialgeldes für Umgangstage möglich, ohne dass das Sozialgeld in dem Haushalt gekürzt wird, in dem sich das Kind hauptsächlich aufhält.
Schlussbemerkung
Der SoVD bedauert, dass die Chance für eine Generalrevision des SGB II nicht genutzt wird. Entsprechende Vorschläge für eine umfassende Reform der Regelungen des SGB II hat der SoVD bereits im Jahr 2014 vorgestellt. Der SoVD appelliert eindringlich an die Bundesregierung, das gesamte Leistungssystem für langzeitarbeitslose Menschen sozial gerecht zu reformieren.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
Stellungnahmne: Rechtsvereinfachung im SGB II [180 KB]