Siebter Altenbericht
Am 11. November 2016 hat die Bundesregierung ihren Siebten Altenbericht mit dem Titel „Sorge und Mitverantwortung in der Kommune – Aufbau und Sicherung zukunftsfähiger Gemeinschaften“ veröffentlicht. Der Bericht erklärt, welche Voraussetzungen vor Ort ein gutes Leben im Alter ermöglichen.
Seit 1993 erarbeitet und veröffentlicht die Regierung in jeder Legislaturperiode einen Altenbericht. Der Titel stellt jeweils ein seniorenpolitisches Thema ins Zentrum. Das Ziel lautet, Handlungsempfehlungen und -anleitungen für seniorenpolitische Entscheidungsprozesse zu entwickeln und zu befördern.
Der Siebte Altenbericht gliedert sich in acht Themenbereiche, die er auf knapp 350 Seiten im Hinblick auf lokale Gegebenheiten und Bedingungen beleuchtet:
- Daseinsvorsorge und kommunale Verantwortung
- Subsidiarität als Ordnungsrahmen für lokale Strukturen und Netzwerke
- Ungleichheiten in der alternden Gesellschaft
- Regionale Disparitäten und die Lebenssituation älterer Menschen in Deutschland
- Gesundheitliche Versorgung
- Sorge und Pflege
- Wohnen und Wohnumfeld
- Lokale Politik für eine älter werdende Gesellschaft
Der Bericht zeigt so sehr detailliert auf, welche Maßnahmen nötig sind, um die Bedingungen für ein würdiges und selbstbestimmtes Älterwerden zu schaffen. Die Themen Gesundheit, Pflege und Wohnen spielen dabei herausragende Rollen.
Kommunale Herausforderungen und Gestaltungsmöglichkeiten
Jede Kommune ist einzigartig und gleicht keiner anderen. Somit unterscheiden sich die Kommunen auch in ihren finanziellen Handlungsspielräumen und Ressourcen. Jede Kommune stehe also spezifischen Herausforderungen gegenüber und brauche entsprechend angepasste Lösungen. So sei in vielen ländlichen Regionen das wichtigste Thema die Mobilität und damit die Erreichbarkeit der medizinischen Versorgung. In Großstädten und Ballungsräumen stünden hingegen eher die Versorgung mit bezahlbarem Wohnraum, die Gestaltung von Quartieren und die Belebung von Nachbarschaften im Vordergrund. Dem Altenbericht zufolge sollten Bund und Länder diese regionalen Unterschiede wie auch die Vielfalt der Möglichkeiten, Problemlagen und Anforderungen beachten, wenn sie Rahmenbedingungen und Förderprogramme für Kommunen beschließen.
Die Kommunen seien aber durchaus in der Lage, örtliche Rahmenbedingungen für Prozesse des Älterwerdens zu gestalten. Vor allem in den Bereichen Pflege, Gesundheit und Wohnen sei eine Stärkung der Kompetenzen und Zuständigkeiten sinnvoll. Die finanziellen Spielräume der Kommunen seien für wirksame Maßnahmen indessen entscheidend, sodass nicht nur über nationale und europäische Förderprogramme, sondern auch darüber nachgedacht werden müsse, wie sich die finanzielle Lage stark verschuldeter Kommunen nachhaltig und langfristig verbessern ließe.
Kommunen als Gestalter von Sozialräumen und lokalen Netzwerken
Kommunen würden einerseits die Grundlage für eine Vernetzung und Koordinierung zwischen den Akteuren der lokalen Seniorenpolitik schaffen. Lokale Herausforderungen, Projekte und die Lösung von Probleme in der Senioren- und Altenpolitik gelingen besser, wenn sich mehrere Akteure vor Ort vernetzen, abstimmen und gemeinsam planen. Den Kommunen selbst komme in solchen Netzwerken aber andererseits auch eine wichtige Funktion zu. Sie stellen unterschiedliche Ressourcen bereit und koordinieren, moderieren und begleiten Prozesse. Das sei besonders sichtbar in Kommunen mit einer hauptamtlichen Pflegekoordination, deren Aufgabe es ist, lokale Pflegenetzwerke aufzubauen. Dabei arbeiten die Kommunen, die Pflegekassen und weitere Akteure zusammen und verbessern so die Pflegeinfrastruktur vor Ort. Gerade in diesen Fällen spielen die Wohnung, das Wohnumfeld und eine wohnortnahe Versorgung zentrale Rollen, da sich der Aktionsradius mit dem Älterwerden stärker auf diese unmittelbaren Räume begrenzt.
