Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz (PpSG)
Stellungnahme des SoVD zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals
1 Zusammenfassung des Referentenentwurfs
Mit dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz – PpSG) sollen spürbare Verbesserungen im Alltag der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege erreicht werden, um die Pflege und Betreuung der Patientinnen und Patienten sowie der Pflegebedürftigen weiter zu verbessern.
Der Referentenentwurf enthält u. a. folgende Maßnahmen:
- Refinanzierung zusätzlicher Personalpflegestelle im Krankenhaus,
- Finanzierung von Tarifsteigerungen für das Pflegepersonal im Krankenhaus,
- krankenhausindividuelle Vergütung von Pflegepersonalkosten,
- Fortführung des Krankenhausstrukturfonds,
- Finanzierung von Pflegestellen für vollstationäre Pflegeeinrichtungen,
- Förderung von Investitionen in die Digitalisierung der Pflegeeinrichtungen,
- verbindliche Ausgestaltung der Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Pflegeheimen,
- Anpassungen der Vergütung der Wegezeiten ambulanter Alten- und Krankenpflege im ländlichen Raum,
- Förderung von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf in den Krankenhäusern und von Pflegeeinrichtungen,
- Ausgestaltung der medizinischen Rehabilitation für pflegende Angehörige.
Die Regelungen sollen vornehmlich zum 1.1.2019 in Kraft treten.
2 SoVD-Gesamtbewertung
Mit dem Entwurf sollen die bereits in den Eckpunkten zum Sofortprogramm für die Kranken- und Altenpflege vorgestellten Maßnahmen im Wesentlichen umgesetzt werden. Der Referentenentwurf lässt deutliche Bemühungen für eine Verbesserung der Arbeitssituation in der Kranken- und Altenpflege erkennen. Die geplanten Maßnahmen können jedoch nur ein erster Schritt sein, um dem gravierenden Pflegenotstand und dem Pflegefachkräftemangel nachhaltig entgegenzuwirken. Ziel muss es sein, eine bedarfsgerechte medizinische und pflegerische Versorgung sicherzustellen. Dafür ist eine bedarfsdeckende Pflegepersonalausstattung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen unerlässlich.
Im Bereich der Pflege im Krankenhaus begrüßt der SoVD insbesondere die vollständige Refinanzierung zusätzlicher Pflegestellen in der unmittelbaren Patientenversorgung durch die Krankenkassen. Als Teil der laufenden Betriebskosten müssen diese systemgerecht nach dem Prinzip der „dualen Finanzierung“ im Rahmen der Krankenhausvergütung von den Krankenkassen finanziert werden. Demgegenüber darf der aus Mitteln der gesetzlichen Krankenkassen finanzierte Strukturfonds nicht zur Schließung der von den Bundesländern zu verantwortenden Investitionskostenlücke zweckentfremdet werden.
Im Bereich der stationären Pflegeeinrichtungen ist die vorgesehene Finanzierung der zusätzlichen Stellen der medizinischen Behandlungspflege in den Pflegeeinrichtungen aus Mitteln der Krankenversicherung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Die Korrektur der Finanzierungsregel sollte jedoch nicht allein auf zusätzliche Stellen begrenzt sein. Die Behandlungspflege umfasst medizinische Leistungen zur Sicherung des Ziels ärztlicher Behandlung und ist eine originäre Aufgabe der Krankenversicherung. Als Leistung in stationären Pflegeeinrichtungen ist sie derzeit systemfremd bei der Pflegeversicherung angesiedelt und geht letztlich zulasten der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen. Entsprechend muss die Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen insgesamt aus Mitteln der Krankenversicherung erfolgen.
Schließlich bekräftigt der SoVD in diesem Zusammenhang seine Forderung, den Grundsatz „Rehabilitation vor und bei Pflege“ zu verwirklichen. Die Vermeidung oder Verminderung von Pflegebedürftigkeit sind von hoher Bedeutung für die Lebensqualität und die Teilhabe aller Menschen. Die Verwirklichung einer reaktivierenden und rehabilitativen Pflege darf nicht etwa an einer unzureichenden Personalausstattung von Pflegeeinrichtungen scheitern. Es müssen zudem entsprechende Strukturen und Angebote geschaffen und finanziert werden.
