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SoVD-Sozialcheck zur Bundestagswahl

Blick in die Programme der Parteien

Seit über einem Jahrhundert setzt sich der SoVD für gesellschaftliche Teilhabe sowie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und sozial Benachteiligten ein. Dabei gibt der Verband diesen Gruppen eine starke Stimme. Doch wie gut spiegeln die Wahlprogramme der politischen Parteien für die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar diese Ziele wider?

Diese Frage wurde von den Expert:innen der Abteilung Sozialpolitik des SoVD-Bundesverbands untersucht. Die Bewertung erfolgte anhand der bereits verabschiedeten Wahlprogramme oder der Entwürfe der Parteien. Der daraus resultierende Sozialcheck stellt keine Wahlempfehlung dar, sondern zeigt lediglich auf, in welchem Maße sich die Absichten der Parteien mit den Forderungen des Verbands decken.

Zur Veranschaulichung wurden leicht verständliche Symbole („Smileys“) genutzt. Falls ein solches Symbol in den Tabellen fehlt, bedeutet dies, dass sich die jeweilige Partei zu dieser speziellen Frage nicht geäußert hat.

Die Partei „Alternative für Deutschland“ („AfD“) wurde nicht berücksichtigt, da sie grundsätzlich im Widerspruch zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und den Zielen des SoVD steht. Zur Vereinfachung wurden die Bezeichnungen „Bündnis 90/Die Grünen“ („Grüne“), „Die Linke“ („Linke“) und „Bündnis Sahra Wagenknecht“ („BSW“) abgekürzt.

Rente

Das Thema Rente spielt in allen Wahlprogrammen eine wichtige Rolle. Hier werden auch die bisher immer wieder diskutierten Konfliktlinien und Lösungsansätze deutlich: Stabilisierung des Rentenniveaus entgegen eines Ausbaus der Kapitaldeckung; eine mögliche Anhebung des Renteneintrittsalters und die Einbeziehung weiterer Personengruppen in die gesetzliche Rentenversicherung. Die Vermeidung von Altersarmut wird dem SoVD jedoch insgesamt zu wenig thematisiert. So werden zum Beispiel Verbesserungen bei der Grundrente nur in zwei Programmen kurz angesprochen.

Pflege

Der ungelöste Personalnotstand, horrende Eigenanteile durch steigende Pflegekosten und das hohe Finanzierungsdefizit der sozialen Pflegeversicherung machen die Pflege zu einem sozialpolitischen Brennpunkt. Dennoch gewichten die Parteien das Thema Pflege in den Wahlprogrammen sehr unterschiedlich: Während eine Mehrheit nach Lösungsansätzen für die angespannte Situation der Pflegebedürftigen, der pflegenden Angehörigen und der beruflich Pflegenden sucht, widmen zwei Parteien diesen Zusammenhängen lediglich zwei Absätze in ihren Programmen. Das ist aus Sicht des SoVD enttäuschend und wird dem Stellenwert der Pflege nicht gerecht.

Arbeitsmarkt

Die Transformation der Wirtschaft sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen und Fachkräften stehen im Bereich Arbeitsmarkt in nahezu allen Programmen ganz klar im Vordergrund. Eine große Rolle spielen auch die Stärkung der Tarifbindung und ein gesetzlicher Mindestlohn. Positiv fällt auf, dass die Parteien, die sich für einen guten Mindestlohn stark machen, dessen Höhe bei mindestens 15 Euro sehen. Dies stellt eine zentrale arbeitsmarktpolitische Forderung des SoVD dar.

Armut und Reichtum

Die Wahlprogramme wurden auch hinsichtlich verteilungs- und armutspolitischer Themen auf den Prüfstand gestellt. Große Unterschiede zeigen sich bei den Vorschlägen zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit, zu einer Reform der Schuldenbremse und einer gerechteren Besteuerung von Reichtum, für die der SoVD vehement eintritt. Die Schaffung einer wirklich bedarfsgerechten Existenzsicherung und die Einführung eines sozialeren Tarifes für das Deutschlandticket werden von vielen Parteien nicht erwähnt. Positive Tendenzen lassen sich hingegen für eine sozialere Wohnungspolitik erkennen.

