Die Entscheidung darüber, ob sich Hamburg für die Ausrichtung der Olympischen Spiele und der Paralympics im Jahr 2024 bewerben soll, wird durch ein Referendum am 29. November 2015 von den Hamburger Bürgerinnen und Bürgern entschieden.
Nachfolgend nehmen wir Stellung zu den aus unserer Sicht unabdingbaren Voraussetzungen für die Durchführung Olympischer Spiele in Hamburg:
Grundlegend ist der Frage nachzugehen, wie sich die Lage benachteiligter Menschen durch die Olympischen Spiele verändert. Können sie Gewinner sein oder werden sie durch diesen Kraftakt noch weiter abgehängt? Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg hat diese wichtige Frage bisher nicht beantwortet. Für den SoVD Hamburg als Anwalt benachteiligter Menschen in unserer Stadt ist die Antwort auf diese Frage von zentraler Bedeutung und vorrangig zu klären.
Wir verzeichnen in der Stadt seit mehr als einem Jahrzehnt eine erschreckend hohe Zahl von Menschen, die in Armut leben müssen. Besonders betroffen sind Rentnerinnen und Rentner, die am Ende ihres Lebens noch einen langen Weg in Armut gehen müssen – ohne Chance auf Umkehr. Dies oft genug nach einem langen Arbeitsleben. Die Zahl der armen Rentnerinnen und Rentner steigt kontinuierlich an und es ist nicht zu erkennen, was Hamburg dem entgegensetzt, um diese Lebensperspektive wirklich zu verbessern. Viele Kinder und Jugendliche leben in Armut; dies grenzt sie aus der Gesellschaft aus und mindert ihre Lebensperspektiven. Arbeitslose und Alleinerziehende tragen ein hohes Armutsrisiko. Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit ist nicht erst mit dem deutlichen Anstieg der Flüchtlingszahlen ein Problem in der Stadt. Besonders betroffen sind auch hier Frauen. In Hamburg wächst nicht nur die Zahl der Einwohner besonders durch die Zuwanderung von Flüchtlingen, die unserer Unterstützung bedürfen. Es wächst und nimmt vor allem die Kluft zwischen Arm und Reich in unserer Stadt sichtbar zu.
Vor diesem Hintergrund muss es erlaubt sein zu fragen, ob es tatsächlich am Ende Spiele für alle sein werden?
Für den SoVD ist von herausragender Bedeutung, dass die in Hamburg erreichten sozialen Standards nicht gefährdet werden, zumal in wichtigen sozialen Bereichen finanzielle Mittel nach wie vor fehlen. Vorrang vor einer Olympiabewerbung Hamburgs muss aus unserer Sicht bleiben, den Pfad zur Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit in Hamburg zu beschreiten und dafür die notwendige politische Kraft und Mittel aufzubringen. Im Einzelnen haben wir die Bedarfe in verschiedenen Veröffentlichungen beschrieben, so dass eine Wiederholung an dieser Stelle unterbleiben kann.¹ Es fehlt nach wie vor ein Konzept zur systematischen Bekämpfung steigender Armut in der Stadt. Olympische Spiele in Hamburg sollten daher konsequent die Initiative zum Ausbau einer sozialen und einer sozial gerechten Stadt beinhalten. Zu klären ist auch, ob und wie insbesondere die Unterdeckung in manchen Bereichen sozialer Leistungen durch Olympische Spiele verbessert werden kann, um so benachteiligten Menschen vermehrt Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen.
- Ab 2018 stehen sechs Jahre hintereinander jeweils 200 Millionen EUR zusätzlich zur Verfügung. Dem gegenüber steht die deutliche Aussage des Senats, keine zusätzlichen Gelder zur Verfügung zu haben. Für uns hat der Senat bislang keine ausreichende Antwort auf die Frage gegeben, wie diese Summe durch Umschichtung im Haushalt erreicht werden kann und insbesondere, wo umgeschichtet werden soll.
- Die Verwendung von Steuermehreinnahmen und Zinsersparnissen zur Finanzierung der Flüchtlingssituation und zusätzlicher sozialer Leistungen muss öffentlich diskutiert werden. Ebenso kann der Hamburger Senat im Bundesrat Initiativen ergreifen, um eine solidarische Steuerreform in Gang zu bringen. Beides muss ernsthaft erwogen werden.
- Auf dem Grasbrook soll das Olympische Dorf für die Olympischen Spiele und die Paralympics entstehen. Hier ist die Chance zu ergreifen, konsequent barrierefreien und zudem kostengünstigen Wohnraum zu errichten, der nach den Spielen insbesondere sozial schwächeren und benachteiligten Menschen zur Verfügung gestellt werden kann. Damit dies für die Zielgruppe zu einem lebenswerten Quartier wird, ist die notwendige und bedarfsgerechte soziale Infrastruktur vor Ort sicher zu stellen. Schon heute ist es nicht möglich, den Bedarf an preiswertem Wohnraum zu decken. Trotz erhöhter Anstrengungen fehlt 10.000 wohnungslosen Menschen ein Dach über dem Kopf. Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt seit vielen Jahren dramatisch ab. Durch die nicht abebbende Flüchtlingswelle wird preiswerter Wohnraum eher noch knapper. – Trotz der bemerkenswerten Anstrengungen des Hamburger Senats auf diesem Gebiet.
- Wie sollen den über 20.000 Langzeitarbeitslosen Perspektiven durch Olympia eröffnet werden, wenn schon heute keine 1.000 zusätzlichen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze durch den Senat finanziert werden können?
- Equal Pay für alle Beschäftigten. – Also auch für Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer, Werkvertragsbeschäftigte, Teilzeitbeschäftigte etc.
- Die jeweils gültigen Tarifverträge müssen von den Unternehmen für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konsequent eingehalten werden bzw. dürfen durch die Stadt nur solche Unternehmen beauftragt werden, die an Tarifverträge gebunden sind. Die Einhaltung der Zahlung des gültigen Mindestlohns muss konsequent überwacht werden.
- Der Eintritt zu den Sportereignissen muss auch sozial schwächeren und benachteiligten Menschen ermöglicht werden. Hier gilt es entsprechende Kontingente vorzuhalten.
- Die Wertschätzung von Menschen und der Respekt vor den Leistungen arbeitender Menschen sind grundlegende Hanseatische Werte. Sie müssen auch für sportliche Großveranstaltungen Gültigkeit besitzen. Olympische Spiele haben eine enorme Auswirkung auf die Austragungsorte und damit auf die gesamte Bevölkerung. In jedem Fall ist darauf zu achten und muss sichergestellt werden, dass alle Maßnahmen dem Sinn guter Arbeit und guter Arbeitsbedingungen entsprechen. Dies ist konsequent in die Vorbereitung, Planung und Durchführung des sportlichen Großereignisses aufzunehmen.
¹ Vgl. u.a: Programmatische Leitlinien; Konzept zur Integration Langzeitarbeitsloser in Beschäftigung; Wahlprüfsteine zur Bezirkswahl 2014; Wahlprüfsteine zur Bürgerschaftswahl 2015