Jugend: Referentenentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Gesetzes zur Abschafung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe
1 Zusammenfassung des Gesetzentwurfs
Junge Menschen, die im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe in einer Pflegefamilie, einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform leben und ein eigenes Einkommen haben, werden bisher gemäß § 94 Absatz 6 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder-und Jugendhilfe (SGB VIII) zu einem Kostenbeitrag in Höhe von bis zu 25 Prozent ihres Einkommens herangezogen. Der Referentenentwurf der Bundesregierung sieht nun vor, die Kostenheranziehung für junge Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe abzuschaffen. Damit kommt die Bundesregierung ihrer Forderung im Koalitionsvertrag nach, dass Heim- und Pflegekinder eigene Einkünfte komplett behalten können. Darüber hinaus sollen ebenso Leistungsberechtigte nach § 19 SGB VIII, das heißt alleinerziehende Mütter oder Väter mit ihrem Kind oder ihren Kindern in einer gemeinsamen Wohnform, nicht mehr aus ihrem Einkommen zu den Kosten herangezogen werden.
Weiterhin sollen auch die Ehegatt:innen oder Lebenspartner:innen der jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 ebenfalls nicht mehr zu den Kosten aus ihrem Einkommen herangezogen werden. Dies gilt sowohl für das Heranziehen zu den Kosten von stationären als auch von teilstationären Leistungen. Seit dem Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017 (BGBl. I 2017 S. 2429) können grundsätzlich nur Volljährige wirksam heiraten. Es ist daher laut Referentenentwurf davon auszugehen, dass es sich um die Ehegatt:innen oder Lebenspartner:innen von jungen Volljährigen handelt.
2 Gesamtbewertung
Der SoVD begrüßt grundsätzlich, dass die Kostenheranziehung für junge Menschen im SGB VIII gestrichen werden soll. Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz vom 3. Juni 2021, das am 10. Juni 2022 in Kraft getreten ist, wurde die Höhe der Kostenheranziehung von jungen Menschen und Leistungsberechtigten nach § 19 SGB VIII von 75 Prozent des durchschnittlichen Einkommens des Vorjahres auf lediglich „höchstens 25 Prozent“ des aktuell monatlichen Einkommens mit Ausnahmen und Freibeträgen für Einkommen aus z.B. Praktika, Ferienjobs,Ausbildungsvergütung verringert. Das ist eine Verbesserung, wird aber der herausfordernden Lebenslage junger Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe nicht ausreichend gerecht. Die verbleibende Kostenheranziehung erschwert jedoch weiterhin den Weg für junge Menschen in die Selbstständigkeit. Bei den häufig ohnehin geringen Einkommen durch Schüler:innen- oder Ferienjobs oder auch der Ausbildung wirken sich auch 25 Prozent des Einkommens als Kostenbeitrag stark aus, wie die Bundesregierung selbst begründet.
Der SoVD teilt die Ansicht der Bundesregierung, dass Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe ist, junge Menschen darin zu unterstützen, sich zu einer selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Persönlichkeit zu entwickeln. Junge Menschen sollen darin gestärkt und dazu motiviert werden,Verantwortung zu übernehmen für einen erfolgreichen Weg in ein eigenständiges und selbstbestimmtes Leben. Die Heranziehung junger Menschen zu den Kosten der Leistung widerspricht diesem Auftrag der Kinder und Jugendhilfe. Wachsen junge Menschen außerhalb ihrer Herkunftsfamilie auf, haben sie bereits mit zusätzlichen Herausforderungen umzugehen und dadurch einen schwierigeren Start in ein eigenständiges Leben. Dieser Start wird nochmal erschwert, wenn sie einen Teil ihres Einkommens, das sie zum Beispiel im Rahmen eines Schüler:innen- oder Ferienjobs oder ihrer Ausbildung verdienen, abgeben müssen. Das Erreichen selbst gesteckter Ziele wie zum Beispiel die Finanzierung eines Führerscheins, die Finanzierung einer Reise, das Erarbeitung von Startkapital für ihre Zukunft, wird erschwert bzw. dauert insgesamt länger. Damit können Erfolgserlebnisse durch eigenes Engagement unerreichbar erscheinen, gerade auch im Vergleich mit Gleichaltrigen, die ihr Einkommen behalten dürfen. Die Motivation, sich Ziele zu setzen und sich für diese einzusetzen, wird dadurch gedämpft. Dies kann zur Folge haben, dass eine Ausbildung gar nicht erst begonnen oder einer anderen Beschäftigung nicht nachgegangen wird. Dadurch werden nicht nur die Chancen der jungen Menschen am Arbeitsmarkt eingeschränkt, den jungen Menschen fehlen letztlich auch Mittel, um finanziell unabhängig zu werden.
3 Fazit
Abschließend lässt sich daher festhalten, dass es richtig ist, dass mit der Abschaffung der Kostenheranziehung junger Menschen dem Auftrag der Kinder- und Jugendhilfe Rechnung getragen wird, die Entwicklung junger Menschen hin zu einer eigenverantwortlichen und selbstständigen Person zu unterstützen. Gerade junge Menschen, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie, sondern in einer Pflegefamilie oder Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe aufwachsen, haben bei ihrem Start ins Erwachsenenleben bereits aufgrund ihrer Ausgangslage besondere Herausforderungen zu meistern. Junge Menschen mit Behinderung, die Eingliederungshilfe beziehen, können von der Abschaffung der Kostenheranziehung nicht profitieren. Der SoVD erwartet, dass bei der Umsetzung der inklusiven Lösung dieses Defizit behoben wird.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
SoVD-Stellungnahme: Entwurf eines Gesetzes zur Abschafung der Kostenheranziehung von jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe [123 KB]