Gesundheit

Die Gesundheitsversorgung nimmt in allen Wahlprogrammen einen hohen Stellenwert ein. Die Parteien eint das Ziel einer guten Gesundheitsversorgung in Deutschland und einer besseren Vernetzung in der Versorgung zwischen niedergelassenen Ärzt:innen und den Krankenhäusern. Handlungsbedarf sehen alle Parteien angesichts der ungleichen Versorgungsstrukturen zwischen Stadt und Land. Große Unterschiede zeigen sich vor allem bei den Vorstellungen zur Bewältigung der finanziellen Herausforderungen sowie bei der Einführung einer Bürgerversicherung.

Menschen mit Behinderung

Menschen mit Behinderungen erleben in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens nach wie vor große Benachteiligungen. Deutlich legte dies nicht zuletzt die Staatenprüfung der Vereinten Nationen im Sommer 2023 offen. Die Wahlprogramme der untersuchten Parteien greifen die Belange von Menschen mit Behinderungen an wenigen Stellen auf. Zwar erwähnen einzelne Programme durchaus die Problematik fehlender Barrierefreiheit oder die für Menschen mit Behinderungen unzufriedenstellende Situation auf dem Arbeitsmarkt. Allen Wahlprogrammen mangelt es jedoch an dem umfassenden Verständnis einer inklusiven Gesellschaft, welche die Bedarfe von Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen grundsätzlich mitdenkt.

Frauen

Die SoVD-Forderung, dass Öffnungszeiten von Ganztagskitas und Ganztagsschulen mit den Arbeitszeiten vereinbar sein sollen, ist erfreulicherweise in allen Wahlprogrammen zu finden. Das Thema „gleicher Lohn für gleiche Arbeit" mit der Weiterentwicklung der Entgelttransparenzrichtlinie anzugehen, ist in drei Wahlprogrammen wie für den SoVD der Schlüssel zur Überwindung der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern. Öffentliche Zuschüsse für haushaltsnahe Dienstleistungen führen lediglich zwei Wahlprogramme an, die Einführung von Entgeltersatzleistungen drei. Die bezahlte Freistellung für Väter oder zweite Elternteile rund um die Geburt eines Kindes, ein Paritätsgesetz und gesetzliche Frauenquoten finden in drei Wahlprogrammen keine Erwähnung. Fazit: Die Gleichstellung von Frauen und Männern spielt zwar in allen Programmen eine Rolle, nur jedes zweite allerdings verfolgt sie nach Ansicht des SoVD auch konsequent.

Klima

Die Parteien zeigen in ihren Wahlprogrammen eine sehr unterschiedliche Perspektive auf den Klimaschutz. Für einige stehen individuelle Anschaffungen wie der Kauf neuer Elektroautos im Fokus. Andere stellen die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen grundsätzlich infrage. Der SoVD hingegen bewertet diejenigen Vorhaben positiv, welche Menschen mit wenig Einkommen gezielt von der CO2-Bepreisung entlasten und auch ihnen Wege eröffnen, Emissionen zu senken.

Kinder- und Jugendliche

Die Einführung einer Kindergrundsicherung erwähnen viele Parteien gar nicht. Die Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahren spielt in drei Wahlprogrammen eine Rolle. Positiv zu bewerten ist, dass alle Wahlprogramme das Thema „(soziale) Medien" aufgreifen, im Ergebnis allerdings sehr unterschiedlich bewerten. In zwei Wahlprogrammen ist Medienkompetenz als Schulfach erfreulicherweise explizit aufgenommen. Drei Wahlprogrammen ist zu entnehmen, dass Medienkompetenz in der Schule eine bedeutendere Rolle als bisher einnehmen soll. Eine Partei fordert ein Social-Media-Gesetz nach australischem Vorbild. Dort gilt ein Verbot der Nutzung sozialer Medien für unter 16-Jährige, außer WhatsApp, Online-Gaming auf Plattformen und YouTube für schulische Zwecke.

SoVD Sozialverband Deutschland e.V., Landesverband Hamburg
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