Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz von A bis Z
Sicherstellung hochwertiger Gesundheitsversorgung
Der Bundestag hat am 11. Juni 2015 das „Gesetz zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz – GKV-VSG) in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Ziel der Maßnahmen ist die Sicherstellung einer bedarfsgerechten, flächendeckenden und gut erreichbaren medizinischen Versorgung der Patientinnen und Patienten „auf hohem Niveau“. Der SoVD hatte seine Einschätzung zum Gesetzentwurf in umfangreichen Stellungnahmen (http://www.sovd.de/ index.php?id=2473) sowie in einer Sachverständigenanhörung des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag zum Ausdruck gebracht. Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über zentrale Regelungen.
Bedarfsplanung
Durch zahlreiche Regelungen soll dafür gesorgt werden, dass die ambulante ärztliche Versorgung auch in strukturschwachen Gebieten flächendeckend erhalten bleibt. Dazu werden zum Beispiel Ärzte, die sich in entsprechenden Bereichen niederlassen, eine bessere Vergütung erhalten. Die hausärztliche Versorgung wird durch mehr Weiterbildungsstellen für Allgemeinmediziner gestärkt. Im Gegenzug soll Überversorgung in Ballungszentren reduziert werden. Dazu können die Zulassungsausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Krankenkassen frei gewordene Arztsitze aufkaufen.
Behinderung
Zur passgenaueren Gesundheitsversorgung von Erwachsenen mit so genannter geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen sollen speziell für diesen Personenkreis zugeschnittene medizinische Behandlungszentren geschaffen werden. Darüber hinaus erhalten diese Personen einen Anspruch auf in solchen Behandlungszentren zu erbringende nichtärztliche Leistungen, insbesondere psychologische, therapeutische und psychosoziale.
Entlassmanagement
Für eine lückenlose Versorgung der Versicherten beim Übergang vom Krankenhaus zum niedergelassenen Arzt soll es ein besseres Entlassmanagement geben. Krankenhausärzte dürfen verstärkt Arznei, Heil und Hilfsmittel für einen Zeitraum von bis zu sieben Tagen im Anschluss an die Krankenhausbehandlung verschreiben.
Innovationsfonds
Über einen Innovationsfonds werden ab 2016 innovative Versorgungsprojekte und die Versorgungsforschung mit jährlich 300 Millionen Euro gefördert. Über die Vergabe der Fördermittel entscheidet ein Innovationsausschuss, der beim Gemeinsamen Bundesausschuss angegliedert wird. Auch der SoVD wird dort als Patientenverband vertreten sein.
Krankengeld
Um häufig auftretende Probleme beim Nachweis fortdauernder Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden (Stichwort „Krankengeldfalle“), müssen sich Krankschreibungen künftig nicht mehr überschneiden. Künftig reicht es zum Beispiel, wenn Beschäftigte, deren Arbeitsunfähigkeit am Freitag endet, am darauffolgenden Montag eine Folgebescheinigung vom Arzt erhalten.
Krankengeldfallmanagement
Versicherte erhalten Anspruch auf „unterstützendes Krankengeldfallmanagement“ durch ihre Krankenkasse. Dies soll ihnen bei der Überwindung einer länger andauernden Krankheit helfen. Elemente des Fallmanagements können die Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Leistungserbringern, bei Terminvereinbarungen oder beim Wiedereinstieg ins Berufsleben sein. Maßnahmen dürfen nur nach schriftlicher Einwilligung des Versicherten erfolgen.
Krankenhäuser
Um die Zusammenarbeit zwischen stationärer und ambulanter Versorgung zu verbessern, dürfen Krankenhäuser zukünftig mehr ambulante Leistungen übernehmen. So sollen Versicherte zukünftig in einem Krankenhaus ambulant behandelt werden können, das bisher nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilgenommen hat, wenn eine Terminservicestelle einer Kassenärztlichen Vereinigung einen solchen Termin vermittelt hat. Auch sollen Krankenhäuser bei festgestellter Unterversorgung zur ambulanten Versorgung zugelassen werden.
Psychotherapie
Die psychotherapeutische Versorgung soll durch eine Überarbeitung der PsychotherapieRichtlinien des
Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) verbessert werden. Ziele sind eine effektivere Versorgung, die Schaffung weiterer Behandlungsmöglichkeiten sowie die Verringerung von Wartezeiten für Patientinnen und Patienten mit psychischen Beeinträchtigungen. Insbesondere ist an Regelungen zur Flexibilisierung des Therapieangebots, zur Einrichtung von psychotherapeutischen Sprechstunden, zur Förderung von Gruppentherapien und zu vereinfachten Antrags und Gutachterverfahren gedacht. Außerdem werden die Befugnisse der Psychotherapeuten zur Verordnung von bestimmten Leistungen erweitert, wie zum Beispiel das Verordnen von Leistungen zur psychotherapeutischen Rehabilitation, die Verordnung von Krankentransporten, Krankenhausbehandlung sowie Soziotherapie.