3 Zu einzelnen Regelungen
a) Refinanzierung zusätzlicher Pflegestellen im Krankenhaus
Zu Artikel 8 Nummer 2 e (§ 4 Krankenhausentgeltgesetz)
Um die Personalausstattung in der Pflege im Krankenhaus zu verbessern, soll ab dem Jahr 2019 jede zusätzliche und jede aufgestockte Pflegestelle in der unmittelbaren Patientenversorgung („am Bett“) vollständig von den Kostenträgern refinanziert werden. Hierzu wird das mit dem Krankenhausstrukturgesetz eingeführte Pflegestellen-Förderprogramm über das Jahr 2018 hinaus fortgeführt. Die zusätzlichen Mittel sind zweckgebunden für Pflegestellen am Bett. Sie gelten für zusätzliche Pflegestellen als auch für die Aufstockung vorhandener Teilzeitstellen. Eine Obergrenze für die zusätzlichen Mittel entfällt.
SoVD-Bewertung: Die Krankenhausfinanzierung erfolgt in Deutschland seit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 nach dem Prinzip der "dualen Finanzierung": Während die Investitionskosten im Wege der öffentlichen Förderung durch die Bundesländer getragen werden, finanzieren die Krankenkassen die laufenden Betriebskosten im Rahmen der Krankenhausvergütung. Letztere sind dabei solche Kosten, die für die Behandlung von Patienten entstehen, mithin auch Pflegepersonalkosten. Es ist daher systemgerecht, dass die Pflegestellen in der unmittelbaren Patientenversorgung vollständig von den Kostenträgern refinanziert werden. Dies reduziert die Gefahr von Einsparungen in der unmittelbaren Patientenversorgung aus rein ökonomischen Gründen. Allerdings kann die Refinanzierung nicht nur auf zukünftige Pflegestellen begrenzt werden, sondern muss konsequenter Weise für alle – auch bereits besetzte – Pflegestellen „am Bett“ in Krankenhäusern gelten.
b) Finanzierung von Tarifsteigerungen für Pflegepersonal im Krankenhaus
Zu Artikel 8 Nummer 8 a (§ 10 Krankenhausentgeltgesetz) u.a.
Zukünftig sollen Tarifsteigerungen für die Pflegekräfte anstelle der bisherigen hälftigen Refinanzierung vollständig von den Kostenträgern refinanziert werden. Dies gilt für lineare und strukturelle Tarifsteigerungen sowie tarifvertraglich vereinbarte Einmalzahlungen. Die auf 100 Prozent angehobene Tarifrefinanzierung für das Pflegepersonal soll bereits für das Jahr 2018 erfolgen. Die zusätzlichen Finanzmittel sind zweckgebunden für Pflegepersonal einzusetzen und durch einen Nachweis zu belegen. Nicht zweckentsprechend verwendete Mittel sind zurückzuzahlen.
SoVD-Bewertung: Diebeabsichtigte Finanzierung von Tarifsteigerungen für Pflegepersonal im Krankenhaus wird begrüßt. Sie ermöglicht unabhängig von dem konkreten Einsatzgebiet im Krankenhaus angemessene Tarifsteigerung für das Pflegepersonal in den Kliniken und reduziert zugleich die Gefahr der Kompensation tariflicher Mehrkosten durch Einsparungen zu Lasten der Pflege.
c) Krankenhausindividuelle Vergütung (Pflegebudget)
Zu Artikel 8 Nummer 4 (§ 6a – neu – Krankenhausentgeltgesetz)
Ab dem Jahr 2020 soll die Krankenhausvergütung auf eine Kombination von Fallpauschalen und einer Pflegepersonalkostenvergütung umgestellt werden. Ziel ist es, Pflegepersonalkosten in der Patientenversorgung besser und unabhängig von Fallpauschalen zu vergüten. Über ein neu einzuführendes Pflegebudget sollen die Pflegepersonalkosten in der Patientenversorgung unter Berücksichtigung des krankenhausindividuellen Pflegepersonalbedarfs finanziert werden. Auf Basis der Pflegepersonalausstattung und der krankenhausindividuellen Kosten werden die Vertragsparteien künftig auf der Ortsebene das Pflegebudget vereinbaren. Die DRG-Berechnungen werden um die entsprechenden Pflegepersonalkosten bereinigt.