Kommunen als Förderer von lokalen Sorgestrukturen
Der Siebte Altenbericht versteht sogenannte Sorgestrukturen als ein soziales Netz, das sich um einen auf Unterstützung und Pflege angewiesenen Menschen kümmert. Das sind in erster Linie Familienangehörige, aber auch Freundinnen und Freunde, Nachbarn, professionelle Fachkräfte und freiwillig Engagierte. Kommunen seien gefragt, solche Sorgestrukturen zu fördern oder ihren Aufbau unterstützend zu begleiten. Ferner gelte es, im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit dafür zu sorgen, dass Frauen und Männer gleichermaßen Sorgeaufgaben übernehmen. Schon heute seien Frauen deutlich stärker von Altersarmut bedroht, weil sie aufgrund von Familienarbeit (Kindererziehung und Pflege) Erwerbsunterbrechungen oder -ausfälle haben und damit häufig nur geringe Rentenanwartschaften erwerben.
Kommunen als Räume der Beteiligung und Einbeziehung
Die Autorinnen und Autoren des Altenberichts fordern eine stärkere Beteiligung Älterer an der Planung und Umsetzung von lokaler Seniorenpolitik. Es sei wichtig, nicht nur Politik „für“ diese Menschen zu machen, sondern auch „mit“ ihnen. Eine Herausforderung bleibe schließlich, Menschen, die schwer zu erreichen sind, in die lokalen Netzwerke der Sorgearbeit einzubeziehen. Das gelte insbesondere für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, für Menschen mit sehr geringen Einkommen und für Migrantinnen und Migranten mit Sprachbarrieren. Die Inklusion benachteiligter Gruppen sei daher ein wichtiger Maßstab, um die Festigung lokaler Sorgestrukturen angemessen zu beurteilen.
Die Position des SoVD
Aus der Sicht des SoVD bietet der Siebte Altenbericht eine gute Übersicht über seniorenpolitische Fragen und Aspekte auf kommunaler Ebene. Hinzu kommt eine beachtliche Menge an Daten und Fakten, die nach Regionen und regionalen Sozialstrukturen aufgeschlüsselt sind. Trotz des konkreten Bezugs auf die kommunale Ebene äußern sich die Autorinnen und Autoren des Altenberichts auch deutlich zu allgemeinen rentenpolitischen Themen wie der Altersarmut. Sie warnen mit dem SoVD vor einem deutlichen Anstieg der Altersarmut in den kommenden Jahren und Jahrzehnten und benennen die Risikogruppen: Frauen, Langzeitarbeitslose, Niedriglohnbeschäftigte, Erwerbsgeminderte und Menschen mit Migrationshintergrund. Für den SoVD bleibt außerdem wichtig, dass das freiwillige, ehrenamtliche Engagement in den lokalen Sorgestrukturen nicht einen stillen Rückzug und eine Entpflichtung der staatlichen Sozialpolitik bedeuten darf. In Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung, die mit immer stärker werdender sozialer Ungleichheit einhergeht, wächst die (sozial-)staatliche Verantwortung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern und dabei besonders gegenüber sozial Schwachen und Benachteiligten. Auch dieser Aspekt findet sich im Siebten Altenbericht. Insgesamt bleibt zu hoffen, dass auf die zahlreichen Handlungsempfehlungen in der kommenden Legislaturperiode aufgebaut wird und konkrete Maßnahmen in der Praxis folgen.