Langzeitarbeitslosigkeit
Stellungnahme des SoVD anlässlich einer Anhörung zur Unterrichtung über das Programm „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern“ zur dauerhaften Arbeitsmarktintegration von langzeitarbeitslosen Menschen – A-Drs. 18(11)234
Zur Unterrichtung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Der SoVD begrüßt ausdrücklich, dass es sich die Bundesregierung zur Aufgabe gemacht hat, mit dem Programm „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern“ eine dauerhafte Arbeitsmarktintegration von langzeitarbeitslosen Menschen zu erreichen. Das Programm beinhaltet mehrere Module:
- Das erste Modul bezieht sich auf ein Langzeitarbeitslosenprogramm – insges. 885 Mio. Euro werden dafür vom ESF zur Verfügung gestellt. Damit sollen 33.000 Menschen, die mind. zwei Jahre arbeitslos sind, eine Arbeit erhalten. Die subventionierten Beschäftigungsverhältnisse sollen sozialversicherungspflichtig werden; ihre Bezahlung soll sich an Tarifverträgen bzw. an der ortsüblichen Entlohnung orientieren.
- Vom zweiten Modul mit dem Titel „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern“ sollen besonders benachteiligte Langzeitarbeitslose profitieren: Hierbei geht es um die Eingliederung von 10.000 langzeitarbeitslosen Menschen, die entweder gesundheitlich eingeschränkt sind oder die mit Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Für sie soll ein Lohnkostenzuschuss von bis zu 100 Prozent für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung übernommen werden. 150 Mio. Euro jährlich sollen hierfür aus dem Eingliederungstitel zur Verfügung stehen.
- Auch die Betreuung Langzeitarbeitsloser soll verbessert werden. Hierfür sollen in den Jobcentern 1.000 befristete Stellen, die bisher für das Projekt 50 + angesiedelt waren, verlängert werden – allerdings auch wieder nur befristet bis zum Jahr 2018.
Der SoVD unterstützt das Programm ausdrücklich. Denn trotz des erheblichen Rück-gangs der Arbeitslosenzahlen und trotz des Anstiegs bei der Zahl der Beschäftigten in den letzten fünf Jahren, ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf einem hohen Ni-veau geblieben. Der SoVD begrüßt daher ausdrücklich den Ansatz, durch öffentlich geförderte Beschäftigung denjenigen Menschen, die aufgrund verschiedener Vermittlungshemmnisse kurz- oder mittelfristig keine Chance auf eine reguläre Beschäftigung haben, in eine existenzsichernde und sozialversicherungspflichtige Arbeit zu bringen. Jedoch werden weniger als fünf Prozent der von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen von dem Programm erfasst: Es ist geplant, dass 43.000 Menschen vom Programm profitieren. Dem stehen mehr als eine Million Menschen gegenüber, die seit einem Jahr oder länger arbeitslos sind.
Zu begrüßen ist, dass Menschen mit Behinderungen im Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit grundsätzlich mitgedacht und im Abschnitt zur Gesundheits-förderung auch ausdrücklich angesprochen werden. Denn diese Gruppe ist von Ne-gativentwicklungen am Arbeitsmarkt in den letzten Jahren ganz besonders betroffen: Bei ihnen stieg die Arbeitslosigkeit auch 2014 erneut an. Mit Sorge sehen wir vor diesem Hintergrund jedoch, dass in der bereits erlassenen Förderrichtlinie für das ESF-Programm zur Eingliederung langzeitarbeitsloser Leistungsberechtigter schwerbehinderte Menschen nicht als ausdrückliche Zielgruppe in Ziffer 2.1. der Richtlinie benannt wurden, sondern eine Schwerbehinderung allenfalls als Zusatzkri-terium nach Ziffer 2.3.1. berücksichtigt werden kann. Damit drohen Menschen mit Behinderungen ins Hintertreffen gegenüber anderen Betroffenengruppen bei der Förderung zu kommen. Die Bundesregierung muss deshalb bei der praktischen Um-setzung umso mehr Sorge dafür tragen, dass dies nicht geschieht und Menschen mit Behinderungen von der Förderung in relevantem Umfang mit profitieren. Denn anders als bei anderen Initiativen der Bundesregierung, z. B. der „Initiative Inklusion“, stehen mit dem ESF-Bundesprogramm i. H. v. 885 Mio. € finanziell sehr umfangreiche Ressourcen zur Verfügung. Diese können und müssen auch zugunsten schwer-behinderter arbeitsloser Menschen genutzt werden. Der SoVD wird die praktische Umsetzung mit Blick auf diesen Personenkreis sehr aufmerksam verfolgen.
Darüber hinaus können wir keine überzeugenden Ansätze erkennen, die grundsätzlichen Ursachen für die anhaltend hohe Langzeitarbeitslosigkeit anzugehen. Der SoVD hält einen grundlegenden Systemwechsel in der Arbeitsmarktpolitik für un-ausweichlich. Eine wesentliche Ursache für das Scheitern der Hartz-Gesetze ist, dass das System spaltet. Es unterscheidet zwischen den besser gestellten Arbeits-losen, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung beziehen, und den schlechter gestellten Arbeitslosen, die Leistungen nach dem SGB II erhalten. Diese Unter-scheidung wirkt sich neben den materiellen Unterstützungsleistungen auch auf die arbeitsmarktpolitischen Leistungen aus. Wer Hartz IV bezieht, hat eine erheblich geringere Chance auf eine nachhaltige Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Der SoVD fordert eine Abschaffung dieser willkürlichen Diskriminierung der Arbeitslosen im Hartz IV-System. In seinem Forderungskatalog „Neuordnung der Arbeitsmarktpolitik – Inklusion statt Hartz IV“ befürwortet der SoVD daher unter anderem eine einheitliche Betreuung aller Arbeitslosen durch die Bundesagentur für Arbeit.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
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