Rund 70 Interessierte waren gekommen, um sich schlau zu machen und den sozialpolitischen Sprecherinnen und Sprechern der Bürgerschaftsfraktionen ihre Fragen zu stellen. In seiner Begrüßungsansprache forderte Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender Sozialverband SoVD Hamburg, von der Politik mehr Engagement im Kampf gegen Armut, die auch im reichen Hamburg zunimmt. Er plädierte für mehr Sensibilität im Umgang mit den Problemen, die vor allem Ältere sowie Kinder und Jugendliche haben, die in armen Verhältnissen leben müssen. Wicher warb für den Aufbau von Quartierzentren, die die Angebote aus den Stadtteilen unter einem Dach bündeln und vernetzen sollen.
Ein Vorschlag, der auch Thema in der anschließenden Podiumsdiskussion war. Dort saßen Christel Nicolaysen (MdHB FDP), Ksenija Bekeris (MdHB SPD), Cansu Özdemir (MdHB DIE LINKE), Mareike Engels (MdHB DIE GRÜNEN) und Wolfgang Ploog (MdHB CDU). Moderiert wurde der Abend von der Journalistin Sabine Rheinhold.
Armut wirkt sich für die Betroffenen in vielfältiger Weise aus: Wer wenig zum Leben hat, bleibt bei vielen Dingen außen vor. So hat sich die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung im Alter seit 2005 verdoppelt – Tendenz steigend. Deshalb fordert der SoVD einen Zuschuss zur Grundsicherung im Alter, der das teure Leben in der Stadt ein wenig leichter machen soll. Eine Forderung, der sich Cansu Özdemir (LINKE) uneingeschränkt anschließen konnte, während SPD und GRÜNE erst eine Studie abwarten wollen, die das Preisniveau in der Hansestadt untersucht. Dies sei rechtlich notwendig, um anschließend Geld an die Betroffenen zu geben, ohne dass dies auf ihre Grundsicherung angerechnet würde, erläuterten Ksenija Bekeris (SPD) und Mareike Engels (GRÜNE).
Das beste Rezept gegen Armut ist eine gute Arbeit und gute Bezahlung. Hier waren sich alle Parteivertreterinnen und -vertreter einig. Darüber hinaus will die LINKE für Ältere eine Grundrente für alle und mehr Teilhabe für alle Bedürftigen, beispielsweise durch die kostenlose Nutzung des HVV. Parteiübergreifend sprachen sich alle Podiumsgäste für einen Mindestlohn von wenigstens 12 Euro aus.
Auch die vom SoVD Hamburg entwickelte Idee von Quartierzentren stößt in der Politik inzwischen auf offene Ohren. Sie könnten Jung und Alt in den Stadtteilen zusammenbringen und alle Angebote an einem Ort zugänglich machen. SPD und GRÜNE verwiesen auf die Pflegstützpunkte, die für Seniorinnen und Senioren eine wichtige Anlaufstelle sind. Die Opposition wünscht sich dagegen eine deutliche Ausweitung mit hauptamtlich Beschäftigten, damit alle Menschen im Stadtteil von den Zentren profitieren können. Insgesamt wurde klar: Wenn die Politik diese Idee nicht aktiv vorantreibt, könnte es noch sehr lange dauern, bis es in den Stadtteilen solche Quartierzentren geben wird.
Zweites großes Thema des Abends war die Wohnungsnot in der Stadt. Deshalb muss der soziale Wohnungsbau noch viel stärker vorangebracht werden als bisher. SPD und GRÜNE verwiesen auf die steigende Bautätigkeit in den vergangenen Jahren, die der ehemalige Bürgermeister Olaf Scholz vorangetrieben hat. Christel Nicolaysen (FDP) und Wolfgang Ploog (CDU) sprachen sich gegen eine längere Mietpreisbindung und einen Mietendeckel aus. Stattdessen will die FDP mehr Wohnungen entwickeln, indem sie die Immobilienwirtschaft zu Investitionen motiviert, während die CDU die Wohnungsnot durch Nachverdichtung und Wohnungsbau auf gewerblichen Flachbauten in den Griff bekommen will. Die LINKE kämpft dafür, dass in allen Neubauprojekten die Hälfte der Objekte als Sozialwohnungen entstehen und will die Mietpreisbindung auf bis zu 50 Jahre verlängern. Alle Abgeordneten appellierten an die Immobilienwirtschaft, das Gemeinwohl nicht aus dem Fokus zu verlieren: „Wir brauchen gute, bestandserhaltende Vermieter“, sagte Mareike Engels von den GRÜNEN.
In einer offenen Fragerunde kam dann auch das Publikum zu Wort. Vor allem Fragen zur Grundrente, Pflege, Mobilität und Langzeitarbeitslosigkeit, aber auch zur Integration von behinderten Menschen ins Arbeitsleben oder zur Zwangsräumung von Wohnungen wurden gestellt. Insgesamt war es ein sehr informativer Abend mit klaren Statements von den Parteien. Diejenigen Gäste, für die Sozialpolitik das Zünglein an der Waage ist, wissen jetzt ganz sicher, an wen sie bei der Bürgerschaftswahl am 23. Februar ihre Stimme vergeben werden.