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AUFRUF: Schulbegleitung für Kinder mit einer Behinderung verbessern

38 Organisationen, darunter auch der SoVD Hamburg, haben den Aufruf unterzeichnet und fordern von Senat und Bürgerschaft Maßnahmen zur Verbesserung der Inklusion an Hamburgs Schulen

Die Fraktionen von SPD und GRÜNE wollen in der nächsten Bürgerschaftssitzung am 15. Januar ihren Antrag Eine Schulbegleitung für jede Grundschule (1) beschließen.

Der Antrag sieht vor, dass jede Grundschule eine Schulbegleitungskraft als systemische Zuweisung erhalten soll. Diese Maßnahme würde ca. 3,5 Mio Euro pro Jahr kosten. (2)

Zusätzliche Gelder für die Verbesserung der Schulbegleitung für Kinder mit einer Behinderung sind dringend notwendig, wie die wachsende Kritik an den Mängeln in der Schulbegleitung von betroffenen Eltern, Schulen und Schulbegleitungsträgern zeigt.

Die zusätzlichen Mittel müssen aber so eingesetzt werden, dass der Umfang, die Verlässlichkeit und die Qualität der Schulbegleitung verbessert werden. Das wird mit dem Antrag der Senatsfraktionen überhaupt nicht erreicht.

Der Einsatz der zusätzlichen Schulbegleitungen ist völlig ungeklärt


Die Schulbegleitungen sollen durch Teilnehmende am Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder am Bundesfreiwilligendienst (BFD) abgedeckt werden. Zurzeit sind FSJler und BFDler an Schulen in der Unterstützung von Kindern mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung tätig. Diese Kinder gehen in aller Regel auf Sonderschulen oder auf die 37 Schwerpunktgrundschulen. An den übrigen 170 Grundschulen sind kaum Kinder mit diesen Behinderungen, so dass völlig unklar ist, was die FSJler und BFDler dort tun sollen.

Die von SPD/GRÜNE genannten Ziele können so nicht erreicht werden


Nach Aussagen der bildungspolitischen Sprecherin der SPD (Frau Duden) sollen mit dieser Maßnahme „die strukturellen Voraussetzungen für einen unkomplizierten Schulalltag für alle Kinder geschaffen werden.“ (3) Dass ausgerechnet eine pädagogisch nicht qualifizierte und meist sehr junge Kraft (FSJ: 16-19 Jahre) in der Grundschule die strukturellen Voraussetzungen für einen unkomplizierten Schulalltag für alle Kinder schaffen soll, ist absurd.

Die Aussage des Grünen-Schulpolitikers (Herr Duge), dass mit dieser Maßnahme „den Grundschulen und vor allem den Schülerinnen und Schülern eine verlässliche Unterstützung zur Verfügung steht“ (3), steht im Widerspruch zu der hohen Fluktuation von FSJlern und ihrer nicht gesicherten Vertretung im Krankheitsfall.

Die Hauptmängel im Bereich der Schulbegleitung werden nicht beseitigt
 

  1. Der Assistenzbedarf für Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung wird zu fast 80% durch Teilnehmende am Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) abgedeckt (4). Es gibt keine von der Schulbehörde vorgegebenen Standards für ihre Qualifizierung für diese Aufgabe.
    Die Fluktuation von FSJlern ist sehr hoch und ihr Einsatz dadurch nicht verlässlich. Interessenten für das FSJ haben nach Schulabschluss oft mehrere Optionen wie Berufsausbildung oder Studium. Sie brechen das FSJ häufig ab, wenn sie doch noch einen Ausbildungs- oder Studienplatz erhalten oder wenn sie sich wegen ihrer fehlenden Qualifizierung überfordert fühlen. Außerdem gibt es keine Vertretung, wenn FSJler längerfristig erkranken.
  2. Zwei Drittel der Schulbegleitungen betreffen SchülerInnen mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung (5). In diesem Bereich müssen Schulbegleitungen über ausgeprägte pädagogische Kompetenzen und Erfahrungen verfügen, um die betroffenen Kinder sinnvoll unterstützen zu können. Trotzdem werden nur in weniger als 40% der Fälle ErzieherInnen oder SozialpädagogInnen eingesetzt. In über 60% der Fälle werden zur Kostenersparnis sogenannte sozial erfahrene Kräfte beauftragt, die in der Regel über keine pädagogische Ausbildung verfügen. (5)
    Ein weiterer Kritikpunkt in diesem Bereich ist der zu geringe Umfang der von den ReBBZ (6) bewilligten Schulbegleitung. Meist wird die Schulbegleitung nur mit 10-12 Wochenstunden eingesetzt und auf drei oder sechs Monate begrenzt, während die Schulbegleitung für Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung mit höherer Stundenzahl für ein ganzes Jahr tätig sind.
  3. Die von der Schulbehörde vorgesehenen Kostensätze für Schulbegleitungen (7) sind zu niedrig. Das führt dazu, dass sich große erfahrene Trägerorganisationen mit qualifiziertem Personal und Tariflöhnen aus dem Aufgabenfeld Schulbegleitung zurückziehen.

