„Alle Einwohner:innen unserer Stadt brauchen ein gut gespanntes Netzt an medizinischer Versorgung. In Quartieren mit niedrigem sozialen Status ist das Angebot an Ärzten aber äußerst löchrig!“, kritisiert Klaus Wicher. Er befürchtet, dass das geplante neue Primärarztsystem die Situation dort verschärfen könnte. Er empfiehlt dem Senat, den Aufbau von Polikliniken und Gesundheitszentren weiter voranzutreiben.
Die neue Bundesregierung plant, dass Patient:innen in Zukunft zuerst eine Hausarztpraxis aufsuchen müssen, bevor sie einen Facharzttermin bekommen. „Hier zeigt der Blick in den Hamburger Gesundheitsatlas sehr deutlich: Die Verteilung des ärztlichen Angebots ist bei uns nicht gleichwertig. Schon die Grundversorgung mit Allgemeinärzt:innen ist nicht überall gleich gut. Hinzu kommt, dass die Ärzteschaft in Hamburg vergleichsweise alt ist, etwa ein Drittel der Hausärzt:innen geht in absehbarer Zeit in den Ruhestand, damit werden sich die Probleme noch verschärfen“, sagt Wicher.
Vor allem in sozial benachteiligten Stadtteilen bestehe bereits jetzt akuter Mangel. Der SoVD-Landeschef gibt Beispiele: „Die Schieflage ist klar ersichtlich. Blankenese und Ottensen haben 17 beziehungsweise sogar 27 Allgemeinärzte, in Hamm dagegen praktizieren gerade mal vier. In Rothenburgsort und der Veddel jeweils zwei, in Dulsberg sind es sechs und in Steilshoop ebenfalls zwei!“
Mit Blick auf die Einwohner:innenzahlen in den Quartieren werde der Mangel noch deutlicher: „Zwei Ärzt:innen auf knapp 20.000 Menschen in Steilshoop, sechs für rund 17.000 in Dulsberg, dagegen 17 Allgemeinarztpraxen für die rund 13.500 Bewohner:innen in Blankenese – da muss sich die Stadt schon fragen lassen, warum sie es zulässt, dass es so krasse Unterschiede in der Versorgung gibt!“
Hamburg müsse die Kassenärztliche Vereinigung (KV), die für die Zulassung von Arztsitzen in der Stadt zuständig ist, mehr unter Druck setzen: „Der Senat muss sich auf die neuen Bedingungen in der Gesundheitsversorgung einstellen. Dies wird nur möglich sein, wenn die Stadt gemeinsam mit der KV schnell für Abhilfe vor allem in den Quartieren sorgt, in denen viele Menschen um die wenigen Arzttermine regelrecht kämpfen müssen.“
Sollte sich dies nicht schnell verbessern, befürchtet Wicher, dass mehr Menschen mit kleinen Einkommen, weniger teilhaben könnten: „Ich denke da vor allem an die älteren Senior:innen, die es in Zukunft nicht mehr schaffen einen Arzttermin zu bekommen. Das wird sie von wichtigen, gesundheitserhaltenden Angeboten ausschließen – sie wären dann diejenigen, die schuldlos durch unser soziales Netz rutschen!“ Wicher fordert, dort, wo der Mangel am größten ist, neue medizinische Versorgungszentren aufzubauen. Dort könnten die verschiedensten Fachrichtungen unter einem Dach praktizieren. Erfolgreich arbeitende Vorbilder gibt es schon, beispielsweise die Poliklinik auf der Veddel, der Gesundheitskiosk in Billstedt oder das Medizinische Versorgungszentrum in Mümmelmannsberg: „Die Ideen sind da, der neue Senat muss es jetzt angehen!“