Flexirentengesetz
Stellungnahme des SoVD zum Entwurf eines Gesetzes zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben
I. Vorbemerkungen
Mit dem vorliegenden Referentenentwurf sollen in erster Linie das flexible Arbeiten bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze erleichtert und das Weiterarbeiten über die Regelaltersgrenze hinaus attraktiver gemacht werden. Allgemein geht der Gesetzgeber von der Annahme aus, dass immer mehr ältere Menschen in der Bundesrepublik länger arbeiten können und wollen. Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen deshalb verbesserte Möglichkeiten bekommen, ihren Übergang in den Ruhestand individuell, flexibel und selbstbestimmt zu gestalten. Begleitet werden sollen diese Maßnahmen durch neue Regelungen im Bereich der Prävention und Rehabilitation, die die Gesundheit der Versicherten sowie ihren Verbleib im Erwerbsleben sicherstellen sollen.
Flexible Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand einfacher zu gestalten, ist prinzipiell eine sinnvolle Maßnahme. Hierzu hat der SoVD schon im Jahr 2007 Vorschläge unterbreitet und gezeigt, wie ein gleitender Übergang in die Rente besser gefördert werden kann. Dafür müssen zum einen die im Rentenrecht bereits vorgesehenen Teilrenten zu einem attraktiven Alternativmodell für den gleitenden Ausstieg aus dem Erwerbsleben fortentwickelt werden. Zum anderen hat sich der SoVD seinerzeit dafür ausgesprochen, die Zahlung freiwilliger Zusatzbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung (neben Pflichtbeiträgen) ohne besondere Zweckbestimmung und ohne Altersbegrenzung zuzulassen.
Für eine bessere Förderung des gleitenden Ausstiegs muss ein neues Teilrentenmodell – neben der Altersteilzeit – entwickelt werden. Dies erfordert zunächst, den Teilrentenbezug an eine Reduzierung der Arbeitszeit zu knüpfen. Diese Reduzierung sollte für die gesamte Teilrentenphase mindestens die Hälfte der Arbeitszeit betragen. Damit die Teilrenten nicht in Form des Blockmodells in Anspruch genommen werden, müssen für die wöchentliche Arbeitszeit eine Untergrenze von einem Drittel sowie eine Obergrenze von zwei Dritteln gelten. Mit der gesetzlichen Verankerung einer Unter- und Obergrenze für die wöchentliche Arbeitszeit könnten gleichzeitig die komplizierten Hinzuverdienstgrenzen bei den Teilrenten komplett entfallen. Darüber hinaus muss für die Teilrenten eine eigene Altersgrenze (zum Beispiel das 60. Lebensjahr) eingeführt werden. Gegenwärtig ist Voraussetzung für den Teilrentenbezug, dass ein Anspruch auf eine vorgezogene Altersrente besteht. Dies stellt ein wesentliches Hindernis für den Teilrentenbezug dar. Damit Teilrentenbeziehende nicht länger gegenüber Altersteilzeitbeschäftigten benachteiligt sind, müssen die bestehenden Förderkonditionen der Altersteilzeit auf den Teilrentenbezug übertragen werden, d. h. das Teilzeitentgelt und die Beiträge zur Rentenversicherung müssen entsprechend der Altersteilzeit von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern aufgestockt werden. Mit diesen Vorschlägen wird der Problematik eher entsprochen als mit dem vorliegenden Referentenentwurf, der eine Hinzuverdienstregelung mit einem sehr komplizierten Anrechnungsverfahren und rückwirkenden Jahresabrechnungen vorsieht, die zu erheblichen Rückforderungen der Altersrente zulasten der Rentnerinnen und Rentner führen kann.
