Ob Eurostat, Chancenmonitor des ifo Instituts oder Bertelsmann Stiftung, die Datenerhebungen der letzten Wochen ergeben trotz leicht unterschiedlicher Datenbasis alle das gleiche Bild: Die Armutsgefährdungsquote von Kindern unter 18 Jahren ist in Deutschland in Familien mit geringem Einkommen und niedrigem Bildungsniveau dramatisch hoch. Jedes vierte Kind (24 Prozent) ist in Deutschland laut Eurostat-Studie betroffen. Auch prognostizierte Zahlen für Hamburg sprechen eine deutliche Sprache. Der SoVD Hamburg fordert, endlich vorhandene Konzepte umzusetzen, damit Millionen von Kindern und Jugendlichen nicht mehr abgehängt werden.
In Hamburg ist die Armutsgefährdungsquote für unter 18-Jährige mit 27,8 Prozent für 2022 im Vergleich zum Vorjahr (23,7 Prozent) prognostiziert, liegt also sogar noch deutlich über den gerade veröffentlichten Eurostat-Zahlen (Erstprognose Mikrozensus 2022; Landesmedian). „Die Konzepte liegen alle auf dem Tisch, aber offenbar ist die Lobby unserer Kinder nicht groß genug“, meint Klaus Wicher, Landesvorsitzender des Sozialverband SoVD Hamburg. Die Umsetzung der Kindergrundsicherung dümpelt so vor sich hin, erstmal fahren Politiker:innen lieber in den Urlaub – den sich andere nicht leisten können. Familieneinkommen und Bildungsniveau entscheiden auch in Hamburg gerade mit darüber, welches Kind nach den Ferien ein Gymnasium besuchen wird und welches nicht. „Die Zahlen sind beschämend, die Lebensrealität der betroffenen Kinder ein Trauerspiel“, findet Wicher. „Wir müssen endlich anfangen, Chancengleichheit für unsere Kinder zu schaffen. Dazu gehört die monetäre Unterstützung der Eltern genauso wie die verstärkte Förderung an Schulen und in den Kitas. Außerdem braucht es entsprechendes Personal und Schulungen für Lehrkräfte, sozialpädagogische Arbeit und Begleitung. Dafür müssen endlich die notwendigen Gelder zur Verfügung gestellt werden und sie müssen auch da ankommen, wo sie dringend gebraucht werden.“
Solange es im Schnitt sechs Generationen dauert, bis Kinder aus ärmeren Familien den sozialen Aufstieg schaffen, ist Chancengleichheit in weiter Ferne. Und solange das kindliche Existenzminimum nicht kind- und bedarfsgerecht neu ermittelt wird, können Politik und Gesellschaft weiter die Augen vor der Realität verschließen. Sprachkurse allein sind nicht die Antwort auf Chancenungleichheit, denn ein Migrationshintergrund ist nicht ausschließliches Problem, wie es gern in einigen politischen Kreisen skizziert wird. Und Reisen nach Indien lösen nicht das Problem des Fachkräftemangels, solange nicht deutlich mehr in Bildung und Teilhabe vor Ort investiert wird. „Welche Datenbasis auch immer zugrunde liegt, wir müssen das eigentliche und größer werdende Problem endlich seriös anpacken, und das heißt Armut“, so Wicher. „Auch in Hamburg.“