Pflege-TÜV
Stellungnahme des SoVD anlässlich einer Anhörung zum Antrag „Pflege-TÜV hat versagt – Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität voranbringen“
Im Antrag „Pflege-TÜV hat versagt – Jetzt echte Transparenz schaffen: Pflegenoten aussetzen und Ergebnisqualität schaffen“ (Drucksache 18/3551) stellt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fest, dass das mit Einführung der Pflege-Transparenzvereinbarungen (PTV) verbundene Ziel, Qualität in Pflegeeinrichtungen und –diensten verständlich, übersichtlich sowie vergleichbar zu veröffentlichen, nicht erreicht wurde. Validität, Zuverlässigkeit und Objektivität der Transparenzkriterien sei nicht wissenschaftlich nachgewiesen. Eine Prüfung der Ergebnis- und Lebensqualität finde nicht statt. Einrichtungen und Dienste hätten sich an die Dokumentationsanforderungen der PTV angepasst, weshalb die Durchschnittsnote derzeit bei 1,3 läge.
Vor diesem Hintergrund fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Veröffentlichung der „Pflege-Noten“ nach der PTV sofort auszusetzen, ein an gesicherten Erkenntnissen über Indikatoren der Ergebnis- und Lebensqualität ausgerichtetes Qualitätssicherungssystem zu entwickeln und in diesen Prozess die maßgeblichen Organisationen und Selbsthilfeverbände für die Wahrnehmung der Interessen pflegebedürftiger und behinderter Menschen gleichberechtigt mit einzubeziehen sowie ein Institut für Qualität in der Pflege zu errichten, das Vorschläge für Qualitätsanforderungen begrüßt.
SoVD-Bewertung: Der Sozialverband Deutschland (SoVD) vertritt die Interessen der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherten und hat heute über 560.000 Mitglieder. Er ist maßgebliche Organisation für die Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen nach § 118 SGB XI.
Pflegebedürftigkeit ist eine Lebenssituation in Abhängigkeit von der Hilfe Dritter, in der die Menschenwürde besonders verletzlich ist. Alle Menschen mit Pflegebedarf haben Anspruch auf eine nach dem anerkannten Stand der Wissenschaft qualitativ hochwertige Pflege. Gute und schlechte Qualität ist transparent darzustellen. Qualitätsmängel sind zu sanktionieren. Da sich pflegebedürftige Menschen aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen als Kunden auf einem „Pflegemarkt“ bewegen, müssen ihnen verlässliche Qualitätsinformationen zur Verfügung gestellt werden, um sie bei der Wahl des Leistungserbringers zu unterstützen. Dies fördert die Qualitätsentwicklung.
Bereits bei der Einführung des Pflege-TÜV hatte der SoVD davor gewarnt, dass eine solche Gesamtnote keine Aussagekraft besitze. Die derzeitige Ausgestaltung der sog. „Pflegenoten“ fokussiert zu stark auf Prozesse und Dokumentationen, ermöglicht die Verrechnung schlechter Grundpflegequalität mit anderen Bereichen und verschleiert vorhandene Qualitätsunterschiede. Bei der Messung und Darstellung der Pflegequalität ist zukünftig ein besonderer Schwerpunkt auf die Darstellung der Ergebnisqualität zu richten. Daneben müssen aber auch weiterhin Struktur- und Prozessqualität betrachtet werden.
Pflegebedürftige Menschen sind allerdings nicht in erster Linie Objekt einer pflegerischen Handlung, sondern Menschen, die in ihrer Häuslichkeit oder in Pflegeeinrichtungen leben. Insofern muss neben der Pflegequalität auch die Lebensqualität geprüft werden, zu der Einrichtungen und Dienste erheblich beitragen können.
Dem Spitzenverband Bund der Pflegekassen, der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und der Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene obliegt gemäß § 113 Abs. 1 Nr. 4 SGB XI die Aufgabe zur Entwicklung von Anforderungen an ein neues indikatorengestütztes Verfahren der Qualitätsmessung in der stationären und ambulanten Pflege. Die Verhandlungen gestalten sich allerdings überaus langwierig und schwierig. Die Schwierigkeiten, in angemessener Zeit zu Vereinbarungen zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern zu kommen, liegen wesentlich darin begründet, dass im SGB XI keine Vorgaben zu den Strukturen gemacht werden, in denen die Verhandlungen der Vereinbarungspartner stattfinden sollen. Weder gibt es einen unparteiischen Vorsitz, noch eine neutrale Geschäftsstelle oder eine Geschäftsordnung mit Vorgaben u.a. zu Mehrheitsabstimmungen, mit deren Hilfe sich Interessenkonflikte überwinden ließen. Von den Verbänden nach § 118 SGB XI initiierte Verhandlungen über die gemeinsame Weiterentwicklung der Strukturen müssen als gescheitert angesehen werden. Leistungsträger und Leistungserbringer sahen für die vorgeschlagen Maßnahmen keine Notwendigkeit.
Vor diesem Hintergrund begrüßt der SoVD die Bemühungen des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Weiterentwicklung der Messung und Darstellung von Pflegequalität politisch zu forcieren. Inbesondere die Schaffung eines Gremiums zur Erarbeitung eines neuen Mess- und Darstellungssystems unter Einbeziehung der maßgeblichen Organisationen nach § 118 SGB XI und die Unterstützung durch ein Institut für Qualität in der Pflege sind sinnvoll. Obwohl der SoVD die großen Unzulänglichkeiten des derzeitigen Systems der Pflegenoten immer wieder deutlich kritisiert hat, hält er eine vollständige Aussetzung oder Abschaffung des „Pflege-TÜV“ – also der Qualitätsprüfungen und –darstellung auf derzeitiger Grundlage – trotzdem nicht für sinnvoll. Denn die Einführung jählicher unangemelderter Qualitätsprüfungen und die Darstellung der Qualitätsergebnisse waren grundsätzlich ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Messung und Darstellung der Pflegequalität. Es stünde weiter zu befürchten, dass durch Aussetzung oder Abschaffung der allgemeine Druck zur Weiterentwicklung des Systems nachließe und ein neues System später als möglich, oder gar nicht eingeführt würde. Um die Aussagekraft der derzeitigen Qualitätsprüfungsberichte kurzfristig etwas zu erhöhen, sollte vielmehr auf die Bildung einer Gesamtnote verzichtet werden.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
Stellungnahmne: Pflege-TÜV [140 KB]