II. Zu den Regelungen im Einzelnen
1) Flexibilisierung der Teilrenten und des Hinzuverdienstrechts vor Erreichen der Regelaltersgrenze
Dem Referentenentwurf zufolge sollen insbesondere die Möglichkeiten vor Erreichen der Regelaltersgrenze verbessert werden, eine Teilzeitarbeit durch eine Teilrente zu ergänzen. Hinzuverdienst und Teilrente sollen flexibler miteinander kombinierbar werden, indem die bisherigen monatlichen Hinzuverdienstgrenzen sowohl für die Vollrente als auch für die drei Teilrenten (1/3, 1/2 und 2/3) zugunsten einer kalenderjährlichen Hinzuverdienstgrenze mit stufenloser Anrechnung entfallen. Somit kommt es nicht mehr dazu, dass die Rente schon bei geringfügigem Überschreiten einer Hinzuverdienstgrenze unverhältnismäßig stark gekürzt wird, wie das bei der bisherigen Regelung der Fall sein kann. Eine Teilrente kann künftig stufenlos in individueller Höhe bezogen werden. Die Höhe der Teilrente kann entweder in Höhe von mindestens 10 Prozent frei gewählt werden oder sie ergibt sich - wenn der Hinzuverdienst über der kalenderjährlichen Hinzuverdienstgrenze von 6 300 Euro liegt - durch eine stufenlose Anrechnung des Hinzuverdienstes auf die Rente. Dabei werden grundsätzlich 40 Prozent des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Betrages von der Rente abgezogen. Schließlich darf aber das Gesamteinkommen aus Teilrente und Hinzuverdienst nicht höher liegen als eine individuelle Obergrenze (Hinzuverdienstdeckel).
Der SoVD erkennt nicht, dass die geplante Neuregelung zu einer Vereinfachung der Hinzuverdienstregeln führt. Im Gegenteil: Die Berechnung der individuellen Hinzuverdienstmöglichkeit wird weiter verkompliziert. Hinzu kommt, dass die Festsetzung der Altersrente in den betroffenen Fällen letztlich nur vorläufig auf der Grundlage einer Prognose zum erwarteten Hinzuverdienst erfolgt, was in vielen Fällen dazu führen wird, dass auf die Betroffenen nach einem Jahr Berechnungszeitraum Rentenkürzungen und Rückforderungen zukommen, falls sie, wider Erwarten, mehr als geschätzt verdient haben sollten. Aus Sicht des SoVD würde das zur Unsicherheit bei den betroffenen Personen führen und in letzter Konsequenz die Verlässlichkeit ihrer Altersrente infrage stellen. Kritisiert wird die komplizierte Verfahrensregelung beim Hinzuverdienst auch im Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2015; alternativ bringt der Sozialbeirat die Idee der sogenannten Kombirente als einen einfacher umzusetzenden Gegenvorschlag ein. Für den SoVD steht fest, dass die Versicherten neben Klarheit und Vereinfachung vor allem Verlässlichkeit brauchen.
2) Rentenversicherungspflicht für Vollrentner vor Erreichen der Regelaltersgrenze
Zurzeit sind Bezieherinnen und Bezieher einer Vollrente versicherungsfrei, auch wenn sie die Regelaltersgrenze noch nicht erreicht haben. Der Referentenentwurf sieht nun vor Erreichen der Regelaltersgrenze auch beim Vollrentenbezug eine Versicherungspflicht für Beschäftigte und Selbstständige vor, die nach den allgemeinen Vorschriften versicherungspflichtig sind. Rentnerinnen und Rentner, die eine vorgezogene Vollrente beziehen und weiterarbeiten, würden demnach mit der Neuregelung Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung entrichten, bis sie die Regelaltersgrenze erreicht haben.
Der SoVD begrüßt diesen Vorschlag. Die Gleichstellung mit der Teilrentenregelung, wonach Versicherungspflicht in der Rentenversicherung besteht, ist konsequent. Außerdem führt diese Regelung zu einer Erhöhung des Rentenanspruchs. Zugleich wird die gesetzliche Rentenversicherung so lange finanziell gestärkt, bis die aufgrund der neuen Versicherungspflicht entstehenden jährlichen Mehrausgaben die jährlichen Mehreinnahmen übersteigen.