SoVD-Bewertung: Grundsätzlich ist eine krankenhausindividuelle Vergütung von Pflegepersonalkosten zu begrüßen. Allerdings lässt die Gestaltung der Regelungen im Referentenentwurf nicht deutlich genug erkennen, welche Funktion das künftige Pflegebudget bei der Krankenhausfinanzierung einnehmen soll. Es bleibt zu befürchten, dass die Ausgestaltung der künftigen Vergütung von Pflegepersonalkosten in Form einer Budgetierung letztlich erneut auf eine reine Mittelbegrenzung hinausläuft. Dies wäre jedoch fatal angesichts des Pflegenotstands und Fachkräftemangels. Hier fordert der SoVD den Gesetzgeber zu einer Klarstellung auf. Zu lange blieb die Grundkonstruktion des DRG-Systems unangetastet. Allerdings lässt der Referentenentwurf bei den Pflegepersonalkosten durchaus einen Reformwillen erkennen: So soll etwa durch die umfassende Finanzierung von Pflegepersonalkosten durch das Pflegebudget und dessen Zweckbindung die gewünschte Anreizwirkung für die Einstellung von mehr Pflegepersonal zielgenauer erreicht werden. Ebenfalls wird in dem Entwurf klargestellt, dass die dem einzelnen Krankenhaus entstehenden Pflegepersonalkosten als wirtschaftlich im Sinne des § 12 SGB V anzusehen sind. Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird unabhängig von der Höhe der geltend gemachten Kosten nicht verletzt. Damit wird eine dem krankenhausindividuellen Pflegepersonalbedarf und dem hierfür erforderlichen Aufwand ausreichende Finanzierung gewährleistet, was ausdrücklich begrüßt wird.
d) Fortführung des Krankenhausstrukturfonds
Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 12a Krankenhausfinanzierungsgesetz)
Der Entwurf sieht die Fortsetzung des Krankenhausstrukturfonds vor. Der Fonds soll ab 2019 für weitere vier Jahre mit einem Volumen von einer Milliarde Euro jährlich fortgesetzt werden. Die Finanzierung erfolgt dabei weiterhin je zur Hälfte aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und aus Mitteln der Länder. Die in einem Jahr nicht abgerufenen Mittel werden in das Folgejahr übertragen. Die bisherigen Zwecke der Förderung von Schließungen, Konzentrationen und Umwandlungen akutstationärer Versorgungskapazitäten werden beibehalten.
SoVD-Bewertung: Angesichts der vorhandenen Überkapazitäten in der Krankenhausversorgung sind Bemühungen zur Umstrukturierung aus Sicht des SoVD nach wie vor richtig. Nach dem Prinzip der "dualen Finanzierung" handelt es sich hierbei jedoch ausschließlich um Investitionskosten, die im Wege der öffentlichen Förderung allein durch die Bundesländer getragen werden müssten. Dem kommen die Länder jedoch nicht nach. Stattdessen werden mit der Beibehaltung der Fondsfinanzierung auch in den nächsten vier Jahren Beitragsgelder der gesetzlich Versicherten in einem Gesamtvolumen von bis zu 2 Milliarden Euro aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds für Strukturaufgaben zweckentfremdet. Auch die privaten Krankenversicherungsunternehmen werden nach wie vor nicht verbindlich an der Finanzierung des Strukturfonds beteiligt, obgleich auch ihre Versicherten von der mit den Fondsmitteln finanzierten Umstrukturierung profitieren. Der SoVD bekräftigt daher seine Forderung¹ gegenüber den Bundesländern, ihrer Verantwortung für die Versorgung der Patientinnen und Patienten gerecht zu werden und die Investitionskostenförderung im notwendigen Umfang zu leisten. Dies wäre etwa in Form einer verbindlichen Investitionskostenquote für die Bundesländer denkbar. Immerhin: Um ein Absenken der bisherigen Fördervolumen zumindest zu verhindern, werden die Länder verpflichtet, ihr durchschnittliches Investitionsniveau der Jahre 2015 bis 2017 in den Jahren 2019 bis 2022 mindestens beizubehalten.
e) Finanzierung zusätzlicher Stellen der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen
Zu Artikel 7 Nummer 4 a (§ 37 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch)
Mit dem Entwurf sollen die vollstationären Pflegeeinrichtungen personell gestärkt werden, um insbesondere den Aufwand im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege besser abdecken zu können. Dazu erhalten die Einrichtungen in Abhängigkeit der Einrichtungsgröße unmittelbar einen gesetzlichen Anspruch, auf Antrag zusätzliche Pflegekräfte durch einen Zuschlag finanziert zu bekommen: Einrichtungen mit bis zu 40 Plätzen steht jeweils eine halbe Pflegestelle, Einrichtungen mit 41 bis zu 80 Plätzen eine Pflegestelle, Einrichtungen mit 81 bis zu 120 Plätzen eineinhalb Pflegestellen und Einrichtungen ab 121 Plätzen zwei Pflegestellen zusätzlich zu. Zur Finanzierung zahlen die gesetzlichen Krankenkassen einen jährlichen Pauschalbetrag an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung. Insgesamt sollen somit rund 13.000 zusätzliche Stellen in Pflegeeinrichtungen geschaffen werden.
