Die Hansestadt Hamburg kann in den kommenden Jahren aus dem Vollen schöpfen. Nach der neusten Steuerschätzung, die Finanzsenator Peter Tschentscher gestern veröffentlichte, kann die Stadt entgegen der letzten Steuerschätzung vom November 2016 in diesem Jahr nochmals mit 399 Millionen Euro höheren Steuererträgen rechnen. Und auch in den folgenden Jahren wird mit zwischen dreihundert und vierhundert Millionen Euro Mehreinnahmen gerechnet. Hinzu kommen in den nächsten Jahren deutlich höhere Zahlungen aus der anstehenden Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern.
Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender SoVD Hamburg, fordert deshalb, die vom 1. Bürgermeister Olaf Scholz avisierten „vielen Hundert Millionen Euro“ mehr im Haushalt vor allem für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt auszugeben, die besonders der Unterstützung bedürfen. „Eine gute Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft wäre es, deutlich mehr Geld für Maßnahmen gegen Kinder- und Jugendarmut zu investieren“, sagt Wicher am Rande einer öffentlichen Anhörung zur Armut von Kindern und Jugendlichen, die DIE LINKE. in der vergangenen Woche in der Stadt initiiert hatte.
Vor allem in die Offene Kinder- und Jugendarbeit müsse dringend mehr Geld investiert werden, so Wicher weiter: „Diese offenen Angebote leisten einen extrem wichtigen Beitrag und helfen, soziale Benachteiligung von Kindern aus sozial schwachen Verhältnissen zu vermindern.“ Für die Gesellschaft von morgen seien heute getroffene Maßnahmen von großem Nutzen: „Die offene Arbeit ist auch ein Beitrag zu einer Kultur des Aufwachsens in Verantwortung und zur Vermittlung demokratischer und sozialer Grundwerte. Ihre positive Vermittlung wird in der Zukunft mit darüber entscheiden, ob diese Menschen von den Werten der Demokratie überzeugt sind, oder sich von ihr abwenden.“
DIE LINKE. hatte die Anhörung anberaumt, um Aktive aus den verschiedensten Einrichtungen in der Stadt nach ihren Erfahrungen vor Ort zu befragen. Anlass war eine Kleine Anfrage der Partei zu der aktuellen Situation (Drs. 21/8806) die ergeben hatte, dass SPD und Grüne entgegen ihrer getroffenen Koalitionsvereinbarung wenig dafür getan haben, den Ausbau der Offenen Kinder- und Jugendarbeit voran zu treiben. Nur die Betreuung von Kindern und Jugendlichen aus Flüchtlingsfamilien wird derzeit aktiv mit rund einer Million Euro vom Senat gefördert.
Auch der Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg e.V. (VKJH) hatte in der öffentlichen Anhörung als Fachverband für die offene Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien Stellung zur aktuellen Lage genommen. Er warb für die offenen Angebote und Zugänge, da sie mit ihrem niedrigschwelligen Angebot vor allem Kinder und Jugendliche aus armen und sozial schwachen Lebensumfeldern erreiche. In vielen Fällen gelänge es, die Eltern in die Arbeit mit einzubeziehen.
Fakt ist aber, dass der Mindeststandard von zwei hauptamtlichen Fachkräften in diesen Einrichtungen nur bei der Hälfte erreicht ist: Von den 244 Angeboten in Hamburg sind 124 mit weniger als zwei Stellen besetzt. In 93 Einrichtungen steht noch nicht einmal eine volle Stelle zur Verfügung. Dadurch sind laut VKJH in der Mehrzahl weder die notwendige Angebotsbreite noch Tiefe und Qualität der Beratungshilfen gewährleistet.
Wegen der Kürzungen bei den Honorar- und Sachmitteln wird es für die Betreiber von offenen Einrichtungen in Hamburg zunehmend schwerer, bedarfsgerechte Angebotszeiten an den Abenden, den Wochenenden und in den Ferien zu realisieren.
Aus Sicht des SoVD hat der Senat sein Versprechen nicht erfüllt: „Die Beschäftigten aus dem Arbeitsfeld der Offenen Kinder- und Jugendarbeit haben darauf vertraut, dass der Ankündigung im Koalitionsvertrag, die Offene Kinder- und Jugendarbeit zu stärken, auch Taten folgen. Fakt ist, dass sich die Arbeitsfähigkeit des Arbeitsfeldes weiter zugespitzt hat. Dabei besteht ganz klar ein gestiegener Bedarf an Förderung der offenen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und Familien“, kritisiert Wicher.