„Die Rentenerhöhung ist gut. Aber sie darf nicht den sozialpolitischen Blick verstellen, mit strukturellen Reformen weiterzumachen“, fasst Klaus Wicher, 1. Landesvorsitzender des SoVD Hamburg, die SoVD-Diskussion „Altersarmut verhindern – Rentenpolitik mit Weitblick“ zusammen. Dabei hatte Klaus Michaelis, Leiter des Sozialpolitischen Ausschusses des SoVD, die Situation der Rente heute und morgen geschildert. Als ehemaliger Direktor der Deutschen Rentenversicherung Bund weiß er, dass „heute schon 24.000 Hamburger Rentner auf staatliche Leistungen angewiesen sind, um die in Hamburg durchschnittliche Höhe der Grundsicherung von 815 Euro zu erreichen“. Zwar falle nicht jeder mit kleinem Altersgeld in die Grundsicherung, da diese haushaltsbezogen gezahlt werde. Doch er blickt mit Sorge nach vorn: „Viele fürchten den sozialen Abstieg – zu Recht. Es gibt Handlungsbedarf“.
Es gelte, die Ursachen zu bekämpfen. Niedriglöhne und befristete Jobs, die keine Altersvorsorge erlauben, seien abzulehnen, der Mindestlohn anzuheben. Rechnerisch führen 11,50 € pro Arbeitsstunde über 40 Jahre zu einer Rente in Höhe Grundsicherung. Langzeitarbeitslose seien in die Rentenversicherung zu integrieren. Die Not der Selbstständigen, besonders der Solo-Selbstständigen, sei zu berücksichtigen. Überlegungen, auch Beamte und Selbstständige in eine Gesamt-Rentenversicherung einzubinden, seien anzustellen. Abschläge auf Erwerbsunfähigkeitsrenten seien aufzuheben. Das abgeschmolzene Rentenniveau sei schrittweise wieder aufzubauen. Der Renten-Experte rechnet vor: „Um den Lebensstandard zu erhalten, sind 53 Prozent erforderlich“. Er verwies zudem auf die versteckte Armut in der Stadt Hamburg und ihre Hochpreis-Mieten und Lebenshaltungskosten. Hier ist ein Mensch arm, wenn er weniger als 964 Euro pro Monat zur Verfügung hat – die durchschnittliche im Bund gezahlte Rente liegt bei 805 Euro.
Adressat der Forderungen ist die Politik. Bei der Diskussion vertreten durch Markus Kurth MdB GRÜNE und Sprecher für Rentenpolitik; Eva Parbs FDP Landesvorsitzende Liberale Frauen Hamburg und Marcus Weinberg, MdB und Sprecher für Familienpolitik. Dabei driften die Positionen der Parteien „im Grundsätzlichen“ gar nicht einmal so weit auseinander. „Es kostet alles viel Geld.“ Bisherige Konzepte, in die Altersvorsorge auch privat-kapitalisierte Säulen einzuziehen, seien entweder gescheitert oder angesichts der Niedrigzinsen nicht mehr auskömmlich. Dabei sei eine Revision der Rente geboten, um eine „Generationengerechtigkeit 2.0“ (Weinberg) auf den Weg zu bringen. Unterschiedlich sind die Ideen. Grün will das gesetzliche Rentensystem als Säule im Alter stärken: Wer mindestens 30 Jahre eingezahlt hat, soll eine Garantierente von mindestens 850 Euro erhalten. Schwarz weist darauf hin, dass private Vorsorge weiter unabkömmlich ist. Das CDU-Modell der Lebensleistungsrente bedeutet: Die Renten werden aufgestockt, wenn bei 40 Beitragsjahren weniger als 30 Entgeltpunkte zusammengekommen sind.
Kritik kassieren Pläne der Regierung, wie die solidarische Lebensleistungsrente. Sie soll die Renten von langjährig Versicherten über das Sozialhilfeniveau heben, ist aber ein „sehr schmales Tor“ (Kurth), durch das nur wenige gehen können. Michaelis: „Alter Wein in neuen Schläuchen“. Er ist in Sorge: Viele, besonders junge Menschen, verlören das Vertrauen in die gesetzliche Rente. Es gelte umzusteuern. „Es wäre eine einzige Katastrophe, wenn die private Versicherung die gesetzliche Altersvorsorge ersetzt“.