SoVD-Bewertung: Der SoVD begrüßt grundsätzlich die Intention zur personellen Stärkung der medizinischen Behandlungspflege in Pflegeeinrichtungen. Anders als noch die entsprechende Vereinbarung im Koalitionsvertrag über 8.000 zu finanzierende neue Stellen orientiert sich die Größenordnung von rund 13.000 möglichen zusätzlichen Stellen an der Zahl der voll- und teilstationären Pflegeheime in Deutschland von derzeit rund 13.600. Dies ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung, genügt allein jedoch nicht. Insgesamt wurden laut Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (vgl. Drucksache19/1803) allein im Jahr 2017 deutschlandweit rund 15.000 offene Stellen für Altenpflegefachkräfte und rund 11.000 für Krankenpflegefachkräfte und -spezialisten gemeldet. Dabei weist der SoVD darauf hin, dass die Zahl der unbesetzten offenen Stellen keinesfalls Rückschlüsse auf den eigentlichen pflegerischen Personalbedarf zulassen. Ziel weiterer Schritte muss eine bedarfsdeckende Personalausstattung sein.
Die Vollfinanzierung der zusätzlichen Stellen aus Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung ist systemgerecht. Auch die anteilige Beteiligung der privaten Pflegeversicherung an der Finanzierung entsprechend der Zahl der Pflegebedürftigen ist richtig. Es sollten jedoch nicht nur der finanzielle Mehraufwand für die neuen Stellen, sondern die Finanzierung der gesamten medizinischen Behandlungspflege insgesamt aus Mitteln der Krankenversicherung erfolgen. Es stößt diesseits auf Unverständnis und Kritik, dass die Leistungszuständigkeit der Krankenkassen für die medizinische Behandlungspflege in stationären Pflegeeinrichtungen nicht gilt. Die Behandlungspflege umfasst medizinische Leistungen zur Sicherung des Ziels ärztlicher Behandlung und ist eine originäre Aufgabe der Krankenversicherung. Für Leistungen in stationären Pflegeeinrichtungen ist sie derzeit systemfremd bei der Pflegeversicherung angesiedelt, was in der Praxis zu erheblichen Unterschieden in der Versorgung von Personen in ambulanter und stationärer Versorgung führt.
Die gegenwärtig systemfremde Finanzierungsregel geht infolge der Limitierung der Leistungen der Pflegekassen bei stationärer Pflege letztlich auch zulasten der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen. Denn sie tragen die Mehrkosten, die über den Betrag der Pflegekasse je Pflegegrad hinausgehen in vollem Umfang selbst. Damit führen Leistungen der medizinischen Behandlungspflege, die eigentlich der krankenkassenärztlichen Versorgung als originäre Versicherungsleistung unterliegen, u.U. zur vorzeitigen Erschöpfung des pflegegradabhängigen Pflegebudgets nach dem jeweiligen Pflegegrad, obwohl dies eigentlich nur für reine Pflegeleistungen zur Verfügung steht.
f) Förderung von Investitionen in die Digitalisierung
Zu Artikel 10 Nummer 2 (§ 8 Elftes Buch Sozialgesetzbuch)
Mit dem Entwurf sollen die Potentiale der Digitalisierung für die Entlastung der Pflegekräfte in der ambulanten und stationären Altenpflege nutzbar gemacht werden. Dafür ist für den Zeitraum von 2019 bis 2021 ein Förderprogramm für digitale Maßnahmen der Pflegeeinrichtungen vorgesehen, das aus Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung finanziert werden soll. Der maximale Förderbetrag beträgt 12.000 Euro bzw. 40 Prozent der anerkannten Maßnahme. Exemplarisch werden Maßnahmen in den Bereichen Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, Abrechnung von Pflegeleistungen, Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Pflegeheimen, bei der Dienst- und Tourenplanung sowie beim internen Qualitätsmanagement und der Erhebung von Qualitätsindikatoren genannt.