Die erhöhten Mittel für Schulbegleitung müssen sinnvoll eingesetzt werden


Um die gravierenden Mängel im Bereich der Schulbegleitung zu beheben, sind dringend zusätzliche Mittel erforderlich. Die von den Senatsfraktionen geplante Zuweisung einer FSJ/BFD-Stelle pro Grundschule ist dagegen sinnlos und löst keines der bestehenden Probleme in der Schulbegleitung.

Wir fordern von den Senatsfraktionen die Bewilligung der von ihnen beantragten zusätzlichen Gelder für die Schulbegleitung sowie die Nutzung dieser Mittel zur Erhöhung des Umfangs, der Verlässlichkeit und der Qualität der Schulbegleitung.

Das erfordert

  • die Entwicklung von Standards für die notwendige Qualifikation von Schulbegleiter/inne/n unter Einbeziehung von betroffenen Elternverbänden, Schulleitungen von Schwerpunktschulen und Trägern sowie die Überprüfung der Umsetzung dieser Standards,
  • den Einsatz von pädagogisch qualifiziertem Personal in der Schulbegleitung von Kindern mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungen und die Erweiterung des Stundenumfangs und des Einsatzzeitraumes,
  • Verträge der Schulbehörde mit Trägerorganisationen, um die Ausfälle durch Fluktuation und Krankheit in der Schulbegleitung durch Vertretungspersonal oder Poollösungen aufzufangen,
  • die Erhöhung der Kostensätze für Schulbegleitungen, um den Trägerorganisationen einen kostendeckenden Einsatz von qualifiziertem Personal zu Tariflöhnen zu ermöglichen.

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Die unterzeichnenden Elternverbände von behinderten Kindern, Sozial- und Bildungsorganisationen, Gewerkschaften und Schulbegleitungsträger:
Alternative Wohlfahrtsverband SOAL e.V., Arbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Arbeiterwohlfahrt Landesverband Hamburg e.V., Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus Hamburg e.V., Autismus Hamburg e.V., Caritas für das Erzbistum Hamburg e.V., Deutsche Muskelschwundhilfe e.V., Deutscher Lehrerverband Hamburg, Deutscher Rotes Kreuz LV Hamburg e.V., Diakonisches Werk Hamburg, Eine Schule für alle e.V., ElbschulEltern für hörbehinderte Schüler in Hamburg, Elternverein Hamburg e.V., Evangelische Stiftung Alsterdorf – Bugenhagenschulen, Flachsland Zukunftsschule gGmbH, Ganztagsschulverband e.V. Hamburg, Gemeinschaft der Elternräte an Stadtteilschulen, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GGG Verband für Schulen des gemeinsamen Lernens e.V., Grundschulverband e.V. Hamburg, Hamburger Arbeitsassistenz, Hamburger Bündnis für schulische Inklusion, Initiative Gute Inklusion, KIDS Hamburg e. V., Kontakt- und Informationszentrum Down-Syndrom, Kinderwelt Hamburg e.V., Landesarbeitsgemeinschaft Eltern für Inklusion e.V., Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen e.V., Landeselternausschuss Kindertagesbetreuung, Leben mit Behinderung Hamburg, Nordlicht gGmbH, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Patriotische Gesellschaft von 1765 – AK Kinder, Jugend und Bildung, SchlauFox e.V., Sozialverband Deutschland (SoVD), Verband Hamburger Schulleitungen, Verband Integration an Hamburger Schulen, Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Vereinigung der SchulleiterInnen der Stadtteilschulen in Hamburg.


Anmerkungen:
(1) Bürgerschaftsdrucksache 21/19475
(2) Berechnet nach Drs. 21/12544, S. 28. Das entspräche einer Erhöhung des jetzigen Etats für Schulbegleitung von 22%. (s. Drs. 21/16115, S. 1)
(3) s. Pressemitteilung SPD vom 23.12.2019
(4) Bürgerschaftsdrucksache 21/16115, S. 4
(5) Bürgerschaftsdrucksache 21/17083, S. 2
(6) ReBBZ – Regionales Bildungs- und Beratungszentrum
(7) Bürgerschaftsdrucksache 21/12544, S. 28

SoVD Sozialverband Deutschland e.V., Landesverband Hamburg
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