Reha-Einrichtungen
Die Freiheiten der Versicherten bei der Auswahl von RehaEinrichtungen werden ausgeweitet. Zukünftig können Versicherte also auch eine andere zertifizierte Einrichtung mit oder ohne Versorgungsvertrag wählen. Grundsätzlich gilt die Mehrkostenregelung, wonach Versicherte entstehende Mehrkosten im Vergleich zur von der Krankenkasse vorgeschlagenen Einrichtung selbst zu tragen haben. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für solche Mehrkosten, die im Sinne des Wunsch und Wahlrechts des SGB IX entstehen.
Strukturierte Behandlungsprogramme
Der GBA erhält den Auftrag, bis 2016 weitere chronische Erkrankungen zu benennen, für die strukturierte Behandlungsprogramme (DiseaseManagementProgramme – DMP) eingerichtet werden. Gedacht ist insbesondere an Programme zur Behandlung von Rückenleiden und Depressionen.
Terminservicestellen
Mit so genannten Terminservicestellen sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen künftig dafür sorgen, dass Patientinnen und Patienten innerhalb von vier Wochen einen Facharzttermin erhalten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung muss dem Bundesgesundheitsministerium jährlich Bericht erstatten, ob und wie das in der Praxis funktioniert.
Zahnmedizin
Menschen mit Behinderungen und pflegebedürftige Menschen erhalten durch das Gesetz Anspruch auf zusätzliche zahnmedizinische Präventionsleistungen.
Zweitmeinung
Um die Zahl der überflüssigen Operationen zu senken, wird es für gesetzlich Krankenversicherte künftig einfacher sein, eine Zweitmeinung eines anderen Arztes einzuholen. Voraussetzung ist, dass der Eingriff planbar ist, wie zum Beispiel bei einer anstehenden Hüft oder Knieoperation. Bei solchen anstehenden Operationen muss der behandelnde Arzt seine Patientinnen und Patienten künftig auf die Möglichkeit aufmerksam machen, eine zweite Meinung bei einem spezialisierten Mediziner oder Einrichtungen einzuholen. Für welche Krankheitsbilder die Zweitmeinung obligatorisch sein soll, wird der GBA festlegen.
Das sagt der SoVD
- Das Gesetz enthält gute Einzelregelungen, wie die Neureglungen zum Krankengeld, das verbesserte Entlassmanagement der Krankenhäuser, die schnellere Terminvergabe oder die Erleichterungen bei der Einholung von Zweitmeinungen.
- Eines der zentralen Probleme der Gesundheitsversorgung in den kommenden Jahren, der Ärztemangel in ländlichen oder strukturschwachen Gebieten, bleibt jedoch ungelöst. Gibt es zu wenige Ärztinnen und Ärzte, helfen auch die vorgesehenen Terminservicestellen nur bedingt weiter. Denn die überlangen Wartezeiten sind auch auf die unterschiedliche Vergütung ärztlicher Leistungen in Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung, das zunehmende Geschäft mit den Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) sowie die Spreizung der Vergütung zwischen den Arztgruppen und nicht zuletzt die Über und Unterversorgung zurückzuführen.
- Leider bleiben die verabschiedeten Regelungen zur Bedarfsplanung deutlich hinter den ursprünglich vorgesehenen Regelungen zurück. So „soll“ eine Kassenärztliche Vereinigung (KV) erst aktiv werden, wenn für bestimmte Arztgruppen und Planungsbereiche ein Versorgungsgrad von 140 Prozent erreicht ist. Ein solcher Wert wird allerdings nur in sehr seltenen Fällen erreicht. Als überversorgt gilt ein Bereich auch weiterhin, wenn der Versorgungsgrad 110 Prozent erreicht hat. Ab diesem Wert „kann“ die KV wie bisher bereits Arztsitze aufkaufen. In der Praxis passiert dies nur in Ausnahmefällen. Außerdem wurden die Ausnahmetatbestände ausgeweitet, die eine Niederlassung in einem überversorgten Bereich ermöglichen. Der SoVD fordert durchgreifende Maßnahmen zum Abbau der Überversorgung, insbesondere verpflichtende Reglungen zum Arztsitzaufkauf.
- Die mit dem GKVVSG verbundenen Mehrausgaben für die GKV werden zu steigenden kassenindividuellen Zusatzbeiträgen und damit zu einseitigen Mehrbelastungen für die Versicherten führen. Darum fordert der SoVD eine sofortige Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Beitragssätze zur Krankenversicherung sowie Maßnahmen zur Stärkung der solidarischen Umlagefinanzierung, wie die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze sowie der Jahresarbeitsentgeltgrenze, die Einbeziehung weiterer Einkommensarten und die Einführung eines Finanzausgleichs zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung.
Bei Einzelfragen wenden Sie sich bitte an Ihre SoVD-Beratungsstelle. Die Anschriften der SoVD-Landes- und Kreisverbände erfahren Sie auch auf unserer Internetseite unter www.sovd.de.