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Beschäftigungsträger fühlen sich im Stich gelassen

Seit Jahren stehen soziale Beschäftigungsprojekte immer wieder kurz vor dem Aus, weil die Sozialbehörde die Finanzierung kürzt oder nur für einen begrenzten Zeitraum bewilligt. Mit dem neuen Teilhabechancengesetz sollte jetzt alles besser werden, verspricht es diesen Anbietern doch Lohnkostenzuschüsse bis zu fünf Jahre, wenn sie Arbeitsplätze für Langezeitarbeitslose einrichten. Damit wären zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: denn so könnten Sozialprojekte in den Bezirken langfristig finanziert werden und Langzeitarbeitslose hätten neue Perspektiven auf einen festen Job. Im Stadtteiltreff Großlohe in Rahlstedt sprach Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender Sozialverband Deutschland (SoVD) in Hamburg, mit Petra Lafferentz (Beschäftigungsträger Alraune), dem Bezirkspolitiker Julian Georg (DIE LINKE) und dem Vorsitzenden des Sozialausschusses in der Bezirksversammlung Wandsbek Gerhard Brauer, über Chancen und Stolpersteine des neuen Arbeitsmarkts.

Klaus Wicher stellte gleich zu Beginn klar: „Vieles bleibt beim neuen Teilhabechancengesetz beim Alten. 75 Prozent Lohnkostenzuschuss im ersten Jahr und 50 Prozent im zweiten Jahr, dazu Coaching und Qualifizierung – also alles quasi wie bisher.“ Neu ist das Angebot für eine Förderung von bis zu fünf Jahren. In den ersten beiden Jahren übernimmt der Staat zu 100 Prozent einen Lohnkostenzuschuss, danach wird er sukzessive pro Jahr um zehn Prozent gekürzt. Auch Weiterbildung und Coaching sind vorgesehen: „Damit das alles gelingen kann, brauchen die Beschäftigungsträger die Stadt als verlässlichen Co-Finanzierer. Wenn dies nicht passiert, werden über Jahre höchstens 800 bis 1.000 neue Arbeitsplätze entstehen. Das ist zu wenig – und die Maßnahme wäre verpufft. Dabei haben wir mehr als 3.000 Betroffene, die wir erreichen könnten, und für die der Bund die Gelder bereits zur Verfügung gestellt hat.“

Eine echte Chance für Menschen mit Behinderung

Allein in Hamburg gibt es rund 17.000 Langzeitarbeitslose, die Förderung brauchen: „Deshalb muss die Stadt dringend einen eigenen sozialen Arbeitsmarkt aufbauen und finanzieren!“, so Wicher. Aus seiner Sicht wäre dies ein Instrument mit großer Schlagkraft: „Dieser Arbeitsmarkt bezieht sich auch auf behinderte Menschen, die massiv von Arbeitslosigkeit betroffen sind.“ Für die zögerliche Haltung seitens der Stadt hat er kein Verständnis: „Aus unserer Sicht ein schwerer Fehler.

Für den Fraktionsvorsitzenden der Wandsbeker LINKEN Julian Georg ist der neue Arbeitsmarkt eine Chance für alle: „Damit könnten wir die Quartiersentwicklung voranbringen.“

Mehr Netzwerke in den Bezirken

Georg wünscht sich mehr Handlungsspielraum für die Hamburger Bezirke: „Mit einer Unterstützung der Beschäftigungsträger in den Bezirken, könnten wir die Sozialstrukturen vor Ort, orientiert an den Bedarfen der Menschen, ausbauen.“ 

Als Geschäftsführerin des Beschäftigungsträgers Alraune ist Petra Lafferentz direkt von der Einrichtung des sozialen Arbeitsmarkts betroffen. Sie fühlt sich von der Stadt allein gelassen. Einen echten Willen zur Umsetzung kann sie nicht erkennen.

Es fehlt nicht nur Sach- und Fachverstand, es fehlt vor allem der politische Wille in Senat und Bürgerschaft!“

Die ungesicherte Finanzierung von Beschäftigungsprojekten mache den Betroffenen nicht gerade Mut: „Die Menschen finden gerade einen neuen Halt und Struktur in ihrem Leben. Dann kommt oftmals das Aus und sie sind wieder da, wo sie angefangen haben. Das motiviert keinen!“

Lafferentz ist irritiert über die Art und Weise, wie die Stadt das neue Gesetz realisiert: „Das Jobcenter hatte im vergangenen Jahr erhebliche zusätzliche Gelder bekommen, um den Wechsel vorzubereiten. Trotzdem gab es keine nahtlose Neu-Zuweisung. Stattdessen sind bestehende geförderte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze abgebaut worden! Außerdem sieht es aus, als würde ein großer Teil der Gelder, die das Jobcenter für den Aufbau eines sozialen Arbeitsmarktes bekommen hat, entweder nach Berlin zurückgegeben oder für andere Maßnahmen (Bewerbungstrainings etc.) ausgegeben, statt Beschäftigung zu schaffen!“ Sie kritisiert die Sozialbehörde, die kein eigenes Programm auflegen will, das auch die Koalitionsvereinbarung mit zur Umsetzung bringt: „So jedoch wurden und werden Menschen entgegen dem Willen des Gesetzgebers wieder arbeitslos. Das ist schizophren, denn Geld ist genug da. Ein sozialer Arbeitsmarkt würde auch die Quartiere stärken, denn er würde zusätzliche Beschäftigung in den Stadtteilen ermöglichen, beispielsweise in Form eines günstigen Mittagstischs oder der Begleitung von Seniorinnen und Senioren im Alltag.“

SoVD Sozialverband Deutschland e.V., Landesverband Hamburg
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