Der SoVD Hamburg stellte drei Fragen an Dr. Susanne Klein, Landesgeschäftsführerin der BARMER Hamburg und Mitglied im Sozialpolitischen Ausschuss des SoVD Hamburg.
Wo liegen derzeit die großen Herausforderungen für die Kassen?
Klein: Wir sehen vor allem bei den Ausgaben für Arzneimittel und für Krankenhausleistungen eine alarmierende Entwicklung. Die Ausgabensteigerungen im Krankenhaus betragen aktuell zwischen sieben und acht Prozent. Die Gründe dafür sind unter anderem die Einführung des Selbstkostendeckungsprinzips bei den Pflegeleistungen und die umfassende Übernahme der Inflationskosten. Dass die Ausgaben trotz geringer Bettenbelegungen so stark steigen, ist für uns ein Warnsignal. Mit den bereits beschlossenen Gesetzen und dem, was noch vor uns liegt, wird der Kostendruck im Krankenhausbereich auch in den kommenden Jahren enorm hoch bleiben. Dies stellt die Krankenkassen vor große Probleme und belastet Beitragszahler:innen.
Womit müssen Hamburger Bürger:innen angesichts eines Milliardendefizits der GKV rechnen?
Klein: Die Finanzentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) spitzt sich durch zusätzliche Kostensteigerungen im kommenden Jahr weiter zu. Vor allem durch geplante Reformen im Krankenhaussektor werden Beitragszahler:innen zusätzlich in Milliardenhöhe belastet, ohne dass sie automatisch von mehr Qualität in der Versorgung profitieren könnten. Für 2024 wird auch für die Pflegeversicherung ein Defizit von rund 1,5 Milliarden Euro erwartet, für 2025 in Höhe von 3,4 Milliarden Euro. Aufgrund dieser sich verschärfenden Finanzlage zeichnet sich ab, dass in den nächsten Monaten eine weitere Beitragssatzsteigerung per Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit erfolgen muss. Es ist wichtig, Beitragszahlende umgehend zu entlasten, indem versicherungsfremde Leistungen wie Mutterschaftsgeld oder Haushaltshilfen im Krankheitsfall vollständig aus Steuermitteln refinanziert und nicht Arbeitnehmer:innen und Arbeitgeberseite abverlangt werden. Außerdem sollte die Stadt Hamburg ihrer Verpflichtung nachkommen, Investitionskosten im Krankenhaus- und Pflegebereich auskömmlich zu finanzieren.
Die medizinische Versorgung durch niedergelassene Ärzte und Ärztinnen ist in den Hamburger Stadtteilen sehr ungleich verteilt. In sozial benachteiligten Stadtteilen sind zum Teil keine oder nur sehr wenige Praxen zu finden. Wie müssten Lösungen Ihrer Meinung nach aussehen?
Klein: In Hamburg gibt es bereits eine gute Versorgung und ausreichend Ärztinnen und Ärzte. Gerade erst wurden neue Kinderarztsitze geschaffen, die sich auf sozial benachteiligte Stadtteile fokussieren. Es ist wichtig, bestehende Strukturen besser zu vernetzen. Alle müssen dazu beitragen, dass Versicherte diese Strukturen und Beratungsangebote stärker nutzen. Derzeit ist es schwierig, Ärztinnen und Ärzte zu motivieren, sich in sozial benachteiligten Stadtteilen niederzulassen. Hier könnte die Stadt Anreize schaffen, indem sie günstigere oder sogar kostenlose Praxisräume zur Verfügung stellt.