Opferentschädigung
Verbesserungen für Gewalt- und Terroropfer ab 2020 sowie in einer zweiten Stufe ab 2024
Neues Soziales Entschädigungsrecht beschlossen
Im Dezember 2019 beschlossen Bundestag und Bundesrat das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (BGBl. I S.2652 Nr. 50). Damit ist der Weg frei fürein neues Sozialgesetzbuch XIV. Das Gesetzregelt Ansprüche von Gewalt- und Terrorop-fern, aber auch von Impfgeschädigten neu.Die meisten Rechtsänderungen werden ab 2024 greifen. Für Kriegsopfer gelten umfangreiche Bestandsschutzregeln.
Was ändert sich kurzfristig schon jetzt?
Einige Leistungsverbesserungen gelten schon seit dem 1. Januar 2020.
Rückwirkend zum 1. Juli 2018 erhalten Berechtigte nach dem Bundesversorgungsgesetz verbesserte Leistungen. Das soll insbesondere Gewalt- und Terroropfern helfen.
Konkret steigen die Halbwaisengrundrenten von 132 auf 200 Euro. Die Vollwaisenrenten erhöhen sich von 249 auf 350 Euro.
Auch das Bestattungsgeld bei schädigungsbedingtem Tod steigt an: Statt 1.893 Euro können nun Kosten in Höhe von bis zu einem Siebtel der sozialversicherungsrechtlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV, also mehr als 5.000 Euro, übernommen werden.
Zusätzlich werden die Leistungen für Überführungskosten verbessert: Künftig besteht ein verbindlicher Anspruch auf diese Kosten in voller Höhe; unabhängig davon, ob der Tod während eines Inlands- oder Auslandsaufenthaltes eingetreten ist.
Kurzfristige Neuerungen helfen den Terroropfern vom Berliner Breitscheidplatz.
Parallel wird das Opferentschädigungsgesetz rückwirkend zum 1. Juli 2018 geändert. Ausländer*innen, die sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten und Opfer einer Gewalttat werden, erhalten damit Anspruch auf die gleichen Entschädigungsleistungen wie deutsche Gewaltopfer.
Damit zieht der Gesetzgeber Konsequenzen aus dem Terroranschlag auf dem Breitscheidplatz in Berlin im Dezember 2016.
Weitere rechtliche Änderungen folgen dann 2024.
Wozu die große Reform im Jahr 2024?
Das komplett neue SGB XIV gilt ab dem Jahr 2024. Das Soziale Entschädigungsrecht wird dort künftig gebündelt und neu strukturiert.
Denn das Soziale Entschädigungsrecht ist immer unübersichtlicher geworden. Sein Kern liegt noch im Bundesversorgungsgesetz (BVG). Das stammt aus den 1950er-Jahren und wurde für Kriegsbeschädigte und Hinterbliebene der Weltkriege geschaffen. Auf das BVG verweisen viele Nebengesetze, zum Beispiel das Opferentschädigungsgesetz (OEG), das Strafrechtliche und Verwaltungsrechtliche Rehabilitierungs-, das Häftlingshilfe-, das Soldatenversorgungs-, das Infektionsschutz- und das Zivildienstgesetz. Für Betroffene war das sehr unübersichtlich.
Die Zahl der Kriegsopfer und ihrer Hinterbliebenen geht demografiebedingt weiter zurück. Die Zahl der Opfer von Gewalttaten aber könnte tendenziell zunehmen. Deshalb wird das neue SGB XIV viel stärker an den Bedarfen von Gewaltopfern ausgerichtet. Dabei zieht der Gesetzgeber auch Konsequenzen aus dem Terroranschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Dezember 2016.
Das neue SGB XIV schafft Klarheit
Durch die Bündelung im neuen SGB XIV wird die gesellschaftliche und staatliche Mitverantwortung für schädigende Ereignisse deutlicher – Betroffene können ihre Ansprüche leichter erkennen und geltend machen.
Geschützte Personengruppen im neuen SGB XIV
Ab 2024 gilt ein komplett neues SGB XIV. Es hilft besonders Gewaltopfern.
