„Positiv ist erstmal, dass sich Rot-Grün in Zukunft einen echten Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt wünscht und die Interessen aller hören möchte. Das begrüßen wir sehr und werden uns bei allen sozialen Fragen einbringen“, verspricht der Hamburger SoVD-Landeschef Klaus Wicher.
Die Koalition hat sich auf die Fahnen geschrieben, Hamburg zu einer Stadt zu entwickeln, in der ein selbstbestimmtes Leben, gute Bildungschancen, fair bezahlte Arbeit und gesellschaftliche Teilhabe gleichermaßen möglich sind. Eine Forderung, die der SoVD seit langem stellt. Deshalb freuen wir uns über diese Absichtserklärung.
Eine solidarische Stadt sorgt für die uneingeschränkte Teilhabe ihrer Bürgerinnen und Bürger. Unserer Ansicht nach ist dies sozialpolitischer Auftrag und Anknüpfungspunkt für die politische Arbeit. Niemand darf zurückbleiben! Ein Programm zur Armutsvermeidung und Armutsbekämpfung, zum sozialen Ausgleich und zur Verbesserung gesellschaftlicher Teilhabe, ist für uns selbstverständlich und erforderlich.
Auch unsere Forderung nach einer Haushaltspolitik, die nachhaltig, generationengerecht und sozial ausgewogen ist, will der Senat realisieren. Leider steht im Koalitionsvertrag nicht, wie das in die Tat umgesetzt werden soll. Wir befürchten deshalb – bei leeren Kassen –, dass es hier bei warmen Worten und wenig Taten bleiben wird.
Bei der Ankündigung, die Hamburger Gesundheitsämter strukturell zu stärken und aufzustocken bleibt ebenso im Dunklen, wie dies geschehen soll. Zumal noch nicht klar ist, wie der neu geschaffene Gesundheitsbereich in der Sozialbehörde arbeiten wird.
Es muss sich noch erweisen, ob der neue Zuschnitt der Behörden wirklich funktionieren wird. So werden der Landes-Seniorenbeirat (LSB) und die Maßnahmen für Seniorinnen und Senrioen auf zwei Behörden verteilt. Dies gilt auch für die Senatskoordination für die Gleichstellung behinderter Menschen und die Maßnahmen für Menschen mit Behinderung, die sich in unterschiedlichen Behörden wiederfinden.
Wir begrüßen, dass die Kundenzentren jetzt auch am Wochenende öffnen sollen, denn nicht alle Bürgerinnen und Bürger sind mit den digitalen Möglichkeiten genügend vertraut bzw. können sich diese leisten.
Durch Wohnungsbau und Stadtentwicklung will die Koalition erreichen, dass das Wohnen in Zukunft für alle Hamburgerinnen und Hamburger bezahlbar ist. Umsetzen will sie das mit einer Bodenpolitik, bei der das Gemeinwohl an erster Stelle steht und die vermehrte Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht.
Positiv bewerten wir, dass bezahlbares und klimagerechtes Wohnen gefördert werden soll. Ein weiterer Stichpunkt ist der Drittelmix bei Neubauprojekten. In gefragten Wohnlagen soll bis zu 50 Prozent sozialer Wohnungsbau möglich werden. Zusätzlich wird die Mietpreisbindung für Sozialwohnungen auf bis zu 30 Jahre erhöht. Auch die Grundstücksvergabe an Baugemeinschaften ist ein neuer Weg, um Wohnen in der Stadt möglich zu machen.
Nachgelegt werden muss aus unserer Sicht beim sozialen Wohnungsbau. Mindestens 5.000 neue Einheiten müssten pro Jahr fertiggestellt werden, um den Bestand zu halten, der bereits auf rund 80.000 Sozialwohnungen gesunken ist. Auch der Wohnungsbau für besondere Zielgruppen wie z. B. Frauen in Frauenhäusern und obdachlose Menschen ist lobenswert, wenn auch die angestrebte Zahl viel zu gering ist.
Die Hinwendung zu den Quartieren und den Bedürfnissen älterer Menschen finden wir absolut richtig. Wir begrüßen den Plan der Koalition, in den Stadtteilen Quartierzentren zu entwickeln. Allerdings fehlt auch hier ein Konzept, mit dem dies umgesetzt werden kann. Konkret ist der Senat nur mit seiner Ansage bestehende Seniorentreffs auszubauen. „Eine Idee, die viel zu rückwärtsgewandt ist, denn das fördert die Abgrenzung statt das Zusammenwachsen von Älteren und Jüngeren. Und es ist kein Mittel, um Armut zu begegnen. Wir raten zu Zentren in den Quartieren nach dem Vorbild der Stadt München, wo die Angebote zusammengeführt werden“, kommentiert Wicher. „Den Ausbau der Kitas und die qualitative Verbesserung der Betreuungskapazität ist mehr als sinnvoll, das haben wir schon vor mehr als einem Jahr in unserer Stellungnahme zum Familienbericht des Senats dargelegt.“ [Zur Stellungnahme des SoVD zum Lebenslagenbericht „Familien in Hamburg“]
Auffällig ist, dass das Thema Armut in dem neuen Koalitionsvertrag so gut wie gar nicht vorkommt, trotz einer Armutsgefährdungsquote von 18,4 Prozent in der Stadt. Hier hatten wir konkrete Vorschläge wie, die Grundsicherung aus eigenen Mitteln zu erhöhen oder zeitweise 100 Euro mehr für Bezieherinnen und Bezieher von Hartz IV zu zahlen (eine Forderung der GRÜNEN auf Bundesebene), die kostenfreie Nutzung des ÖPNV für Bedürftige oder auch den freien Eintritt für sie in städtische Einrichtungen – nichts davon wurde von der Koalition aufgegriffen. Das ist schmerzlich und unverständlich. Der SoVD fordert die Bürgerschaft und den Senat nachdrücklich auf, hier sehr schnell nachzubessern.
Menschen, die schon lange von Hartz IV leben, will der Senat stärker mit Förderprogrammen und durch das Teilhabechancengesetz unterstützen, das speziell für Langzeitarbeitslose gedacht ist. Dazu soll die kleine Zahl dieser jetzt schon bestehenden 275 Arbeitsplätze in Teilhabe- und Beschäftigungsprojekten verdreifacht werden – wenn die Mittel es erlauben(!).
Dies halten wir gerade in den Zeiten nach Corona für einen deutlich zu klein geratenen Ansatz. Wie dringend das Problem ist, zeigt die große Zahl von Menschen, die ihren Job verloren haben und sich plötzlich in Armut wiederfinden. Solo-Selbständige, Kleingewerbetreibende, das Dienstleistungsgewerbe sowie Künstlerinnen und Künstler sind hier nur einige Beispiele von Vielen. Viele sind in Hartz IV abgerutscht. Vor allem für die Älteren, wird der Weg daraus wahrscheinlich sehr beschwerlich und oft nicht mehr möglich sein. Klaus Wicher: „So schafft man keine neuen Perspektiven für die abgehängten Menschen in der Stadt. So wird die Koalition ihr Ziel, dass alle Hamburgerinnen und Hamburger sich das Leben in unserer Stadt leisten können, sicher nicht erreichen! Angesichts der großen Beträge, die für andere Bereiche zur Verfügung stehen, sehen wir den Zusammenhalt in der Hansestadt akut in Gefahr.“