3) Aktivierung der Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung bei Beschäftigung und Vollrentenbezug nach Erreichen der Regelaltersgrenze
Nach geltendem Recht sind Bezieherinnen und Bezieher einer Vollrente stets versicherungsfrei. Dafür zahlen aber die Arbeitgeber für diese Beschäftigten einen Arbeitgeberanteil, welcher der Höhe nach dem Arbeitgeberbeitrag entspricht, der zu zahlen wäre, wenn die Person versicherungspflichtig wäre. Bisher wirken sich diese Beiträge nicht auf die Höhe der Rente aus. Nun ist im Referentenentwurf vorgesehen, dass Beschäftigte, die eine Vollrente beziehen und die Regelaltersgrenze bereits erreicht haben, durch Erklärung gegenüber ihrem Arbeitgeber für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses auf die Versicherungsfreiheit verzichten und somit versicherungspflichtig werden. Dadurch soll sich sowohl der bisher wirkungslos gebliebene Arbeitgeberanteil als auch ihr eigener Beitragsanteil rentensteigernd auswirken.
Eine rentensteigernde Aktivierung der Arbeitgeberbeiträge ist zu begrüßen. Dies entspricht im Grundsatz auch dem Äquivalenzprinzip. Der SoVD kritisiert aber, dass die geplante Regelung nur bei dem oben genannten Opt-In gelten soll. Selbst kleine Rentenanwartschaften, die sich allein aus dem Arbeitgeberbeitrag ableiten würden, sollten bereits eine rentensteigernde Wirkung haben. Insgesamt wird aber erst die praktische Umsetzung der Maßnahme zeigen, ob und wie viele Rentnerinnen und Rentner davon Gebrauch machen werden.
4) Zahlung von Beiträgen zum Ausgleich von Rentenabschlägen
Nach aktueller Rechtslage ist ein vorzeitiger Altersrentenbezug, ob nun Teil- oder Vollrente, grundsätzlich mit Rentenabschlägen in Höhe von 0,3 Prozent pro Monat der früheren Inanspruchnahme verbunden. Allerdings ist die Zahlung zusätzlicher Beiträge, um Abschläge bei vorzeitigem Rentenbezug auszugleichen, ab dem 55. Lebensjahr möglich. Die geplante Neuregelung im Referentenentwurf sieht eine Absenkung dieser Grenze auf das 50. Lebensjahr vor. Durch diese zeitliche Streckung möchte der Gesetzgeber den Versicherten eine bessere und flexiblere Planbarkeit beim Wechsel aus dem Erwerbsleben in die Rente ermöglichen.
Der Grundgedanke ist aus Sicht des SoVD positiv zu bewerten, weil damit für die Versicherten der Ausstieg aus dem Erwerbsleben etwas planbarer wird. Im Übrigen sollte erwogen werden, die Grenze noch weiter abzusenken und generell die Zahlung von freiwilligen Pflichtbeiträgen durch die Versicherten oder ihre Arbeitgeber zuzulassen. So könnte die zusätzliche Beitragszahlung im Rahmen von tarifvertraglichen Vereinbarungen festgelegt und damit sichergestellt werden, dass diese Neuerung auch Geringverdienerinnen und -verdienern zugutekommen kann, die selbst nicht in der Lage sind, weitere finanzielle Mittel aufzubringen.
5) Mehr Information
Dem Referentenentwurf zufolge soll die Rentenauskunft um Informationen zum Vorziehen oder Hinausschieben des Rentenbeginns sowie vor allem hinsichtlich der Flexibilisierung des Hinzuverdienstrechts ergänzt werden. Auf diese Weise sollen Versicherte besser über Möglichkeiten und Optionen aufgeklärt werden, die ihnen zur Verfügung stehen.
