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Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung

Lob und Tadel für die Ampelparteien im Ressort Soziales

„Nach einer ersten schnellen Durchsicht lässt sich an vielen Stellen der von den Koalitionären in spe vielbeschworene „neue Geist“ herauslesen, wonach der bürgernahe Sozialstaat künftig den Menschen bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben stärker auf Augenhöhe helfen soll, anstatt sie als Bittsteller zu behandeln. Es ist allerdings bedauerlich, dass einige wichtige soziale Forderungen keinen Eingang in den Vertrag gefunden haben. Vor allem die Bürgerversicherung hätte die neue Koalition angehen müssen.“, befindet Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender Sozialverband Deutschland (SoVD) in Hamburg.

Am 24. November haben SPD, GRÜNE und FDP den Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit.“ vorgestellt. Viele der vom SoVD seit Jahren eingeforderten Maßnahmen finden sich dort wieder. Dazu gehören:

  • Das Bekenntnis zu einem garantierten Rentenniveau und dem Ausschluss von Rentenkürzungen
  • Die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro
  • Die Einführung einer Kindergrundsicherung
  • Die Verbesserung der Erwerbsminderungsrenten im Bestand
  • Der erleichterte Zugang zur Grundsicherung in den ersten zwei Bezugsjahren
  • Die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs im SGB II
  • Umfassende Barrierefreiheit bei privaten Anbietern und im ÖPNV
  • Verbesserungen bei der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern
  • Der Einstieg in die sektorenübergreifende Gesundheitsversorgung
  • Die jährliche Dynamisierung des Pflegegeldes

Auch ist der Ansatz richtig, den Wohnungsbau auf hohem Niveau mit 400.000 Wohnungen pro Jahr zu betreiben. Allerdings ist der Anteil der Sozialwohnungen mit 100.000 zu gering angesetzt und wird dem tatsächlichen Problem nicht gerecht. Ebenso ist die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro nicht genug, armutsfest wären 13 Euro pro Stunde.

Darüber hinaus bleibt einiges im Unklaren: Beim neuen Bürgergeld muss sich noch zeigen, ob es wirklich der feste Wille der neuen Regierung ist, die Grundsicherung so anzuheben, dass das sozial-kulturelle Existenzminimum wirklich gedeckt ist. Auch die Entwicklungen beim Renteneintrittsalter, zu dem ein flexibleres Eintrittsmodell nach skandinavischem Vorbild diskutiert werden soll, müssen aufmerksam begleitet werden.

Einige vereinbarte Maßnahmen der neuen Koalitionspartner sind regelrecht falsch, wie etwa der Einstieg in die Teilkapitaldeckung der gesetzlichen Rente oder der Ausbau der Minijobs, die vor allem für Frauen eine Armuts- und Teilzeitfalle sind.

Und natürlich gibt es auch Fehlstellen, mit denen man angesichts der politisch sehr unterschiedlich aufgestellten Verhandlungspartner rechnen musste. So wird es keine ausreichenden Bemühungen zur Überwindung der gesellschaftlichen Spaltung in Arm und Reich oder hin zu einer gerechteren Lastentragung in unserer Gesellschaft geben. Es fehlen Maßnahmen wie die Anhebung der Spitzensteuersätze, die Reform der Erbschaftssteuer, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer oder eine Vermögensabgabe. Zudem hat man sich auf die Anwendung der Schuldenbremse und einen Rentenbeitragssatz nicht über 20 Prozent verständigt.

Vor diesem Hintergrund befürchtet Wicher, dass sich die neue Bundesregierung in ein zu enges finanzielles Korsett schnürt, und die Luft fehlt, um vereinbarte soziale Maßnahmen zu finanzieren. Natürlich ist Papier geduldig und ein Koalitionsvertrag eine Absichtserklärung: „Wir werden erst Ende 2025 wissen, was wirklich umgesetzt wurde. Man darf gespannt sein.“

SoVD Sozialverband Deutschland e.V., Landesverband Hamburg
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