Soziale Beschäftigungsprojekte stehen seit Jahren immer wieder kurz vor der Schließung, weil die Sozialbehörde die Finanzierung kürzt oder nur für einen begrenzten Zeitraum zusichert. Neue Hoffnung keimte kurzfristig auf, als zum Jahresbeginn das neue Bundeteilhabechancengesetz in Kraft trat, das Lohnkostenzuschüsse für Langzeitarbeitslose verlässlich zusichert. So sollen Sozialprojekte in den Bezirken langfristig finanziert werden, damit Langzeitarbeitslose eine zusätzliche Perspektive zur Rückkehr in Arbeit bekommen.
Klaus Wicher informierte zunächst über die Veränderungen, die das Teilhabechancengesetz mit sich bringt: „Gut ist, dass die Kriterien Wettbewerbsneutralität, Zusätzlichkeit und öffentliches Interesse entfallen. In der Vergangenheit waren dies starke Hemmnisse.“ Ansonsten biete der § 16 e des Gesetzes nichts wesentlich Neues: 75 Prozent Lohnkostenzuschuss im ersten Jahr und 50 Prozent im zweiten Jahr, dazu Coaching und Qualifizierung – also wie bisher. Neu ist allerdings eine Förderung bis zu fünf Jahren, die zunächst für zwei Jahre 100 Prozent Lohnkostenzuschuss vorsieht. Danach wird der Zuschuss pro Jahr um zehn Prozent gekürzt. Auch Weiterbildung und Coaching werden übernommen. „Damit das gelingt, muss die Stadt bei den Beschäftigungsträgern die Co-Finanzierung übernehmen, was sie nur zu ganz kleinen Teilen macht. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 800 bis 1.000 Arbeitsplätze über diese Wege geschaffen werden können. Das ist zu wenig, denn es stehen Gelder für 3.500 Arbeitsplätze zur Verfügung.“ Wicher verwies außerdem darauf, dass es allein in Hamburg 18.000 Langzeitarbeitslose gebe, die Förderung brauchen: „Und deswegen muss Hamburg einen eigenen sozialen Arbeitsmarkt zusätzlich finanzieren!“ Der Bedarf sei groß: „Wir brauchen diesen zweiten sozialen Arbeitsmarkt auch deshalb ganz dringend, weil er sich auch auf behinderte Menschen bezieht, die massiv von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Dass Hamburg sich nach wie vor ziert, ist für uns nicht nachvollziehbar. Aus unserer Sicht ist dies ein schwerer Fehler.“
Der Linke-Bezirksfraktionsvorsitzender Julian Georg unterstützte Wichers Aussage durch die Forderung nach mehr bezirklicher Sozialpolitik: „Mit dem neuen sozialen Arbeitsmarkt könnten wir die Quartiersentwicklung voranbringen. Wenn wir alles dem Markt überlassen, lassen wir Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit hängen und ignorieren die Notwendigkeit einer geförderten sozialen Infrastruktur in Quartieren mit niedrigem Sozialindex.“Er sprach sich für mehr Kompetenz für die Bezirke aus: „Die Co-Finanzierung von öffentlich geförderter Beschäftigung bei sozialen Trägern in den Quartieren könnte durch die Bezirke geleistet werden. Dann wäre eine echte bezirkliche Sozialpolitik, orientiert an den Bedarfen der Menschen, möglich. Wir als Linke fordern vom Senat, die sinnvolle Verknüpfung von Arbeitsmarktpolitik und Quartiersentwicklung intensiv zu nutzen!“
Auch Petra Lafferentz, Geschäftsführerin von Alraune, einem der großen Hamburger Beschäftigungsträger, fühlt sich von der Stadt allein gelassen. Seitens der Politik vermisst sie den echten Willen zur Umsetzung des neuen Bundesgesetzes: „Es fehlt nicht nur Sach- und Fachverstand in den Behörden, es fehlt vor allem der politische Wille in der Sozialbehörde und der Bürgerschaft!“Sie schilderte die Auswirkungen, die nicht gesicherte Finanzierungen von Beschäftigungsprojekten auf die Betroffenen hat: „Die Menschen finden gerade einen neuen Halt und Struktur in ihrem Leben. Dann kommt oftmals das Aus und sie sind wieder da, wo sie angefangen haben. Das motiviert doch keinen!“ Lafferentz hat kein Verständnis für diese unkoordinierte Umsetzung des neuen Gesetzes durch die Stadt: „Das Jobcenter hatte schon im letzten Jahr erhebliche zusätzliche Gelder bekommen, um den Wechsel vorzubereiten. Trotzdem gab es keine nahtlose Neu-Zuweisung, stattdessen sind vorhandene geförderte sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze abgebaut worden.“ In Wandsbek betrifft es beispielsweise das Tierhaus, den Naturerlebnispfad, die Fahrradstation, sowie das Inklusionscafé JETZT in Steilshoop. Sie verwies auch auf einen zweiten Aderlass, der vor allem die Beschäftigungsträger trifft: Die sogenannten FAV-Stellen, die die Träger für belastete und nicht qualifizierte Langzeitarbeitslose anbieten, seien nach zwei Jahren ausgelaufen, obwohl das neue Gesetz jetzt eine Förderung von bis zu fünf Jahren zulässt. Lafferentz kritisierte scharf die Sozialbehörde, die die Zwischenfinanzierung für Projekte der Träger nicht übernehmen will: „So werden die Menschen entgegen dem Willen des Gesetzgebers wieder arbeitslos. Geld ist genug da, auch für zusätzliche stadtteilorientierte Beschäftigung in den Stadtteilen, die ganz nebenbei auch einen Beitrag zur Versorgung in den Quartieren, durch günstiges Essen oder auch die Begleitung von Senioren und Seniorinnen, leistet.“