SoVD-Bewertung: Es ist richtig, dass die Digitalisierung zur Ergänzung und Erleichterung der alltäglichen Arbeit beitragen kann, wenn sie erfolgreich eingesetzt wird. Allerdings sollten Investitionen in die Digitalisierung für jedes Unternehmen eine Selbstverständlichkeit sein, mit dem Ziel, langfristig Kosten zu sparen. Dies gilt im digitalen Zeitalter für Unternehmen und Privatpersonen gleichermaßen. Letztere sehen sich zunehmend elektronischen Prozessen ausgesetzt, ohne eine Förderung zu erhalten. Mit dem Förderprogramm sind Kosten verbunden, die im Referentenentwurf für die Förderzeit auf insgesamt bis zu 310 Millionen Euro beziffert werden. Der SoVD gibt zu bedenken, dass diese Summe aus Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung finanziert werden soll, die letztlich nicht mehr für Pflegeleistungen zur Verfügung stehen.
g) Verpflichtende Kooperationen von Ärzten und Pflegeheimen
Zu Artikel 7 Nummern 6 ff. (§§ 87, 119b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch)
Um die ärztliche Versorgung in der stationären Altenpflege zu verbessern und die Pflegekräfte zu entlasten, soll die Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, Kooperationsverträge mit geeigneten vertrags(zahn)ärztlichen Leistungserbringern zu schließen, verbindlicher ausgestaltet werden. Zudem ist vorgesehen, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig verpflichtet sind, bei Vorliegen eines Antrags einer Pflegeeinrichtung zur Vermittlung eines Kooperationsvertrages einen entsprechenden Vertrag innerhalb einer Frist von drei Monaten zu vermitteln. Auch sollen für die Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Pflegeheimen Sprechstunden und Fallkonferenzen per Video als telemedizinische Leistung umfangreich ermöglicht werden. Dabei wird die Entscheidung grundsätzlich in das Ermessen der Ärztin bzw. des Arztes gestellt, bei welchen Indikationen eine Videosprechstunde in Absprache mit der Patientin bzw. dem Patienten sachgerecht sei.
SoVD-Bewertung: Die (zahn)ärztliche Versorgung für Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen muss sichergestellt sein. Kooperationsverträge sollen dies ermöglichen. Es ist bedauerlich, dass es offenbar einer deutlichen Nachschärfung der gesetzlichen Aufforderung zu einer Kooperation zum Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner bedarf. Die aufsuchende medizinische Versorgung ist gerade für immobile Pflegebedürftige unverzichtbar und muss vollumfänglich ermöglicht werden. Dies gilt im besonderen Maße für die zahnmedizinische Untersuchung und Vorsorge. Die Vermittlung eines Kooperationsvertrages darf nicht durch überlange Antragsbearbeitungen seitens der Kassenärztlichen Vereinigungen verzögert werden. Ein ungleicher Zugang zur ärztlichen Versorgung bei gleichem Versichertenstatus in der gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht akzeptabel. Hier sei an den Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen erinnert.
Der geplante Ausbau der Videosprechstunde kann Engpässe in der Patientenversorgung gerade im ländlichen Bereich und strukturschwachen Regionen entschärfen. Sie sollte jedoch nur ergänzend eingesetzt werden und darf den Arzt-Patienten-Kontakt nicht ersetzen. Die Ärztinnen und Ärzte müssen fundiert entscheiden, ob eine Videosprechstunde ärztlich vertretbar und ein persönlicher Kontakt vor Ort nicht zwingend erforderlich ist.
h) Verbesserung der Vergütung ambulanter Wegezeiten
Zu Artikel 7 Nummer 8 (§ 132a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch)
Mit dem Entwurf ist ein unbürokratisch zu gewährender Wegekostenzuschlag für die ambulante Alten- und Krankenpflege im ländlichen Raum vorgesehen. Er soll im Umfang den zusätzlichen Aufwand angemessen abbilden.
SoVD-Bewertung: Die Stärkung der ambulanten Alten- und Krankenpflege ist richtig, um eine Versorgung insbesondere im ländlichen Raum und strukturschwachen Gebieten mit längeren Anfahrtswegen bedarfsgerecht sicherzustellen. Dafür ist die bessere Honorierung der Wegezeiten ein erster, guter Ansatzpunkt.
i) Förderung von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf in den Krankenhäusern und von Pflegeeinrichtungen
Zu Artikel 8 Nummer 2 f (§ 4 Krankenhausentgeltgesetz) sowie
Zu Artikel 10 Nummer 2 (§ 8 Elftes Buch Sozialgesetzbuch)
Um den hohen Anforderungen an die Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf, denen die Pflegekräfte oft ausgesetzt sind (z.B. häufige Arbeitszeiten in den Randstunden des Tages, in der Nacht oder am Wochenende), besser gerecht werden zu können, sollen Maßnahmen in den Jahren 2019 bis 2024 zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf gefördert werden. Für den Bereich der Pflege in den Krankenhäusern wird mit einem Fördervolumen von jährlich bis zu 70 Millionen Euro gerechnet. Für den Bereich der Pflege in Pflegeeinrichtungen werden jährlich bis zu 100 Millionen Euro bereitgestellt.
