Die PKW-Maut aus Sicht behinderter Menschen
Verschlechterungen abgewendet
Im März 2015 beschloss der Bundestag die Einführung einer PKW-Maut. Politisch war und ist die Maut sehr umstritten; treffen soll sie vorrangig ausländische Autofahrer. Doch der SoVD war in großer Sorge, dass auch Menschen mit Behinderungen durch die PKW-Maut schlechter gestellt werden.
Von Beginn an hat der SoVD seine Sorgen über die mittelbare Benachteiligung behinderter Menschen durch die PKW-Maut geäußert. Denn diese Gruppe drohte, bei der politisch hitzigen Debatte zur PKW-Maut unterzugehen. Mit seiner politischen Initiative konnte der SoVD einen beachtlichen politischen Erfolg erzielen: Die Rechte behinderter Menschen in Deutschland werden durch die PKW-Maut nun doch nicht verschlechtert.
Was hat die PKW-Maut mit den Belangen behinderter Menschen zu tun?
Viele behinderte Menschen erhalten heute – als Nachteilsausgleich für ihre Behinderung – eine KFZ-Steuererleichterung bzw. -befreiung. Dieser Nachteilsausgleich aber wäre entwertet, wenn eine PKW-Maut erhoben und diese mit der KFZ-Steuer verrechnet würde. Denn behinderte Menschen könnten in diesem Fall gar nichts verrechnen, weil sie die Steuer nicht zahlen. Die PKW-Maut-Belastung würde an ihnen „hängenbleiben“. Damit das nicht passiert, hat sich der SoVD von Beginn an für die Belange dieser Menschen in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht.
Welche Regelungen sieht das PKW-Maut-Gesetz für behinderte Menschen in Deutschland vor?
Das PKW-Maut-Gesetz sieht für behinderte Menschen nun Ausnahmen vor. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 12 dieses Gesetzes ist die Maut nicht zu entrichten für Kraftfahrzeuge, die auf schwerbehinderte Personen zugelassen sind, die durch einen Ausweis im Sinne des SGB IX oder des Art. 3 des Gesetzes über die unentgeltliche Beförderung Schwerbehinderter im ÖPNV vom 9. Juli 1979
- mit dem Merkzeichen „H“, „Bl“ oder „aG“ nachweisen, dass sie hilflos, blind oder außergewöhnlich gehbehindert sind oder
- mit orangefarbenem Flächenaufdruck nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 145 Abs. 1, Satz 1 SGB IX erfüllen.
Das Recht zur KFZ-Steuerbefreiung bzw. -ermäßigung für schwerbehinderte Menschen – wie setzt die PKW-Maut darauf auf?
Schwerbehinderte KFZ-Halter, die blind, hilflos oder außergewöhnlich gehbehindert sind und bei denen daher im Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen „Bl“, „H“ oder „aG“ vermerkt wurden, sind schon heute von der KFZ-Steuer befreit.
KFZ-Halter, die infolge ihrer Behinderung im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind (Merkzeichen „G“ mit orangefarbenem Aufdruck) und gehörlose Menschen (Merkzeichen „Gl“ mit orangefarbenem Aufdruck) können anstelle der sog. Freifahrt im ÖPNV die Ermäßigung der KFZ-Steuer um 50 Prozent in Anspruch nehmen.
Die o. g. Ausnahmetatbestände knüpfen insoweit deckungsgleich an Regelungen im KFZ-Steuer-Gesetz an.
Wie bewertet der SoVD die Neuregelung zur PKW-Maut?
Die Deckungsgleichheit der beiden Regelungen gewährleistet, dass, wer als schwerbehinderter Mensch eine KFZ-Steuer-Befreiung oder -ermäßigung für sich in Anspruch nimmt, nicht „über den Umweg“ der PKW-Maut belastet wird. So wird eine Entwertung dieses Nachteilsausgleichs für behinderte Menschen verhindert.
Damit hat der SoVD sich mit seiner ursprünglichen Forderung durchgesetzt und einen politische Erfolg errungen: Durch die PKW-Maut werden schwerbehinderte KFZ-Halter in Deutschland nicht zusätzlich belastet.
Welche Ausnahmen von der PKW-Maut gibt es für behinderte Menschen, deren KFZ im Ausland zugelassen ist?
