Hamburg ist aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigung medizinisch überversorgt. „Der schöne Schein trügt, nach wie vor gibt es einen eindeutigen Überschuss an Fachärzt:innen in gut situierten Stadtteilen, während gerade Fachärzt:innen für Kinder- und Jugendliche in ärmeren Gegenden der Stadt rar gesät, bis gar nicht vorhanden sind. Das bestätigt gerade eine Studie der DAK Gesundheit zum Thema“, moniert Klaus Wicher. Notfallpraxen auf Zeit könnten den Druck herausnehmen.
„Seit Jahren kritisiert der SoVD Hamburg die Situation, die sich vor allem auf benachteiligten Menschen in der Stadt auswirkt. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) und die Krankenkassen müssten sich viel stärker dafür einsetzen, dass die medizinische Versorgung in den Stadtteilen gerechter, gleichwertiger und vor allem nah dran an sich verändernden Bedarfen ist. Offenbar hat die KV aber keine richtige Handhabe, um die Verteilung der Fachärzt:innen in der Stadt besser zu steuern“, stellt Wicher fest. Aus Wichers Sicht gibt es bei der Verteilung der Ärzt:innenpraxen auffällige Defizite: Insbesondere die schlechte Verteilung von Fachärzt:innen für Frauen sowie für Kinder- und Jugendmedizin fallen negativ auf: „Wir haben in diesem Jahr in Eimsbüttel 88 Frauenärzt:innen, aber für den gesamten Bezirk Wandsbek nur 43, wobei Wandsbek knapp 450.000 Einwohner hat, während in Eimsbüttel rund 280.000 Menschen leben.“
Angespannt ist auch die Situation bei den Kinder- und Jugendärzt:innen: „In Farmsen-Berne gibt es jeweils fünf Kinderärzt:innen, in Poppenbüttel dagegen sieben. Hier sind offensichtlich ärmerer Stadtteile schlechter versorgt, das ist nicht akzeptabel. Noch schlimmer sei die Verteilung der Kinder- und Jugendpsychiater:innen: „In Bergedorf gibt es keinen einzige:n, übrigens auch nicht in Harburg“. Ärzt:innen in diesem Sektor hätten ein deutlich zu großes Einzugsgebiet: „2022 kamen mehr als 17.000 Einwohner:innen auf einen, jetzt sind es immer noch mehr als 15.000 junge Menschen. Hier klafft, zumindest auf Zeit, eine viel zu große ärztliche Versorgungslücke. Sie könnte man durch „Pop-up-Praxen“ entlasten, zumindest, solange der Bedarf so groß ist.“
Aus Wichers Sicht müssen KV und Krankenkassen flexibler auf sich verändernde Bedarfe reagieren - aber auch langfristig und mit Augenmaß die medizinische Versorgungszukunft planen: „In den kommenden Jahren setzen sich sehr viele Fachärzt:innen zur Ruhe. Das wäre eine Chance für die KV, die Verteilung der Praxen über die Stadt zu überdenken. Die Stadt, die KV und die Krankenkassen sollten mehr Schulterschluss zeigen. So könnten auch die vorgeschlagenen „Notfallpraxen“ eingerichtet werden, die zu besonders angespannten Zeiten den größeren Behandlungsbedarf abfedern. Insgesamt muss Hamburg Gesundheits-Versorgungszentren aufbauen, mit allen ärztlichen Disziplinen. Sozial benachteiligte Stadtteile brauchen eine genauso gute Versorgung wie es in Eppendorf oder Blankenese selbstverständlich ist - das ist uns extrem wichtig!“.