SoVD-Bewertung: Der Gesetzgeber sieht zu Recht den Bedarf der Förderung von Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf. Neben einer angemessenen Entlohnung müssen auch die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal deutlich verbessert werden, um die Attraktivität der Pflegeberufe zu steigern und Pflegepersonal in ihrem Beruf zu halten. Die Förderung von entsprechenden Maßnahmen ist ein erster Schritt hierzu. Bereits 2015 hat der SoVD in seiner Broschüre „Gute Pflege braucht starke Kräfte – Forderungen des SoVD für eine Stärkung der Altenpflegekräfte“² ein Bündel geeigneter Maßnahmen zur Stärkung der beruflich Pflegenden vorgestellt, wie etwa die „gesunde“ Organisation und Gestaltung des Arbeitsumfelds und die zumutbare Gestaltung verlässlicher Schicht- und Urlaubspläne.
j) Medizinische Rehabilitation für pflegende Angehörige
Zu Artikel 7 Nummer 5 (§ 40 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch)
Der Entwurf will pflegenden Angehörigen den Zugang zu Maßnahmen medizinischer Rehabilitation erleichtern. Pflegenden Angehörigen soll ein eigenständiger Leistungsanspruch ermöglicht werden, nach ärztlicher Verordnung eine von der Krankenkasse zu genehmigende stationäre Rehabilitation in Anspruch zu nehmen, ohne dass zuvor ambulante Leistungen durchgeführt worden sind.
SoVD-Bewertung: Die Regelung wird grundsätzlich begrüßt, obgleich bereits nach geltendem Recht ein Anspruch auf eine stationäre Rehabilitation für pflegende Angehörige besteht. Rehabilitation muss jedoch insgesamt weiter an Bedeutung gewinnen. Nach wie vor ist die Umsetzung des Grundsatzes „Rehabilitation vor und bei Pflege“ unzureichend. Zwar wird im Rahmen des neuen Pflegebegutachtungsverfahrens die Rehabilitation bei Pflegebedürftigen stärker berücksichtigt als früher. Allerdings müssen Rehabilitationsmaßnahmen bereits vor Eintreten einer Pflegebedürftigkeit genutzt werden, um Behinderungen und Benachteiligungen zu verringern. Zugleich muss gute Pflege stets rehabilitativ auf den Erhalt und die Rückgewinnung von Fähigkeiten ausgerichtet sein. Jedoch spielt Rehabilitation im Kassenwettbewerb nur eine untergeordnete Rolle und wird entsprechend restriktiv gewährt. Geeignete Reha-Strukturen, insbesondere zugehende, stehen kaum zur Verfügung. So gibt es beispielsweise mangels hinreichender Finanzierung deutschlandweit derzeit nur rund 15 Einrichtungen der aufsuchenden Reha (sogenannte mobile Reha). Der SoVD fordert, den gesetzlichen Auftrag des Grundsatzes „Rehabilitation vor und bei Pflege“ gezielt umzusetzen.
4 Zusammenfassung
Der SoVD begrüßt grundsätzlich die mit dem Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen, auf die allerdings noch weitere Schritte folgen müssen. Insbesondere begrüßt der SoVD die systemgemäße Refinanzierung zusätzlicher Pflegestellen in der unmittelbaren Patientenversorgung im Krankenhaus durch die Krankenversicherung. Allerdings müssen die Bundesländer ihren Investitionspflichten vollumfänglich nachkommen, damit zur Schließung der von den Ländern zu verantwortenden Investitionskostenlücke nicht weiterhin Mittel der gesetzlichen Krankenversicherung zweckentfremdet werden. In Pflegeeinrichtungen muss die medizinische Behandlungspflege als originäre Aufgabe der Krankenversicherung vollumfänglich aus Mitteln der Krankenversicherung finanziert werden. Schließlich gilt es, den Grundsatz „Rehabilitation vor und bei Pflege“ gezielt umzusetzen. Dafür müssen auch entsprechende Strukturen und Angebote geschaffen und finanziert werden.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
Stellungnahmne: Pflegepersonal-Stärkungs-Gesetz (PpSG) [198 KB]