Das Gesetz sieht weitere Ausnahmen von der PKW-Maut im Kontext Behinderung vor. Von der PKW-Maut wird auch befreit, wer zwar in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt/Wohnsitz, aber z. B. einen Zweitwohnsitz im Ausland hat und dort ein KFZ zulässt, mit dem er nach Deutschland pendelt. Diese Personengruppe könnte, wäre ihr KFZ in Deutschland zugelassen, die KFZ-Steuerbefreiung/-ermäßigung für behinderte Menschen in Anspruch nehmen. Sie soll bei der PKW-Maut nicht schlechter gestellt werden gegenüber der vergleichbaren Personengruppe, deren Auto in Deutschland zugelassen ist.
Zusätzlich soll von der PKW-Maut auch befreit werden, wer im EU-Ausland wohnt und dort sein KFZ zugelassen hat, jedoch aus beruflichen oder privaten Gründen oft auf Deutschlands Straßen unterwegs ist.
Wie bewertet der SoVD diese Neuregelung?
Es ist richtig, auch die o. g. Personenkreise von der PKW-Maut auszunehmen. Denn diese Menschen dürfen aufgrund ihrer Behinderung nicht schlechter gestellt werden als Menschen mit der gleichen Behinderung, die ihr KFZ in Deutschland zugelassen haben.
Doch wie wird im Einzelfall eine qualifizierte Entscheidung in der Praxis sichergestellt? Nach dem Gesetz soll das Kraftfahrt-Bundesamt entscheiden, ob die Maut zu zahlen ist oder eine Ausnahme vorliegt. Soll tatsächlich das Kraftfahrt-Bundesamt urteilen, ob eine Person hilflos, blind, gehörlos, außergewöhnlich gehbehindert oder infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist? Das sind versorgungsmedizinisch komplexe Fragen, die medizinisches und rechtliches Fachwissen erfordern. Dieses ist in der Versorgungsverwaltung, nicht aber beim Kraftfahrt-Bundesamt, vorhanden. Ohne Schwerbehindertenausweis mit entsprechenden Merkzeichen wird die Entscheidung dem Kraftfahrtbundesamt kaum möglich sein. Leidtragende sind die Antrag stellenden Menschen mit Behinderungen.
Besonders problematisch wird es bei Haltern, deren PKW im Ausland zugelassen ist und die auch dort wohnen, die aber öfters mit ihrem KFZ nach Deutschland kommen. Nach dem Gesetz können auch sie sich von der PKW-Maut befreien lassen. Doch diese Menschen haben gar keine Möglichkeit, in Deutschland einen Schwerbehindertenausweis mit den o. g. Merkzeichen zu erhalten und so ihre Berechtigung nachzuweisen, dass sie von der PKW-Maut zu befreien sind.
Der SoVD befürchtet, dass diese Menschen von der PKW-Maut-Befreiung deutlich seltener Gebrauch machen (können), weil das Amt ihre Berechtigung anzweifelt. Damit jedoch würden schwerbehinderte EU-Bürgerinnen und EU-Bürger gegenüber den in Deutschland lebenden schwerbehinderten Menschen durch die PKW-Maut – zumindest mittelbar – benachteiligt.
Fazit und Ausblick
Dank seiner engagierten politischen Arbeit ist es dem SoVD gelungen, bei der PKW-Maut Verschlechterungen für schwerbehinderte Menschen abzuwehren, die in Deutschland den Nachteilsausgleich der KFZ-Steuerbefreiung bzw. -ermäßigung für sich in Anspruch nehmen.
Für schwerbehinderte Menschen, deren KFZ jedoch im EU-Ausland zugelassen ist, könnte es jedoch durch die Verwaltungspraxis zu Verschlechterungen kommen.
Der SoVD wird die Umsetzung des Gesetzes genauestens verfolgen und auf Missstände aufmerksam machen. Als großer Sozialverband wird der SoVD weiterhin laut und vernehmbar dafür streiten, dass die Rechte behinderter Menschen nicht „unter die Räder“ kommen.
Bei Einzelfragen wenden Sie sich bitte an Ihre SoVD-Beratungsstelle. Die Anschriften der SoVD-Landes- und Kreisverbände erfahren Sie auch auf unserer Internetseite unter www.sovd.de.