Hamburger Senat beschließt Haushaltsplan-Entwurf
Trotz sprudelnder Steuereinnahmen bleiben viele arme Seniorinnen und Senioren auf der Strecke – ein Armutszeugnis angesichts des demografischen Wandels und der stetig wachsenden Altersarmut in der Hansestadt.
Mehr als 25.000 ältere Menschen leben von der Grundsicherung im Alter, weil ihre Rente nicht zum Leben reicht. Dies gilt ebenfalls für 31.300 Hamburger Erwerbsminderungsrentnerinnen und -rentner. Dies sind nur die besonders Betroffenen, insgesamt sprechen wir von mehr als 53.000 über 65-Jährigen, denen Altersarmut droht. Sie haben nur das Nötigste zum Leben. Urlaub, Kleidung oder auch nur das Stück Torte im Café sind für sie ein Luxus, den sie sich nicht mehr leisten können – und das, obwohl viele der Betroffenen ihr ganzes Leben lang gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben. Viele von ihnen geben auf, ziehen sich zurück und vereinsamen.
Über 23 Prozent der Hamburger Bevölkerung ist heute 60 Jahre und älter. Prognosen zufolge wird im Jahr 2030 fast jeder Dritte zu dieser Altersgruppe gehören. Gleichzeitig steigt die Altersarmut in der Stadt. Dies bedeutet, dass immer mehr ältere Menschen ihren Lebensunterhalt nicht mehr aus eigenem Einkommen bestreiten können.
Der Hamburger SoVD fordert den Senat deshalb eindringlich dazu auf, mehr dafür zu tun, die Lebenssituation dieser Menschen zu verbessern. Klaus Wicher: „Die alternde Gesellschaft muss für die Politik und Gesellschaft an Bedeutung gewinnen und künftig stärker berücksichtigt werden.“
Der SoVD kritisiert vor allem das halbherzige Engagement des rot-grünen Senats bei diesem Thema – trotz einer mehr als gut gefüllten Haushaltskasse: „Die Steuereinnahmen der Stadt sprudeln nur so, Maßnahmen könnten problemlos finanziert werden“, mahnt Wicher.
Die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz hat das Thema „Älter werden in Hamburg“ zwar aufgegriffen, allerdings wird aus Sicht des SoVD zu wenig getan. So ist beispielsweise der Ansatz „Hamburger Hausbesuch“, der nun (nach nochmaliger Verzögerung) wohl im September bei den 80-Jährigen in zwei Bezirken anlaufen wird, eindeutig zu kurz gegriffen. Gerade mal 3.000 Seniorinnen und Senioren in Eimsbüttel und Harburg kommen in den Genuss dieses Angebots. Das Versprechen, alle älteren Menschen systematisch, präventiv zuhause zu besuchen, um ihren medizinischen, pflegerischen oder sozialen Bedarf zu ermitteln und zu organisieren, bleibt damit nur eine vollmundige Absichtserklärung: „Bis zum Ende der Legislaturperiode wird der Senat dies nicht einlösen können. Damit ist der Koalitionsvertrag an dieser Stelle nicht erfüllt – darunter leiden müssen die Alten und Schwachen in unserer Gesellschaft!“, kritisiert Wicher. Immer wieder wird zwar betont, dass jeder ältere Mensch einen Hausbesuch bekommen kann, an wen man sich wenden muss, bleibt bisher jedoch offen.
Warum mahlen die Mühlen der Verwaltung an dieser Stelle so langsam? Aus Sicht des SoVD liegt ein Grund dafür in der Hamburger Verwaltungsstruktur. Zwar liegt die Verantwortung in weiten Teilen bei der Gesundheitsbehörde, wenn es aber um Finanzierung und die Bereitstellung von Einrichtungen oder direkte Transferzahlungen (z.B. Grundsicherung) geht, ist auch die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration für Senioren zuständig. Wicher schlägt vor: „Hier müssten die Kompetenzen besser gebündelt werden. Zusätzlich müsste die Behörde für Wissenschaft, Forschung und Gleichstellung eingebunden werden, denn vor allem Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund sind von Altersarmut betroffen.“
Hamburg fehlt es an einem Gesamtkonzept für die Seniorenarbeit und Linderung der Armut bei Seniorinnen und Senioren. Der Hamburger SoVD-Landesvorsitzende erneuert deshalb noch einmal die Forderungen des SoVD an die Stadt für eine gute seniorenpolitische Arbeit, die insbesondere die Armut lindert.
