Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)
Stellungnahme des SoVD zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit: Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung (Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung – DiGAV)
1 Zusammenfassung des Referentenentwurfs
Mit dem Digitalen-Versorgung-Gesetz (DVG), das bereits im November 2019 beschlossen wurde, wird ein Anspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen, sogenannte Gesundheits-Apps, begründet. Künftig können solche Gesundheits-Apps von Ärzt*innen verschrieben werden („App auf Rezept“). Die Kosten dafür zahlt die gesetzliche Krankenversicherung. Der vorliegende Entwurf einer Digitalen-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV) regelt das Nähere zum Verfahren und zu den Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung, einschließlich der anfallenden Gebühren. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll künftig digitale Gesundheitsanwendungen in einem neuen Verfahren auf Funktionstauglichkeit, Sicherheit, Qualität, Datenschutz und -sicherheit und auf einen positiven Versorgungseffekt prüfen. Vorgesehen ist die Erstellung eines Verzeichnisses für digitale Gesundheitsanwendungen, was Versicherte wie Leistungserbringer gleichermaßen bei der Auswahl geeigneter Gesundheitsanwendungen unterstützen soll. Zudem wird die Voraussetzung der positiven Versorgungseffekte i.S.d. § 139 e Absatz 2 Satz 3 SGB näher konkretisiert.
2 SoVD-Gesamtbewertung
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) vertritt seit über 100 Jahren u.a. die Interessen der Patient*innen, der gesetzlich Krankenversicherten sowie der pflegebedürftigen und behinderten Menschen. Aus Betroffenensicht befürwortet er den neuen Leistungsanspruch der gesetzlich Versicherten auf Versorgung mit digitalen Gesundheitsanwendungen („Gesundheits-Apps auf Rezept“) als sinnvoll und zukunftsgerecht. Was die nähere Ausgestaltung des Verfahrens und der Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung angeht, sieht der SoVD an entscheidenden Stellen der DiGAV noch korrekturbedarf.
2.1 Konkretisierung der positiven Versorgungseffekte
Die Verordnung konkretisiert in den § 14 der Verordnung den Begriff der positiven Versorgungseffekte, der mit dem Leistungsanspruch auf die Verordnung von Gesundheits-Apps durch das DVG eingeführt wurde. Der Begriff der positiven Verordnungseffekte im Sinne der Verordnung entspricht damit der Definition nach § 139e Absatz 2 Satz 3 SGB V. Danach sind positive Versorgungseffekte entweder ein medizinischer Nutzen oder patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserungen in der Versorgung. Die weite Definition der positiven Versorgungseffekte in § 139e Absatz 2 Satz 3 SGB V, die mit dem DVG gewählt wurde, will erkennbar auch innovative Ansätze den Weg in die Versorgung ermöglichen und diese nicht durch eine zu enge Definition von vornherein ausschließen. Der SoVD begrüßt diesen Ansatz. Patientenrelevante Vorteile der Digitalisierung müssen nutzbar gemacht und in die Versorgung überführt werden. Als wesentliche Voraussetzung für die Entscheidung über die Aufnahme von Gesundheits-Apps in das Verzeichnis ist eine nähere Konkretisierung des Begriffs jedoch unumgänglich. Für die Bewertung von Gesundheits-Apps scheint die Konkretisierung des Begriffs des medizinischen Nutzens als patientenrelevanter therapeutischer Effekt in § 14 Absatz 2 der Verordnung aus Sicht des SoVD handhabbarer, als die Ausgestaltung in § 14 Absatz 3 der Verordnung zu den patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen. Denn in § 14 Absatz 3 werden mitunter Aspekte benannt, die bereits in der Natur digitaler Anwendungen liegen und damit eine Abgrenzung erschweren. Dies gilt umso mehr angesichts der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung. Denn bereits der Nachweis nur eines positiven Versorgungseffekts auch aus dem Bereich der patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen kann für die Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen genügen.
2.2 Barrierefreiheit von Anfang an
Das BfArM veröffentlicht die Inhalte des Verzeichnisses für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 1 SGB V im Internet. Mit der Verordnung werden Regelungen zu Aufbau, Inhalten und Funktionalitäten des zu erstellenden Verzeichnisses für digitale Gesundheitsanwendungen aufgestellt. Damit sollen Versicherte wie Leistungserbringer gleichermaßen bei der Auswahl geeigneter Gesundheitsanwendungen unterstützt werden. Ob das Verzeichnis für Betroffene hilfreich ist, bleibt abzuwarten. Der SoVD wird die Umsetzung kritisch begleiten. Unverständlich und nicht nachvollziehbar ist, weshalb § 26 Absatz 4 der Verordnung einen barrierefreien Zugang zu dem Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen nach § 139e Absatz 1 SBG V erst ab dem 1. Januar 2022 vorsieht. Der SoVD fordert, dass der Zugang zu den Inhalten und die Nutzbarkeit des Verzeichnisses bereits von Anfang an barrierefrei möglich ist und die Anforderungen aus der Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung - BITV 2.0) erfüllt werden.
2.3 Datenschutz sicherstellen
Informationen zum Gesundheitszustand von Patient*innen sind hochsensible Daten mit hohem Missbrauchspotenzial, insbesondere bei der Archivierung von Patient*innendaten durch externe Dienstleister. Die Gewährleistung der Sicherheit solcher Daten ist für den SoVD unverzichtbare Voraussetzung bei der Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen und der Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung. Insbesondere muss sichergestellt werden, dass keinerlei Daten an Dritte gelangen. Es muss auch geklärt werden, wie mit bereits erhobenen Daten umgegangen wird, wenn Hersteller von digitalen Anwendungen verkauft werden.
DER BUNDESVORSTAND
Abteilung Sozialpolitik
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