Corona hat unser Land im Würgegriff: Delta und demnächst auch die Omikron Variante sorgen für volle Kliniken, in den Alten- und Pflegeheimen herrscht seit längerer Zeit Personalmangel: „Der Pflegenotstand hat erschreckende Ausmaße angenommen, in Hamburg gehen die Mitarbeiter*innen der Krankenhäuser inzwischen auf die Barrikaden. Sie müssen entlastet werden, indem sie bei einfachen Tätigkeiten deutlich besser unterstützt werden – auch und vor allem durch mehr Menschen, die aus den verschiedensten Gründen bisher nicht in Arbeit gekommen sind“, sagt Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender Sozialverband Deutschland (SoVD) in Hamburg. Dabei könnten beide Seiten viel gewinnen.
Wichers Forderung ist keineswegs unrealistisch: „In allen Gruppen, die im Hartz-IV-Bezug sind, gibt es vom Langzeitarbeitslosen bis zur Alleinerziehenden genügend Menschen, die allgemeine Hilfstätigkeiten rund um die Gesundheitsbetreuung leisten könnten. Das gilt auch für Menschen, die aus dem Gesundheitssystem wegen zu hoher Belastungen und anderen Gründen ausgeschieden sind.“ Sie könnten leichtere Arbeiten übernehmen: „Im Grunde wären diese Tätigkeiten ähnlich denen, die Pflegehilfskräfte schon heute übernehmen. Das wäre zum Beispiel die Hilfe beim Essen, die Unterstützung bei der Körperpflege oder auch hauswirtschaftliche Arbeiten. Es könnten z. B. kleine Teams rund um eine Fachpflegekraft gebildet werden, die unter deren Anleitung Arbeiten übernehmen, die die Fachkraft sofort entlastet.“
Die neue Unterstützung wäre für alle Seiten ein Gewinn: „Menschen ohne Jobperspektive könnten sich qualifizieren und auf dem Arbeitsmarkt integrieren. Das käme auch den Anbietern sozialer Pflegedienstleistungen zugute, die eine bessere Pflegequalität sicherstellen könnten. Am wichtigsten ist es aber, dass ausgebildete Fachkräfte deutlich entlastet werden und sich auf die wirklich wichtigen Arbeiten in der Pflege konzentrieren könnten.“
Angesichts der steigenden Corona-Zahlen und einem drohenden Lockdown, sollte die Stadt Hamburg an dieser Stelle schnell und unbürokratisch eingreifen und sich auch im Bund für neue Pflegemodelle starkmachen: „Wir haben keine Zeit, lange zu eruieren, wie und ob Hilfen in der Pflege möglich sein können. Es sind jetzt Entscheidungen gefragt!“
Wicher sieht seinen Vorschlag als einen grundsätzlichen Beitrag zur Pflegediskussion: „Der demographische Wandel wirft immer mehr die Frage auf, wie unser Staat eine qualitativ hochwertige Versorgung der alten und pflegebedürftigen Menschen auf Dauer finanzieren kann. Ich ahne, dass die Mittel aus der Pflegeversicherung in der Zukunft keinesfalls reichen werden – deshalb müssen wir Pflege neu denken. Ich finde, dass unser Vorschlag, erwerbsfähige Leistungsbeziehende, ausgeschiedene Pflegekräfte und Menschen aus der ‚stillen Reserve‘ einzubeziehen, absolut bedenkenswert ist. Die Hamburger Politik sollte sich jetzt damit auseinandersetzen!“