Folgende Personengruppen haben Ansprüche nach dem neuen SGB XIV:
- Gewaltopfer, einschließlich Terroropfer,
- derzeitige und künftige Opfer vonKriegsauswirkungen beider Weltkriege,
- Zivildienstgeschädigte und
- durch Schutzimpfungen Geschädigte.
Auch Ansprüche ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen werden im SGB XIV geregelt.
Mehr Opfer profitieren
Das neue SGB XIV erweitert den Kreis anspruchsberechtigter Gewaltopfer. Zukünftig können auch Opfer psychischer Gewalt Leistungen des Sozialen Entschädigungsrechts erhalten. Gleiches gilt für Opfer von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, unabhängig vom Alter der Betroffenen. Sie alle können Anspruch auf SGB-XIV-Leistungen haben.
Leistungen werden ausgeweitet. Mehr Opfer profitieren.
Schnellere Hilfen für Opfer kommen
Berechtigte sollen zügig alle notwendigen Hilfen erhalten, damit sie baldmöglichst wieder in ihren Alltag zurückkehren und die Folgen der Gewalttat bewältigen können. Hierfür sollen unter anderem bundesweit ab dem 1. Januar 2021 Traumaambulanzen bereitstehen. Ein Fallmanagement begleitet und unterstützt die Betroffenen im Antrags- und Verwaltungsverfahren.
Schnelle Hilfen und bessere Leistungen helfen den Opfern.
Höhere Geldentschädigungen möglich
Die bisherigen Geldleistungen werden zu monatlichen Entschädigungsleistungen gebündelt und deutlich erhöht. Sie bleiben gestaffelt nach dem zuerkannten GdS (Grad der Schädigungsfolgen). Auch Einmalzahlungen als Abfindungen sind möglich.
Wer Leistungen nach bisherigem BVG-Recht bezieht, erhält umfassenden Bestandsschutz, kann sich aber auch für das neue Recht entscheiden.
Weitere wichtige Regelungen
Die betroffenen Menschen sollen Teilhabeleistungen künftig grundsätzlich so erhalten, dass sie dabei kein eigenes Einkommen und Vermögen einsetzen müssen. Gewährt werden hier auch Leistungen zur sozialen Teilhabe, die zum Beispiel Assistenz- oder Mobilitätshilfen ermöglichen.
Erhalten bleibt der bewährte Berufsschadensausgleich. Er gleicht Einbußen bei der beruflichen Entwicklung zugunsten der Opfer aus.
Beweiserleichterungen für die Opfer
Das neue SGB XIV sieht Beweiserleichterungen bei der Kausalitätsprüfung vor, wenn Gewaltopfer nach der Tat psychisch erkranken. Das hilft besonders Opfern sexualisierter oder psychischer Gewalt, ihre Ansprüche durchzusetzen.
Kriegsopfer erhalten umfangreichen Bestandsschutz
Um hochbetagte Kriegsopfer, Kriegswitwen und ihre Angehörigen nicht zu verunsichern, sind umfangreiche Bestandsschutzregelungen vorgesehen.
Betroffene können die bisherigen Leistungen – gebündelt – weiter beziehen. Sie können aber auch das neue SGB-XIV-Leistungsrecht wählen, wenn sie das möchten. Vor ihrer Entscheidung sollten sie sich unbedingt beraten lassen.
Kriegsopfer erhalten die bewährten Leistungen weiter.
Was sagt der SoVD?
Der SoVD hat die Reform des Sozialen Entschädigungsrechts im Grundsatz begrüßt. Denn es verbessert die Hilfen für Gewaltopfer. Positiv ist auch, dass die Opfer sexualisierter und psychischer Gewalt künftig mehr Schutz erhalten. Bewährte Leistungen bleiben erhalten, einige Leistungen werden verbessert.
Im Interesse hochbetagter Kriegsopfer und ihrer Angehörigen konnte der SoVD einen umfassenden Bestandsschutz durchsetzen. Die SoVD-Stellungnahme vom 10. Oktober 2019 zum Gesetz ist abrufbar unter: sovd.de