Die Rentenauskunft um zusätzliche Informationen zu erweitern, ist nach Dafürhalten des SoVD zu begrüßen. Damit könnten die Versicherten über alle verfügbaren Optionen für die Gestaltung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand informiert werden. Der SoVD verweist zugleich mit Nachdruck auf die Notwendigkeit einer einheitlichen Renteninformation, wie sie im Abschlussbericht der Koalitionsgruppe „Flexible Übergänge in den Ruhestand“ für sinnvoll erachtet wurde. Nur die Einbeziehung aller relevanten Informationen zur Alterssicherung, wie zum Beispiel der betrieblichen und staatlich geförderten privaten Altersvorsorge, kann für sich beanspruchen einheitlich und vollständig zu sein. Erst dann ist sie für die Versicherten wirklich eine verlässliche Grundlage für die Planung ihrer Alterssicherung.
6) Stärkung von Prävention und Rehabilitation
Der Referentenentwurf beabsichtigt, die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung zur Teilhabe gesetzlich als Pflichtleistungen auszugestalten und auf Antrag an die Versicherten zu erbringen, sofern die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gegeben sind. Ferner sollen die bisherigen „sonstigen Leistungen“, Prävention, Nachsorge und Kinderrehabilitation, neu strukturiert und ausgebaut werden. Der Gesetzgeber erhofft sich dadurch eine Steigerung der Inanspruchnahme dieser Leistungen und zugleich die Verringerung der Inanspruchnahme von Leistungen der medizinischen Rehabilitation sowie von Leistungen zur Teilhabe am Berufsleben. Übergeordnetes Ziel ist die Sicherung oder in bestimmten Fällen die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit der Versicherten. Die Rehabilitationsträger sollen daher befähigt werden, einen Rehabilitationsbedarf frühzeitig zu erkennen und die Leistungsberechtigten auf eine Antragsstellung hinzuweisen (Screeningverfahren). Neu ist ebenfalls die Idee, dass die Träger der Rentenversicherung ihren Versicherten ab Vollendung des 45. Lebensjahres eine umfassende Gesundheitsuntersuchung (Gesundheitschecks) und darauf aufbauend eine Gefährdungs- und Potenzialanalyse anbieten, um dadurch spätere Leistungen zur Teilhabe zu vermeiden. Das zielt vor allem auf Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen ab. Schließlich entfällt dem Referentenentwurf zufolge die gesonderte Begrenzung der Ausgaben für die Leistungen zur Prävention, zur Kinderrehabilitation und zur Nachsorge im bisherigen § 31 Absatz 3 SGB VI. Auch die Ausgaben für die im neu gefassten § 31 SGB VI verbliebenen „sonstigen Leistungen“ sollen nicht mehr gesondert begrenzt werden. Durch den Wegfall der gesonderten Begrenzungen der Ausgaben sollen die Ansprüche der Versicherten gestärkt werden. Zugleich soll der Verwaltungsaufwand bei den Trägern der Rentenversicherung reduziert werden, da die gesonderten Begrenzungen der Ausgaben in ihren Haushalten nicht mehr ermittelt und beachtet werden müssen.
Die oben aufgelisteten Maßnahmen sowie die stärkere Rolle der Prävention werden vom SoVD prinzipiell befürwortet und begrüßt. Das gilt gerade für die Schaffung einer Anspruchsgrundlage im neuen § 15a SGB VI (Kinderrehabilitation) und den gesetzlichen Anspruch auf eine Begleitperson für Kinder. Ebenfalls positiv zu bewerten ist, dass es nunmehr zu keiner Ausschlussfrist der Leistungen in § 12 Absatz 2 Satz 1 SGB VI bei Kindern kommt. Grundsätzlich zu begrüßen ist zudem die Anpassung des Anspruchs auf Übergangsgeld im neuen Absatz 1 des § 20 SGB VI. Mit der Neufassung des § 31 Absatz 3 SGB VI entfällt die finanzielle Deckelung der dort bisher genannten sonstigen Leistungen.
