Immer mehr Gesundheitskonzerne übernehmen Arztpraxen in Hamburg und bündeln diese zu investorenfinanzierten Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). „Dort steht bei vielen das ökonomische Kalkül an erster Stelle und vor allem Leistungen, die starken Umsatz bringen“, kritisiert Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender Sozialverband Deutschland, Landesverband Hamburg. „Dies wird dazu führen, dass Kassenpatient:innen immer länger auf eine Behandlung warten müssen und die ärztliche Grundversorgung in Stadtteilen, in denen viele Menschen leben, immer schlechter wird. Schon heute fehlt ärztliches Fachpersonal in den armen Quartieren der Stadt, beispielsweise in Vierteln wie Steilshoop, wo schon jetzt Allgemein- und Kinderärzt:innen fehlen. Solche Entwicklungen sind Sprengstoff für den sozialen Frieden!“
Wicher warnt: „Wer möglichst hohe Renditen erwirtschaften will, könnte sich vor allem auf Privatpatient:innen konzentrieren. Ich befürchte, dass Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherungen immer länger auf eine Behandlung warten müssen.“ Der Hamburger SoVD-Landesvorsitzende warnt davor, dass sich dieser Trend immer schneller fortsetzen könnte: „In den kommenden Jahren werden über ein Drittel aller Hausärzt:innen in Rente gehen. Schon jetzt bekommt man nicht mehr überall einen Termin, vor allem für Ältere werden die Wege immer weiter. Diese Entwicklung ist nicht sozial gerecht. Viele gesetzlich Versicherte fühlen sich als Patient:in zweiter Klasse und weniger wichtig für medizinisches Fachpersonal.“
In solchen MVZ bestehe die Gefahr, dass medizinische Entscheidungen von Kapitalinteressen beeinflusst würden. Dies wirke sich auch negativ auf die Versorgung der zu behandelnden Menschen aus, da in investorengetriebenen MVZ vor allem die Leistungen angeboten werden, die starken Umsatz bringen.
Wicher: „Ambulante Versorgung wird nicht nur teurer, sondern auch schlechter und konzentriert sich auf lukrative städtische Räume. Die Folgen dieser Rendite-Medizin tragen besonders die, die gesundheitspolitisch abgehängt sind.“ Er fordert transparente Eigner-Strukturen – denn Patient:innen müssten wissen, an wen die Kasse zahlt: „Man könnte der Entwicklung entgegensteuern indem man in den Stadtteilen kommunale Gesundheitszentren aufbaut. Neue MVZ sollten als gGmbH gegründet werden, sie wären damit dem Gemeinwohl verpflichtet.“