„Die Zahlen sinken bei den Arbeitslosen, Alleinerziehenden und jungen Menschen zwar leicht, liegen aber nach wie vor auf einem viel zu hohen Niveau. Und bei den Seniorinnen und Senioren geht der Trend sogar in die entgegengesetzte Richtung. Es ist ein Vorgeschmack auf die Auswirkungen des demografischen Wandels, der bereits angelaufen ist. Wir müssen diesen Entwicklungen jetzt gezielt und entschieden gegensteuern – sonst sieht es für viele Menschen in Hamburg bald sehr düster aus.“
Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverband bestätigt Hamburgs SoVD-Landesvorsitzenden: „Andres als die Paritäten orientieren wir uns bei unseren Analysen nicht am Bundesmedian, sondern am Landesmedian. Denn Hamburg ist eine begehrte Stadt mit dem höchsten allgemeinen Preisniveau in Norddeutschland“, erläutert er. Die Zahlen seien so noch eindeutiger und aussagekräftiger. Wicher bestätigt die grundsätzliche Aussage des Berichts der Paritäten: „Allgemein sinkt die Armutsgefährdungsquote.“ 2015 lag sie bei 19 Prozent, im vergangenen Jahr sank sie auf 17,9 Prozent. „Es ist ebenfalls richtig, dass sowohl bei den Kindern und Jugendlichen, als auch bei den Alleinerziehenden und den Erwerbslosen die Quoten sanken. Dennoch hat die Politik keinen Grund, sich auf die Schulter zu klopfen. Wenn von allen Kindern und Jugendlichen in Hamburg immer noch mehr als ein Fünftel in Armut aufwachsen muss, ist das immer noch viel zu viel!“
Betroffen seien vorwiegend Gruppen, die von vorneherein wenig Möglichkeiten hätten, sich mit eigener Kraft aus ihrer Situation zu befreien: „Dazu gehören vor allem die Seniorinnen und Senioren, die ihre finanziellen Notlagen nicht mehr durch Arbeit ausgleichen können“, so Wicher. Vor fünf Jahren lag ihre Armutsgefährdungsquote bei 15,8 Prozent. Sie stieg innerhalb von nur vier Jahren auf 18,1 Prozent: „Ein Vorgeschmack, was uns in den kommenden Jahren erwartet, wenn die geburtenstarken Jahrgänge sukzessive in Rente gehen. Ich befürchte eine große Welle von Altersarmut, die auf uns zurollt.“ Zusätzlich sorge die Corona-Pandemie dafür, dass Teile des Mittelstands akut von Armut bedroht seien.
Wicher fordert den Senat auf endlich eine grundlegende Strategie zur Bekämpfung und Verhinderung von Armut und sozialer Spaltung zu entwickeln: „Wir brauchen einen jährlichen Armutsbericht, der Entwicklungen frühzeitig aufzeigt und die Chance bietet, langfristig zu planen.
Die Zahlen im Vergleich (nach dem Hamburger Landesmedian):
Armutsgefährdung
2015: 19 %
2019: 17,9 %
Kinder und Jugendliche
2015: 25 %
2019: 22,3 %
Alleinerziehende
2015: 41,9 %
2019: 37,1 %
Erwerbslose
2015: 64,1 %
2019: 62,2 %
Senioren über 65 Jahren
2015: 15,8 %
2019: 18,1 %
Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens (Median) aller Haushalte zur Verfügung hat. Bei Einpersonenhaushalten betrug diese Armutsschwelle im Jahr 2019 in Hamburg 1.145 Euro, bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag sie bei 2.404 Euro.