Der SoVD Hamburg stellte drei Fragen an Thorsten Eikmeier, Sozialarbeiter in der Krankenstube für Obdachlose der Caritas Hamburg.
Ihre Patient:innen sind obdachlose Menschen. Obdachlosigkeit soll in Deutschland bis 2030 überwunden sein. Was muss dafür in den nächsten 6 Jahren alles passieren?
Eikmeier: Das Ziel ist zugegeben ambitioniert. Aber ich persönlich freue mich, dass es zumindest mal so deutlich formuliert wurde. In erster Linie brauchen wir bezahlbaren Wohnraum. Das gilt für alle, in besonderer Form aber eben auch für wohnungslose und sozialschwache Menschen. Darüber hinaus muss das gesamte Hilfesystem überprüft und ausgebaut werden, zum Beispiel im Bereich der öffentlichen Unterbringung von Menschen. Hier gilt es, verbindliche Standards zu schaffen und einzuhalten, damit die Angebote auch angenommen werden können. Und wir müssen endlich vernünftige Lösungen für EU-Bürger:innen finden, die derzeit ohne Perspektive und realistische Chancen auf der Straße leben. Es ist also sicher kein einfacher Weg, aber es gibt durchaus Ideen und Beispiele – wir brauchen nur den wirklichen Willen, diese umzusetzen.
Warum kommen Menschen zu Ihnen und warum sind sie nicht krankenversichert?
Eikmeier: Ich finde es unklug, einen Maßnahmenkatalog aufzusetzen, wenn die Umsetzung nicht gesichert ist. Das kann nur in Enttäuschung und Politikverdrossenheit münden. Wenn die Bürgerschaft sich nicht verbindlich dazu bekennt, wird er sang- und klanglos in der Schublade verschwinden. Ohne eigenes Budget wird dieser Plan nicht gelingen! Denn je nach Stand ihrer Infrastruktur, brauchen die Bezirke, in denen besonders viele Menschen mit kleinen Renten leben, als erste finanzielle Unterstützung. Ich finde, in Hamburg sind die Wahrnehmung und Sensibilität für die unterschiedlichen Lebensbedingungen der Älteren durchaus ausbaufähig. Ganz im Gegenteil dazu die Stadt Wien. Dort wird schon seit über 100 Jahren gezielt auf die Versorgung von vulnerablen Gruppen geachtet. Altersfreundlichkeit ist dort selbstverständlich und wird politisch immer mitgedacht.
Wenn Sie sich etwas für die Krankenstube und Ihre Patient:innen wünschen dürften, was wäre das?
Eikmeier: Ich würde mir wünschen, dass alle Menschen in diesem Land dieselben Möglichkeiten einer regelhaften medizinischen Versorgung haben. Das Recht auf Gesundheit ist immerhin ein Menschenrecht. Bis wir dieses Ziel erreicht haben, würde ich mir eine Stärkung bestehender Angebote wünschen. In vielen Projekten mangelt es weiterhin an Ausstattung und Personal, was häufig an fehlenden finanziellen Mitteln liegt. In der Krankenstube träumen wir schon seit Jahren von einer neuen Küche und einer Renovierung der Sanitäranlagen. Dafür sind wir aber auf entsprechende Unterstützung angewiesen. Und es gibt durchaus noch Felder, die im Bereich der Wohnungslosenhilfe völlig unterversorgt sind. Angebote für schwer psychisch erkrankte Menschen gibt es definitiv zu wenige, Angebote für sterbende Menschen, die nicht versichert sind, gar nicht.