Die Flexirente
Der Bundestag hat am 21. Oktober 2016 das Flexirentengesetz (Gesetz zur Flexibilisierung des Übergangs vom Erwerbsleben in den Ruhestand und zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben) beschlossen. Den Bundesrat passierte das Gesetz am 25. November 2016. Damit wurden die bisherigen Regelungen für Teilrenten und Hinzuverdienst abgelöst. Einige der Neuerungen gelten bereits seit dem 14. Dezember 2016, dem Tag nach der Gesetzesverkündung. Andere Neuregelungen sind am 1. Januar 2017 in Kraft getreten. Alle übrigen Neuregelungen werden am 1. Juli 2017 Gültigkeit erlangen.
Neuerungen ab dem 14. Dezember 2016
Eine wichtige Neuerung betrifft die Leistungen zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation. Das übergeordnete Ziel ist die Sicherung oder Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit von Versicherten. Die Rehabilitationsträger werden daher künftig befähigt, Rehabilitationsbedarf frühzeitig zu erkennen und die Leistungsberechtigten auf die Möglichkeit der Antragstellung hinzuweisen (Screeningverfahren).
Neu ist ebenfalls, dass die Rentenversicherungsträger ihren Versicherten ab dem vollendeten 45. Lebensjahr eine umfassende Gesundheitsuntersuchung (Gesundheitschecks) und darauf aufbauend eine Gefährdungs- und Potenzialanalyse anbieten, um spätere Leistungen zur Teilhabe zu vermeiden. Dies zielt vor allem auf Beschäftigte in kleinen und mittleren Unternehmen ab.
Eine weitere Neuerung, die zum Teil im Dezember in Kraft getreten ist, ist die Ergänzung der Renteninformation und der Rentenauskunft um Information über das Vorziehen oder Hinausschieben des Rentenbeginns. Ab dem 1. Juli wird zudem Information über die Flexibilisierung des Hinzuverdienstrechts die Renteninformation ergänzen.
Neuregelungen ab dem 1. Januar 2017
Rentenversicherungspflicht für Bezieherinnen und Bezieher von Altersrenten vor Erreichen der Regelaltersgrenze
Rentnerinnen und Rentner, die eine vorgezogene Vollrente beziehen und weiterarbeiten, entrichten nunmehr Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung, bis sie die Regelaltersgrenze erreicht haben. Dies stellt sie gleich mit Bezieherinnen und Beziehern von Teilrenten und führt zu einem höheren Rentenanspruch.
Aktivierung der Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung bei Beschäftigung und Vollrentenbezug nach Erreichen der Regelaltersgrenze
Nach altem Recht waren beschäftigte Bezieherinnen und Bezieher einer Vollrente stets versicherungsfrei. Arbeitgeber zahlten für sie einen Beitrag in der Höhe des Arbeitgeberbeitrags für versicherungspflichtige Personen. Dieser Beitrag wirkte sich jedoch nicht rentensteigernd aus.
Die Neuregelung sieht nun vor, dass Beschäftigte, die eine Vollrente beziehen und die Regelaltersgrenze erreicht haben, gegenüber ihrem Arbeitgeber für die Beschäftigungsdauer auf ihre Versicherungsfreiheit verzichten können und somit versicherungspflichtig werden. Damit wirken sich sowohl der bisher wirkungslos gebliebene Arbeitgeberanteil als auch ihr eigener Beitragsanteil rentensteigernd aus.
Befristete Abschaffung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitsförderung bei Beschäftigung nach der Regelaltersgrenze
Bezieherinnen und Bezieher einer Altersvollrente sind versicherungsfrei. Bis zur Neuregelung waren Arbeitgeber indessen verpflichtet, die Hälfte des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung zu tragen. Nun soll der Beitragsanteil der Arbeitgeber fünf Jahre lang ausgesetzt werden, um die Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu fördern.
Neuregelungen ab dem 1. Juli 2017
Flexibilisierung der Teilrenten und des Hinzuverdienstrechts vor Erreichen der Regelaltersgrenze
Die Neuregelung der Teilrente und des Hinzuverdienstrechts ist das eigentliche Herzstück der Reform: Die bisherigen monatlichen Hinzuverdienstgrenzen, sowohl für die Vollrente als auch für die drei Teilrenten (1/3, 1/2 und 2/3), entfallen zugunsten einer kalenderjährlichen Grenze mit stufenloser Anrechnung. Somit wird die Rente bei geringfügiger Überschreitung einer Hinzuverdienstgrenze nicht mehr unverhältnismäßig stark gekürzt, wie es bislang noch der Fall sein kann.