Trotz dieser positiven Neuregelungen ist es aus Sicht des SoVD erforderlich, auf einige problematische und unzureichende Aspekte hinzuweisen. Im Falle des individuellen, berufsbezogenen Gesundheitschecks ist die Beachtung des Datenschutzes wichtig. Den Versicherten dürfen keine arbeitsrechtlichen Nachteile aus dem Vorgang entstehen. Außerdem dürfen sich keine Nachteile ergeben, wenn sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen eine Teilnahme am Gesundheitscheck entscheiden.
Weiterhin beschränkt sich der Präventionsansatz des Flexirentengesetzes auf die Verhaltensprävention und fokussiert vorrangig auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der SoVD betont jedoch die zentrale Verantwortung auch der Arbeitgeberschaft, Prävention im Unternehmen umzusetzen. Nur wenn (auch) diese ihren Pflichten nachkommen, werden umfassende Präventionsansätze zugunsten der Beschäftigten erfolgreich sein. Der SoVD kritisiert insoweit deutlich, dass der Gesetzentwurf die von der Arbeitgeberschaft im Unternehmen sicherzustellende Verhältnisprävention bislang vollständig ausklammert und fordert, hier nachzubessern.
Kritisch sieht der SoVD, dass das Flexirentengesetz bislang keinerlei Anknüpfung an die Regelungen des SGB IX enthält. Schon heute ist die Rentenversicherung, neben anderen Rehabilitationsträgern, nach SGB IX zu Prävention und Rehabilitation verpflichtet. Das SGB IX enthält hierfür verfahrensbezogene und institutionelle Instrumente. Diese sollen die Koordination und Konvergenz der Leistungen sowie die Kooperation der Träger sichern und mit dem Bundesteilhabegesetz verstärkt und ausgebaut werden. Doch statt an Regelungen des SGB IX anzuknüpfen, klammert das Flexirentengesetz dieses aus und schafft z.T. sogar abweichende Sonderregelungen und schwächt damit das SGB IX. Explizit verweist der SoVD auf die neu geschaffene Möglichkeit gemeinsamer Richtlinien zur Prävention und Kinderrehabilitation für alle Träger der Rentenversicherung. Der SoVD sieht die Gefahr, dass damit das Instrument der gemeinsamen Empfehlungen nach § 13 SGB IX, wozu auch die Gemeinsame Empfehlung „Prävention“ gehört, geschwächt wird. Leistungen der Prävention und Rehabilitation müssen angesichts der Vielzahl und Vielfalt der verpflichteten Akteursgruppen im Präventions- und Rehabilitationsbereich koordiniert und „wie aus einer Hand“ erbracht und Zuständigkeiten zügig geklärt werden. Dieser Ansatz des SGB IX bleibt im Flexirentengesetz unberücksichtigt. Das verwundert auch vor dem Hintergrund, dass es künftig schwieriger werden dürfte, Leistungsverpflichtungen der Rentenversicherung zu Prävention, Rehabilitation und Nachsorge abzugrenzen von den entsprechenden Leistungsverpflichtungen der Krankenversicherung; hier drohen Zuständigkeitsstreitigkeiten zulasten der betroffenen Menschen.
Schließlich müssen Leistungsausweitungen, die mit Mehraufwendungen in den Haushalten der gesetzlichen Rentenversicherung einhergehen, nachhaltig angelegt sein. Deswegen stellt sich aus Sicht des SoVD die Frage, ob für dieses Leistungspaket längerfristig nicht zusätzliche finanzielle Mittel vonnöten sind. Insbesondere erscheint es unabdingbar, nicht nur den „kleinen“ Deckel des § 31 SGB VI, sondern auch den „großen“ Deckel nach § 220 SGB VI aufzuheben, um den Rentenversicherungsträgern mehr Flexibilität bei der Bewilligung von Leistungen der Rehabilitation zu ermöglichen.