- Grundsicherungsempfänger haben 4,83 Euro am Tag tatsächlich für Lebensmittel zur Verfügung. Dass man damit nicht auskommen und sich schon gar nicht gesund ernähren kann, ist allen klar. Der Senat könnte beispielsweise jedem 20 Euro im Monat drauflegen (etwa wie in München). Das würde die Betroffenen entlasten, solange der Grundsicherungssatz nicht bedarfsgerecht angehoben wird.
- Zur Bedarfsfeststellung und ersten Unterstützung muss jedem älteren Menschen ein Hausbesuch angeboten werden (steht im Koalitionsvertrag).
- Kostenfreie haushaltsnahe Dienstleistungen müssen bedürftigen älteren Menschen in allen Stadteilen zu Verfügung stehen, damit Alltägliches erledigt werden kann und soziale Kontakte möglich sind (z.B. Gardinen aufhängen, Begleitung bei Spaziergängen oder ins Theater).
- Mobilität sichern über eine kostenfreie Seniorenkarte, die auch vor 9 Uhr morgens gilt. Ausbau der Barrierefreiheit auch im privaten Bereich. Herstellen von mehr Sicherheit im Straßenverkehr z.B. durch längere Ampelphasen.
- Mehrmals im Monat kostenfreien Eintritt für kulturelle Veranstaltungen u.a. in Museen und Theatern.
- Angebote wie z.B. Seniorentreffs vor Ort in ausreichender Zahl bereithalten, die (wo erforderlich) mit mindestens einer halben Stelle hauptamtlich betrieben werden.
- Pflege qualitativ sichern durch regelmäßige und unangemeldete jährliche Kontrollen der Wohn-Pflege-Aufsicht.
- Erweiterung des sozialen und barrierefreien Wohnungsbaus, so dass die Anzahl der Sozialwohnungen wieder steigt und die Mieten bezahlbar werden.
- Grundsicherungs- und Hartz-IV-Empfängern großzügige Aufschläge auf die Kosten der Unterkunft (Wohnung) gewähren (dies macht Hamburg schon in Einzelfällen).
Aufbau eines sozialen Arbeitsmarkts
Hamburg muss aus eigenen Mitteln einen sozialen Arbeitsmarkt mit wenigstens 3.000 Plätzen entwickeln. Langzeitarbeitslose bekommen so die Möglichkeit, sich ein auskömmliches Gehalt selbst zu erarbeiten und können z.B. für den weiteren Ausbau Haushaltsnaher Dienstleistungen sehr sinnvoll eingesetzt werden. Dies hilft ihnen und den Senioren. Behinderte Menschen brauchen zusätzliche Förderungsprogramme, um ihre Chancen auf einen Job zu erhöhen. Auch deshalb, weil ein bundesweites Programm offenbar nicht so viel Wirkung entfalten wird, wie ursprünglich beabsichtigt.
Viele Menschen können sich soziale Teilhabe nicht leisten und sind daher von vielen Möglichkeiten ausgeschlossen. Beinahe jeder sechste Einwohner in Hamburg ist von Armut bedroht. Fast 250.000 Menschen sind auf Sozialleistungen angewiesen, darunter mehr als 65.000 Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren. Über 25.000 Senioren leben von der Grundsicherung im Alter, weil ihre Rente zum Leben nicht reicht. Dies gilt ebenfalls für mehr als 17.000 Erwerbsminderungsrentner. Auch Alleinerziehende – überwiegend Frauen – und Langzeitarbeitslose haben immer noch zu wenig Perspektiven.
Lesen Sie hierzu auch unsere Pressemitteilungen:
Haushaltsberatungen im Hamburger Senat sind abgeschlossen (vom 15.06.2018)
Steuerschätzung und Haushaltsberatung der Hamburgischen Bürgerschaft (vom 18.05.2018)