Eine Teilrente kann künftig stufenlos in individueller Höhe bezogen werden. Ihre Höhe von mindestens 10 Prozent kann entweder frei gewählt werden oder sie ergibt sich aus einer stufenlosen Anrechnung des Hinzuverdienstes auf die Rente, wenn der Hinzuverdienst die kalenderjährliche Grenze von 6.300 Euro (14 × 450 Euro) übersteigt. Dabei werden von der Rente grundsätzlich 40 Prozent des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Betrages abgezogen. Das Gesamteinkommen aus Teilrente und Hinzuverdienst darf aber schließlich nicht höher sein als eine individuelle Obergrenze, der sogenannte Hinzuverdienstdeckel (höchstes Einkommen der letzten 15 Jahre).
Beispiel
Werner S. bezieht eine vorgezogene Altersrente von 1.050 Euro. Aus einer Beschäftigung verdient er monatlich 1.580 Euro dazu. Im Jahr ergibt das 18.960 Euro. Abzüglich des Freibetrages von 6.300 Euro bleiben 12.660 Euro über der Hinzuverdienstgrenze.
Zunächst wird ein Zwölftel des übersteigenden Betrages ermittelt:
1/12 × 12.660 Euro = 1.055 Euro
Nun werden von diesem Betrag 40 Prozent, also 422 Euro, auf die Rente angerechnet. Die Ausgangsrente von 1.050 Euro vermindert sich demnach um 422 Euro und wird zu einer Teilrente von 628 Euro.
Überschreiten die gekürzte Rente und der Hinzuverdienst zusammen allerdings den Hinzuverdienstdeckel, so wird der darüberliegende Betrag vollständig auf die verbliebene Teilrente angerechnet. Wenn der anzurechnende Hinzuverdienst die Höhe der Vollrente erreicht, besteht kein Anspruch auf die Rente mehr.
Die Deutsche Rentenversicherung stellt für den Hinzuverdienst eine Prognose auf. Dazu schätzt sie diese für das laufende und für das folgende Kalenderjahr. Einmal jährlich wird der Hinzuverdienst rückwirkend überprüft. Aus diesem Verfahren können sich für Rentnerinnen und Rentner Überzahlungen oder Nachzahlungen ergeben. Eine Überzahlung müssen die Betroffenen zurückzahlen. Dagegen erhalten sie eine Gutschrift in Form einer Nachzahlung, falls die Rente zu niedrig angesetzt war.
Zahlung von Beiträgen zum Ausgleich von Rentenabschlägen
Nach bisherigem Recht ist ein vorzeitiger Altersrentenbezug, ob als Teil- oder Vollrente, grundsätzlich mit Rentenabschlägen verbunden. Die Abschläge betragen 0,3 Prozent pro Monat der vorzeitigen Inanspruchnahme. Ab dem 55. Lebensjahr ist allerdings eine Zahlung zusätzlicher Beiträge möglich, um die Abschläge auszugleichen.
Die Neuregelung ab dem 1. Juli sieht eine Absenkung dieser Grenze auf das 50. Lebensjahr vor. Die zeitliche Streckung soll den Versicherten ermöglichen, den Wechsel aus dem Erwerbsleben in die Rente besser und flexibler zu planen.
Die Position des SoVD
In seiner Stellungnahme hat der SoVD grundsätzlich begrüßt, dass der Gesetzgeber die flexiblen Übergänge vom Erwerbsleben in den Ruhestand einfacher zu gestalten sucht und dabei Rentnerinnen und Rentnern wie auch Versicherten Leistungsverbesserungen und Optionserweiterungen bietet.
Generell kritisiert der SoVD aber, dass der Gesetzgeber dabei ausschließlich von älteren Beschäftigten ausgeht, die arbeiten können und wollen. Das Gesetz vernachlässigt somit zahlreiche Menschen, die sich einen flexiblen und sozial abgefederten Übergang in den Ruhestand vor Erreichen der Regelaltersgrenze wünschen, weil sie aufgrund gesundheitlicher Belastungen, Einschränkungen oder Behinderungen nicht in der Lage sind, bis zur Regelaltersgrenze zu arbeiten.
In Detailfragen sieht der SoVD insbesondere die Neuregelungen des Hinzuverdienstes skeptisch. Diese verfehlen ihr Ziel deutlich, denn sie sind komplizierter als die bisherigen Vorschriften. Sie führen außerdem dazu, dass die betroffenen Versicherten ihre Altersrenten nur als vorläufige Leistungen erhalten, was deren Verlässlichkeit erheblich beeinträchtigt. Für den SoVD steht fest, dass die Versicherten neben Klarheit und Vereinfachung vor allem Verlässlichkeit brauchen.