7) Befristete Abschaffung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitsförderung bei Beschäftigung nach der Regelaltersgrenze
Nach geltender Rechtslage sind die Arbeitgeber verpflichtet, die Hälfte des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung zu tragen. Die Bezieherinnen und Bezieher einer Altersvollrente sind versicherungsfrei. Der Referentenentwurf sieht nun vor, den Arbeitgeberbeitrag befristet für fünf Jahre auszusetzen, um die Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu fördern. Aus Sicht des SoVD ist es allerdings fraglich, ob der Wegfall der Arbeitgeberbeiträge dazu führen wird, dass die Arbeitgeber eine höhere Bereitschaft zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entwickeln werden.
III. Schlussbemerkungen
Der SoVD unterstützt prinzipiell das Ziel des Referentenentwurfs, mit Leistungsverbesserungen, Vereinfachungen und Optionserweiterungen sowohl für die Rentnerinnen und Rentner als auch für die Versicherten den flexiblen Übergang vom Erwerbsleben in die Rente zu erleichtern. Die vorgeschlagenen Neuregelungen zum Hinzuverdienst verfehlen dieses Ziel allerdings deutlich, denn sie sind einerseits komplizierter als die heutigen Vorschriften und führen im Ergebnis dazu, dass die betroffenen Versicherten ihre Altersrenten letztlich nur als vorläufige Leistungen erhalten, was deren Verlässlichkeit erheblich beeinträchtigt. Der Referentenentwurf vernachlässigt darüber hinaus die Lage zahlreicher Menschen, die sich einen flexiblen und sozial abgefederten Übergang in den Ruhestand vor Erreichen der Regelaltersgrenze wünschen, weil sie aufgrund gesundheitlicher Belastungen, Einschränkungen oder Behinderungen nicht in der Lage sind bis zur Regelaltersgrenze zu arbeiten. Viele dieser Menschen sind erwerbsgemindert und müssen dann hohe Abschläge in der Rentenbezugsphase hinnehmen. Der SoVD fordert weiterhin mit Nachdruck die Abschaffung dieser sozial ungerechten Abschläge – „Es ist ein Irrglaube, dass wir alle älter und fitter werden“, erklärte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles vor einigen Tagen, womit sie die oben beschriebene Problematik bestätigte und zugleich die Forderungen nach einer weiteren Anhebung des Renteneintrittsalters zu Recht ablehnte.
Der SoVD kritisiert, dass der Referentenentwurf insbesondere auch in diesem Punkt hinter den Abschlussbericht der Koalitionsarbeitsgruppe „Flexible Übergänge in den Ruhestand“ zurückfällt und anscheinend ausschließlich von älteren Beschäftigten ausgeht, die arbeiten können und wollen. So taucht der aus Sicht des SoVD sinnvolle Vorschlag eines Prüfauftrags zum Arbeitssicherungsgeld im Referentenentwurf nicht mehr auf. Ähnlich verhält es sich mit der Problematik der sogenannten Zwangsverrentung von SGB II-Berechtigten. Während im Abschlussbericht noch die Problematik der Zwangsverrentung in ihrem Ausmaß erkannt wird und mögliche Ergänzungen der sogenannten Unbilligkeitsverordnung erörtert werden, bleibt der Referentenentwurf eine Antwort schuldig. Dieser Sachverhalt überrascht deshalb, weil längeres Arbeiten älterer Menschen als Grundtenor dieses Referentenentwurfs im kompletten Gegensatz zur Praxis der Zwangsverrentung steht. Der SoVD fordert den Gesetzgeber auf, diesen Widerspruch aufzulösen und dafür zu sorgen, dass Menschen mit der Vollendung ihres 63. Lebensjahres nicht mehr aufgefordert werden, eine vorzeitige abschlagsbehaftete Altersrente zu beantragen. Die Schaffung flexibler Übergänge in den Ruhestand bleibt unvollständig, wenn keine adäquaten Maßnahmen ergriffen werden, die die (Langzeit-)Arbeitslosigkeit älterer Beschäftigter wirkungsvoll zurückdrängen. Erst dann wäre zu erwarten, dass sich mehr ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Rentnerinnen und Rentner von den Maßnahmen eines möglichen Flexirentengesetzes angesprochen fühlen könnten.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
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