Krankenkassenbeiträge
Stellungnahme des SoVD anlässlich einer Anhörung zu Anträgen über gerechte Krankenkassenbeiträge für Selbständige und freiwillig in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherte
Zu den Anträgen der Fraktion Die Linke
Die Anträge der Fraktion Die Linke fordern eine Korrektur bei der Erhebung von Krankenkassenbeiträgen für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte. Die Antragstellerinnen und Antragsteller weisen darauf hin, dass es aufgrund der Mindestbemessungen nach § 240 Absatz 4 SGB V bei der Erhebung von Krankenkassenbeiträgen für freiwillig gesetzlich Versicherte mit geringem Einkommen zu wesentlich höheren Beitragsbelastungen kommen kann als für vergleichbare gesetzlich Pflichtversicherte. Dies betreffe zum Beispiel viele freiwillig versicherte Rentnerinnen und Rentner sowie Studierende mit Überschreitung von 14 Fachsemestern, nach Vollendung des dreißigsten Lebensjahres oder Promovierende.
Bei solchen freiwillig Versicherten, die hauptberuflich Selbständige sind, werde ein Krankenversicherungsbeitrag erhoben als hätten sie Einkünfte in Höhe der geltenden Beitragsbemessungsgrenze. Diese wurde für 2017 auf 4.350,00 Euro im Monat (52.200,00 EUR im Jahr) festgelegt. Diese könne nur unter engen Voraussetzungen noch weiter gesenkt werden. Dadurch könne sich beispielsweise bei einem Einkommen (Gewinn aus selbständiger oder gewerblicher Tätigkeit) von 800 Euro ein Beitragssatz von fast 50 Prozent statt des regulären Satzes von insgesamt 18 Prozent ergeben. Viele Selbständige, insbesondere Solo-Selbständige, hätten deshalb Beitragsschulden und einen nur minimalen Leistungsanspruch in der medizinischen Versorgung. Insgesamt entfalle auf die Personengruppe der freiwillig gesetzlich Versicherten (inklusive der Selbständigen) der größte Teil der Beitragsschulden.
Vor diesem Hintergrund fordern die Antragstellerinnen und Antragsteller mit den Anträgen die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, wonach die Mindestbeitragsbemessung für freiwillig Versicherte nach § 240 Absatz 4 SGB V auf die Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 450 Euro abgesenkt wird.
Gesamtbewertung der Anträge der Fraktion Die Linke
Der SoVD sieht bei der Beitragsbemessung freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherter einen lange überfälligen gesetzgeberischen Korrekturbedarf. Im Gegensatz zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze von derzeit 4.350 Euro im Monat (2017), die sowohl für gesetzlich wie auch freiwillig Versicherte als beitragsrechtliche Höchstgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung gilt, sehen die Beitragsregelungen darüber hinaus für freiwillig Versicherte Untergrenzen vor, die sogenannten Mindestbemessungsgrundlagen nach § 240 Absatz 4 SGB V. Für 2017 beträgt die allgemeine Mindestbemessungsgrundlage für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte 991,67 Euro (entspricht dem neunzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße) und ergibt bei einem Beitragssatz von 14,6 Prozent (mit Krankengeldanspruch ohne kassenindividuellen Zusatzbeitrag) einen Monatsbeitrag von 144,78 Euro. Unterschreiten die tatsächlichen beitragspflichtigen Einnahmen diese Grenze, wird die Mindestbemessungsgrundlage als Mindesteinkommen – fiktiv – zur Berechnung des Krankenkassenbeitrags zugrunde gelegt. Für hauptberuflich Selbständige, die den Krankenkassenbeitrag allein stemmen müssen, werden trotz Nachweises niedrigerer Einnahmen sogar 2.231,25 Euro (2017) als Mindesteinnahmegrenze fingiert (entspricht dem vierzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße). Selbst Existenzgründer müssen auf monatlich 1.487,50 Euro Beiträge zahlen (entspricht dem sechzigsten Teil der monatlichen Bezugsgröße).
Seit Jahren weist der SoVD auf die finanziellen Belastungen auf der Ebene der Beitragshöhe für gering verdienende freiwillig Versicherte, insbesondere für Solo-Selbständige, und auf die damit verbundenen Probleme fehlender Zahlungsfähigkeit hin. Es ist fraglich, ob die unterschiedlichen Mindestbeitragsbemessungsgrundlagen für freiwillig Versicherte heute überhaupt noch zeitgemäß sind. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob die tragenden Gründe für die Differenzierung zwischen den freiwillig Versicherten noch vorliegen. In der heutigen Erwerbsrealität ist es nicht mehr der Fall, dass Selbständige, und besonders Solo-Selbständige, nur in bestimmten Phasen Einkünfte unterhalb der Mindestbemessungsgrenze erzielen. Vielmehr erwirtschaften sie oft generell nur ein geringes Einkommen. Die gesetzliche Krankenversicherung ist ein soziales Sicherungssystem mit einem Solidarausgleich auf Grundlage des sogenannten Solidaritätsprinzips. Wesensmerkmal ist – anders als beim sogenannten Äquivalenzprinzip der privaten Krankenversicherung – ein risikounabhängiger Beitrag für den Krankenversicherungsschutz auf Grundlage der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherten. Die systematische Begünstigung finanziell Schwächerer ist damit eines der wichtigsten Ziele und einer der überzeugendsten Vorzüge des bestehenden gesetzlichen Krankenversicherungssystems. Die Beitragserhebung muss sich daher auch für diese Personengruppe an den tatsächlichen Zahlungsmöglichkeiten orientieren. Wie auch der SoVD sehen die Antragstellerinnen und Antragsteller durch die bestehenden Regelungen daher für diese Personengruppe die Gefahr finanzieller Belastungen und für Beitragsschulden. Vor diesem Hintergrund unterstützt der SoVD die Forderungen der Antragstellerinnen und Antragsteller nach einer Absenkung der Mindestbeitragsbemessung für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherte zumindest auf das Niveau der Geringfügigkeitsgrenze von derzeit 450 Euro (2017).
Eine solche Absenkung der Mindestbeitragsgrundlagen für freiwillig Versicherte ist selbstverständlich mit erheblichen Einnahmeverlusten auf Seiten der gesetzlichen Krankenversicherung verbunden. Anstatt jedoch aus dem Kreis der gesetzlich Versicherten gerade den Teil der gering verdienenden freiwillig Versicherten herauszugreifen und mit Beitragsforderungen mittels fiktiver Mindesteinkommen jenseits der tatsächlich finanziellen Leistungsfähigkeit überproportional zu belasten, sollte die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt einheitlicher und solidarischer finanziert werden. Der SoVD bekräftigt daher seine Forderung nach einer sofortigen Rückkehr zur vollen paritätischen Finanzierung der Beitragssätze zur Krankenversicherung sowie nach Maßnahmen zur Stärkung der solidarischen Umlagefinanzierung, wie insbesondere eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze und der Versicherungspflichtgrenze, die Einbeziehung weiterer Einkommensarten und die Einführung eines Finanzausgleichs zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Langfristig lassen sich Defizite im Leistungsspektrum und die Finanzierungsprobleme der Gesetzlichen Krankenversicherung nur durch die Einführung einer Bürgerversicherung für die gesamte Bevölkerung in Deutschland auf der Grundlage der Gesetzlichen Krankenversicherung lösen. Nur so kann eine bedarfsgerechte Leistungserbringung für alle Patientinnen und Patienten sichergestellt werden. Diese bedarfsgerechte Leistungserbringung – auf Basis einer solidarischen Finanzierung – muss das Ziel jeder Reform im Gesundheitssystem sein.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
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